Lob von A bis Z 1. Lesung: Spr 31,10-13.19-20.30-31 | 2. Lesung: 1 These 5,1-6| Evangelium: Mt 25,14-30
In der alten Einheitsübersetzung trug der Text der ersten Lesung die Überschrift „Das Lob der tüchtigen Frau“. Mit diesem Lobhymnus auf eine Frau endet das Buch der Sprichwörter. Dem Text geht eine lange Einleitung voraus, in der ein Vater seinem Sohn Weisheitsmahnungen erteilt. Das Buch schließt mit prophetischen Worten, die die Mutter an ihren Sohn und König Lemuël richtet, bei der Auswahl seiner Ehefrau ein wachsames Auge zu behalten. Es sind weise Ratschläge einer Heidin. Am Ende des Buches der Sprichwörter stehen somit verbindende Worte eines interkulturellen Austausches zum Frauenbild.
Der Königsohn soll nach dem Rat seiner Mutter seine Pflichten nicht vergessen, für das Recht der Notleidenden sorgen und den Mund für die Schwachen öffnen. „Öffne deinen Mund, richte gerecht, verschaff dem Bedürftigen und Armen Recht!“ So ein König soll eine ebenbürtige Frau suchen und die Verantwortung mit ihr teilen. Wichtig bei der Auswahl einer Lebenspartnerin ist, dass ein gemeinsames Leben in Weisheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit möglich ist. Ehemann und Ehefrau nehmen unterschiedliche Aufgaben selbstverantwortlich war, aber die Grundlage sollen gemeinsame Wertvorstellungen sein. Man fühlt sich fast ein bisschen an das Sprichwort erinnert: hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau.
Die Auswahl der Textpassagen für unsere Leseordnung im Gottesdienst vermittelt das Bild eines Hausmütterchens. Es geht darum, eine sanftmütige Ehefrau zu sein, dem Mann ein wunderschönes zu Hause zu gestaltet, ihn zu hegen und zu pflegen. Als Ehefrau soll man sich um ein sanftes, reines, liebevolles und mit Gebet erfülltes Leben bemühen. Die Passagen lesen sich als Auftrag, Haushalt, Ehe und Dienst in der Gemeinde unter einen Hut zu bekommen. Eine Frau soll freundlich, bescheiden und sich ihrer vergänglichen Schönheit im Klaren sein. Damit dieses Bild nicht ins Wanken gerät, wurden bei der heutigen Lesung all jene Passagen weggelassen, die eine selbstbewusste und unabhängige Frau schildern. Das mag dem gewünschten Frauenbild der katholischen Kirche entsprechen, aber es ist kein biblisches.
In der ursprünglichen jüdisch-biblischen Langversion wird eine Frau beschrieben, die keine Zukunftsangst hat, eine Frau, die sich den Herausforderungen stellt. Sie besitzt Weisheit. Sie kennt die Weisungen Gottes und führt andere in Güte. Sie ist mondän und weltgewandt. Sie stellt sich dem Fremden und den Wagnissen. Diese Frau hat eigene Mägde und trägt Sorge für die Armen. Sie erwirtschaftet selbst Geld und kann dieses auch frei ausgeben, sogar für den Kauf von Grund und Boden. Sie ist erfolgreich und fleißig. Sie trifft Vorsorge und ist für schwere Zeiten gerüstet. Sie treibt Handel, ist ökonomisch selbstständig und finanziell nicht von ihrem Mann abhängig. Als Ehefrau und Mutter steht sie im Mittelpunkt des Hauses – sie übt nach heutigem Verständnis die Rolle des Haushaltsvorstandes aus.
Bei dieser wunderbar gestalteten Lobhymne auf eine Frau ist aber nicht nur der Inhalt aussagekräftig, sondern auch die Form der Darstellung. Die Schilderungen der Tugenden und Eigenschaften dieser Frau sind im Hebräischen in der Reihenfolge des Alphabets angeordnet, so dass die Verse in regelmäßigen Reihen mit den Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnen. Ein unglaublich poetischer Text, der deshalb so verfasst wurde, damit er leicht auswendig gelernt werden konnte. Man musste sich nur an der Buchstabenreihenfolge orientieren. Diesem Muster bedienen sich auch viele Psalmen.
Eshet Chayil (“eine Frau der Tapferkeit”) wird im Judentum an jedem Freitagabend vom Ehemann rezitiert. Nachdem die Schabbatkerzen angezündet sind, wird die Frau gepriesen. So beginnt bei den frommen Juden regelmäßig der zweithöchste Feiertag: der wöchentliche Schabbat. Er hält zu Hause Einzug durch das Entzünden der Schabbatkerzen durch die Frau, die Priesterin des Hauses, und der Ehrung ihres Wirkens durch ihren Ehemann. Die Ehefrau wird mit diesem Lied gefeiert. In diesen Versen steckt die ganze Anerkennung, die ein Mann seiner Frau geben kann.
In dieser jüdischen Tradition fußt auch der Umgang von Jesus mit Frauen. Schon das erste Testament erzählt von selbstbewussten Frauen: Ruth, die die Initiative zur Ehe ergreift, Deborah als Befehlshaberin der israelitischen Truppen, Richterin und Prophetin. Es werden auch Frauen geschildert, die frei über ihre Arbeitskraft und ihr Vermögen verfügen durften wie Abigail und die Frau von Schunem. Einige galiläische Frauen rund um Jesus nehmen diese Tradition auf. Susanna und Johanna, die Frau des Chuzas – eines Verwalters des Herodes – dienten Jesus mit ihrem Vermögen. Diese Frauen waren eine wesentliche Hilfe und leisteten der Jesus-Gruppe finanzielle Unterstützung.
