
Kreativität und Mut 1.Lesung: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23| 2.Lesung: 1 Kor 15,45-49| Evangelium: Lk 6,27-38
Die heutigen Worte des Evangeliums stammen aus der sogenannten „Feldpredigt“. Jesus war mit seinen Jüngern unterwegs in Galiläa. Die Menschen hatten von seinen Heilungen erfahren und „sie waren gekommen, um von Jesus zu hören“ (Lk, 6,18). Zuerst wandte er sich an seine Jünger, dann an die Reichen. Dann folgten die heutigen Worte an alle ZuhörerInnen.
War Jesus ein Naivling? War er überrascht, als er plötzlich am Kreuz hing? Nach Lektüre der Evangelien kann man sagen, nein, war er nicht. Er war realistisch unterwegs. Was uns Lukas in seinem Evangelium von Jesus auftut, ist genial. Jesus begann zu predigen, wurde aber in seiner Heimat abgelehnt. Wir können herauslesen: nur „Worte“ einzusetzen genügt zur Überzeugung von Menschen nicht. Wird man vom „Establishment“ abgelehnt, wende man sich den Menschen in Not und Sorge zu, versuche tatkräftig zu helfen und schaffe Erleichterung. Hilf den Menschen, trotz allem Regel- und Gesetzeswerk der Religion den Glauben zu finden. So sich Menschen tief beeindrucken lassen, gewinne sie als Verbündete und schule sie, damit sie die gemeinsamen Ziele und Überzeugungen weitergeben können. Fordere und fördere diese Botschafter ganz besonders, lass sie aber auch am eigenen Leib erfahren, wie mühsam der Einsatz sein kann, halte besonders die Freude an der Gemeinschaft aufrecht.
Mit den Worten heutiger Managementpläne liest sich das so: beschreibe die Ziele, die wichtig sind. Formuliere eine Strategie, wie langfristig diese Ziele erreicht werden sollen. Dann überlege die einzelnen Schritte – eine Taktik – die gesetzt werden müssen, um dem Ziel näher kommen zu können.
In der Vorgeschichte zu den Worten auf dem Feld beschreibt Lukas die Ziele Jesu und lässt seine Strategie erkennen. Damit die einzelnen Menschen aber Schritt für Schritt zum Erlangen des Zieles beitragen können, muss klein begonnen werden. Judas war letzten Endes von Jesus enttäuscht, weil er nicht mit Gewalt und Macht die Gegebenheiten verändert hat. Das war aber nicht die Absicht Jesu.
Jesus lehrt die kleinen Schritte, die jeder mal ausprobieren kann und die kein Ablaufdatum haben. Man kann den Faden immer wieder aufnehmen. Jesus schildert keinen Maßnahmenkatalog, den man abarbeiten muss, sondern lädt mit Beispielen ein, es mal auszuprobieren – nach dem Motto: so könnte es auch gehen, probiert es doch mal so. Jesus beleuchtet, wie eine Alternative zur Vergeltung aussehen und wie man so Gewaltspiralen entrinnen kann. Dabei setzt er auf die Überraschungstaktik. Normalerweise würde man erwarten, dass jemand der auf die Backe geschlagen wird, ebenso zuschlagen wird. Was aber nun, wenn das nicht passiert?
Die Erzählung von Saul und David berichtet, von solchen Überraschungsmomenten, die Einsicht ermöglichen können. Nachdem David in das Lager von Saul eingedrungen war, wäre es ein leichtes gewesen, Saul zu töten. Aber David hält seinen Diener mit folgenden Worten davon ab: „Nein! Bring ihn nicht um! Wer könnte den Gesalbten des Herrn antasten, ohne dass ihn Gott dafür bestraft?“ (1 Sam 26, 9). Gewalt mit Gewalt zu vergelten, auch wenn man im Recht ist, macht etwas mit einem Menschen. Das hinterlässt Spuren. Gibt es in der folgenden Gewaltspirale dann wieder eine Möglichkeit, die Stop-Taste zu drücken? Aktuelle kriegerische Auseinandersetzungen können als Beispiel dienen, dass dies sehr ungewiss ist. Saul weiß, dass er vermutlich selbst zugestochen hätte. Leider lässt die Leseordnung eine wesentliche Passage aus: „Da bekannte Saul: ‚Ich habe Unrecht getan! Komm zurück mein Sohn David! Ich will dir in Zukunft nichts Böses mehr antun, weil dir mein Leben heute so viel wert gewesen ist. Ich war dumm und habe mich völlig verrannt‘“ (1 Sam 26, 21). So ganz traut David dem Saul zwar nicht, die Beziehung wird auch nicht eitel Wonne werde, aber die Androhung körperlicher Gewalt und die Verfolgung nehmen ein Ende.
Im Babylonischen Talmud – einer Sammlung jüdischer Schriften – steht die Aufforderung, einen Zaun um die Tora zu machen: Mose empfing die Tora vom Sinai. Sie wurde von Generation zu Generation weitergeben. Die Propheten gaben sie an die Männer der Großen Synagoge weiter. Diese sagten drei Dinge: „Seid zurückhaltend im Gericht, und zieht viele Schüler heran, und macht einen Zaun um die Tora!“ Es kann wie eine Kurzzusammenfassung der Worte Jesu gelesen werden. Was meint nun aber Zaun der Tora? Das Gesetz soll durch eine vorerst enge Auslegung (einen Zaun) vor Übertretung geschützt werden, wie ein Garten. So ergibt sich auch die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit den Texten, damit die Intention Gottes für die eigene aktuelle Situation erkennbar wird, denn der Lebensalltag fordert uns manchmal, flexibel zu sein.
Genauso ist die Feldrede Jesu aufgebaut. Es ist ein Rahmenkatalog, der zum Nachdenken anregen und Diskussionen auslösen soll. Die beinhaltete Taktik lautet: raffiniert sein, nicht das tun was erwartet wird, Überraschungseffekte überlegen. Für uns geht es nicht darum, uns Satz für Satz darin zu verbeißen, sondern zu reflektieren, wo in meinem Alltag ein Überraschungsmoment beim Gegenüber eintreten könnte, der ihn reflektieren und alte Verhaltensmuster aufbrechen lässt. Dabei sollen wir ruhig mal über das übliche Maß hinaus gehen: „Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurück erhoffen könnt“ (Lk 6,35).
Jesus gibt Anregungen uns nicht einfach Problemen zu „entledigen“, sondern nachhaltige, tragfähige Lösungen zu finden. Deshalb müssen wir nicht naiv werden, aber eine Portion Kreativität und Mut kann nicht schaden.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem ersten Buch Sámuel anhören möchten:
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Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
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Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
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In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Kreativität und Mut 1.Lesung: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23| 2.Lesung: 1 Kor 15,45-49| Evangelium: Lk 6,27-38”
Liebes Moderationsteam,
-warum ich dankbar bin?-
ich möchte mich für Eure regelmäßige Zusendung der Bibeltexte bedanken.
Dankbar bin ich auch für Eure verständlichen Worte bezüglich dieser Bibelstellen.
Bei mir erweckt das den Impuls über mein Leben, mein Umfeld und über die
Weltsituation intensiver -unter Einbeziehung des Wort Gottes- zu reflektieren.
Das Ergebnis schreibe ich in einem Wochenbuch nieder.
Gesegnete Grüße