Beginnend mit Maria, der Mutter Jesu, die sich selbstbewusst dem Gespräch mit dem Verkündigungsengel stellt, steht der Mut, der Glaube und die Treue der Frauen rund um Jesus immer wieder im Zentrum der biblischen Texte. Die Evangelien zeigen unumwunden, wie tief die Jünger fielen, indem sie Jesus in seinen schwersten Stunden verlassen haben. Maria Magdalena ist die Hauptzeugin der Auferstehung und erhält sogar den Auftrag zur Verkündigung. Paulus setzt diesen Weg mit Priszilla und der Purpurhändlerin Lydia fort.
Es mag Ironie des Schicksals sein, dass in den vergangenen Jahren gerade Frauen der Kirchen den Rücken gekehrt haben, deren Können bei der heutigen Lesung einfach ausgeblendet wurde. Wie man in den Wald hinein ruft, so kommt es zurück, könnte man meinen.
Liest man die verkürzte Variante unserer Leseordnung, meint man es sei eine Handlungsanleitung für die Frau. Im Judentum sind es aber nicht die Frauen, die über den Text nachzudenken haben, es sind die Männer.
Im neuen Schott-Messbuch wurden die „alten“ einleitenden Worte übernommen: „Die gute ‚tüchtige‘ Frau ist liebende Gattin, sorgende Hausfrau, ein wirklicher ‚Schatz‘, das Glück des Hauses … Ihr Glück besteht im Helfen und Schenken; darin ist sie Gott selbst ähnlich“. In der biblischen Langversion im Buch der Sprichwörter wird keine Superfrau beschrieben, es gibt kein vorgefertigtes Muster der Paradefrau in der Bibel – aber Lob von A-Z. Man muss schon klein-klein denken, dass man es notwendig hat, die Textpassagen eines selbstwussten und eigenständigen – durchaus modernen – Rollenbildes der Frau unter den Tisch fallen zu lassen. Es ist eine Selbstauskunft über das Selbstbewusstsein der verantwortlichen Kirchenmänner. Ein evangelischer Pastor beendete eine Predigt zu dieser Bibelstelle einmal so: „Also Männer. Lasst uns singen üben“. Wenn man die zahlreichen wenig bedankten Dienste von Ordensfrauen als Büglerinnen und Stickerinnen von Priestergewändern, die Pfarrersköchinnen, die Kirchenschmückerinnen, Mesnerinnen, Kirchenputzerinnen usw. denkt, ließe sich viel Lob von Kirchenmännern auf diese Frauen singen. Dass nicht einmal das neue überarbeitete Lektionar diese Bibelstelle in der Originallänge wiedergibt, lässt tief blicken.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Sprichwörter in der Version der Leseordnung anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Sprichwörter in der ursprünglichen biblischen Version anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde von Thessalonich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
3 Kommentare zu “Lob von A bis Z 1. Lesung: Spr 31,10-13.19-20.30-31 | 2. Lesung: 1 These 5,1-6| Evangelium: Mt 25,14-30”
Gedankenspiel: U. U. wurde im heutigen Evangelium auch ein Satz “unterschlagen” und Jesus hat den 3. Diener zusätzlich gefragt: Warm hast du mein Talent nicht deiner Frau zum Wirtschaften gegeben? — Jesus hatte sicher kein Problem mit tüchtigen Frauen, vieler seiner Nachfolger bis heute sehr wohl.
Traurig!
Die Predigt ist in Wirklichkeit eine textkritische Auslegung der Vorgaben des Lesejahrs. Ohne diese dankenswerte (und kenntnisreiche!!) Bemühung im Rahmen der Verkündigung, würden die biblischen Texte ihr realitätskritisches Potential – von dem sowohl die institutionelle Kirche, das Volk Gottes und nicht zuletzt auch die (säkulare) Gesellschaft profitieren können – für sich behalten. Das Frauenbild der (Kleriker-)Kirche hat wohl – das ist für mich ein Ergebnis dieser Bibel-Arbeit – jede Verbindung zur sozialen, humanen Realität verloren. Möglicherweise ist das ganz gut so, denn auf diese Weise kann das Frauenbild JESU und des zweiten Testamentes ungehindert auftauchen und seine revolutionäre Kraft in unsere Tage hinein entfalten.
Lieber Pfarrer Baldauf,
ich kann Ihnen nur wieder danken für Ihre informativen und ehrlichen Kommentare. Das neue Lektionar hat mich sehr enttäuscht, wäre doch da Gelegenheit gewesen, vieles ins rechte Licht zu rücken – aber nein, es gibt weiterhin nur Söhne, keine Töchter usw.! Wovor fürchten sich die (Kirchen-) Männer? Dass selbstbewusste junge Frauen, die in der Gesellschaft sehr wohl ihren Platz einnehmen, der Kirche den Rücken kehren, ist doch einfach eine Konsequenz!
Der Kommentar “Offene Türen” war für mich nochmal sehr interessant, habe ich doch das erste Mal in dieser Weise von “Kontrastgleichnissen” gelesen. Aber wie soll die Bibelstelle so gelesen werden, wenn es am Anfang heißt: “Mit dem Himmelreich wird es sein wie…..”?
Müsste die Bibel nicht endlich – zwar nahe am Urtext – aber doch verbunden mit der heutigen Lebenswirklichkeit geschrieben werden?
Alles Gute weiterhin!