Niemand ist von der Sorge um die Armen freigestellt 1. Lesung: Ez 34,11-12.15-17a | 2. Lesung: 1 Kor 15,20-26.28| Evangelium: Mt 25,31-46
Mit dieser Rede spitzt Jesus die Botschaft zu. Im Anschluss fassen nämlich die Ältesten des Volkes und die Hohenpriester den Beschluss, Jesus zu töten. Es war für sie zu viel des Guten. Diese Zuspitzung versuche ich zu erläutern.
Was zunächst augenfällig ist, dieses viermalige Wiederholen: Ich war hungrig, durstig, krank, fremd, obdachlos, im Gefängnis. Wenn einem Schreiber damals etwas wichtig vorkam, dann konnte er den Text weder unterstrichen noch fett drucken. Das Hervorheben der Wichtigkeit geschah durch das Wiederholen. Außer hier kommt in der gesamten heiligen Schrift eine viermalige Wiederholung nie vor. Es lässt erahnen, welches Gewicht Jesus in diese Worte legt. An der Haltung zu Hungrigen, Dürstenden, Fremden, Obdachlosen, Kranken und Gefangenen entscheidet sich der Glaube, entscheidet sich das Leben. Den „Gerechten“ ist es das ewige Leben.
Für Jesus geht die Orthopraxie der Orthodoxie, das rechte Tun der rechten Lehre voraus. Es ist bemerkenswert, dass das Jude- oder Heidesein kein Thema ist. Jesus identifiziert sich mit den Schwächsten der Gesellschaft. In und bei ihnen ist „ER“ zu finden.
Ich darf in diesem Zusammenhang Papst Franziskus zitieren, der in Evangelii Gaudium mit Blick auf die Zuwendung zu den Armen schreibt: „…was der Hl. Geist in Gang setzt, ist nicht ein übertriebener Aktivismus, sondern vor allem eine aufmerksame Zuwendung zum anderen, indem man ihn ‚als eines Wesens mit sich selbst betrachtet‘. Diese liebevolle Zuwendung ist der Anfang einer wahren Sorge um seine Person, und von dieser Basis aus bemühe ich mich dann wirklich um sein Wohl. Das schließt ein, den Armen in seinem besonderen Wert zu schätzen, mit seiner Wesensart, mit seiner Kultur und mit seiner Art, den Glauben zu leben. Die echte Liebe ist immer kontemplativ, sie erlaubt uns, dem anderen nicht aus Not oder aus Eitelkeit zu dienen, sondern weil es schön ist, jenseits des Scheins. ‚Auf die Liebe, durch die einem der andere Mensch angenehm ist, ist es zurückzuführen, dass man ihm unentgeltlich etwas gibt.‘ Der Arme wird, wenn er geliebt wird, ‚hochgeschätzt‘, und das unterscheidet die authentische Option für die Armen von jeder Ideologie, von jeglicher Absicht, die Armen zugunsten persönlicher oder politischer Interessen zu gebrauchen.“ … Und Franziskus weiter: „Es darf sich niemand von der Sorge um die Armen und um die soziale Gerechtigkeit freigestellt fühlen“ (EG 199, 200).
Das Evangelium und diese Worte des Papstes lassen fragen: Sind wir als Kirche, als Pfarren in unseren Breiten vielleicht zu sehr mit der Frage beschäftigt: Was tun, damit Menschen zu uns kommen? Wenn wir einen Blick auf die Zeitwörter im Evangelium werfen, dann ist ein sich Hinausbewegen angedeutet: besuchen, aufnehmen, bekleiden, zu essen und zu trinken geben.
Was ihr einer meiner geringsten Schwestern oder Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Es ist für Matthäus ein wichtiger und zentraler Gedanke, Zusage und auch Ruf, bzw. Berufung. In der Zuwendung zu den Geringsten begegnen wir Christus selbst, wächst Kirche, wird eine Gesellschaft heil.
Die Pandemie ist eine herausfordernde Zeit. Viele beschäftigen sich mit Fragen: Wer trägt Schuld an der Krankheit, jetzt am Lock-down? Wer hat was versäumt? Es mögen wichtige Fragen sein, aber es wird nicht viel zur Menschlichkeit beitragen. Der achtsame Umgang mit den Geringsten ist der Keim einer menschlichen Gesellschaft.
Zum Schluss möchte ich an den Anfang des Evangeliums zurückkehren. Wir hörten: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzten. Und alle Völker werden vor ihm versammelt …“ (25,31f) Menschensohn – wir deuten es auf den wiederkommenden Christus, der vollenden wird, was er zu Erdenzeiten begonnen hat. Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann dürfen wir das Schlussgeschehen verstehen im Sinne: Am Ende begegnet uns die Menschlichkeit. Die Menschlichkeit – umgeben von allen Engeln – richtet alle Völker. Es ist nicht auf Israel beschränkt, nicht auf die Kirche, sondern auf alle Völker. Der Menschensohn – die Menschlichkeit – sitzt zu Gerichte und hat das letzte Wort. Nicht Diktatoren oder Diktaturen, nicht eine Religion oder Ideologie, nicht (Hohe-) Priester oder Radikalisierte. Ja, dieses Evangelium relativiert auch zutiefst die Religionen. Bitte es recht zu verstehen: Jesus selbst ist ja auch Glaubender, aber die Religion steht im Dienste der Menschlichkeit, besonders der Bedrängten und der Armen. Die Menschlichkeit sitzt auf dem Thron der Herrlichkeit. Dafür ist Jesus gestorben und wurde er auferweckt.
Ein letzter Hinweis, um einem Missverständnis vorzubeugen: Jesus wendet sich auch an jene auf der linken Seite, zu jenen, die nichts getan haben. Sie haben nichts gesehen, getan … – wollen damit auch sagen: wir haben keinen Fehler gemacht. Zu ihnen sagt Jesus: Weg von mir, ihr Verfluchten … Jesus distanziert sich: weg von mir. Mit diesen, die sich aus allem heraushalten – Arme arm und Notleidende leidend lassen – will er nichts zu tun haben bzw. will er keine Mogelpackung eingehen. Vielleicht fühlten sich die Ältesten und Hohenpriester zu sehr betroffen?
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Ezéchiel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinthen:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Niemand ist von der Sorge um die Armen freigestellt 1. Lesung: Ez 34,11-12.15-17a | 2. Lesung: 1 Kor 15,20-26.28| Evangelium: Mt 25,31-46”
Danke Pfarreer Baldauf und Fr. Weiss für die hilfreichen Predigtbeiträge!
Bei obigen beeindruckt mich der Hinweis auf die 4xlige Betonung der Werke der Barmherzigkeit.
Frage: Wann und wie ist mir also Jesus am nächsten? Bei einen Messebesuch mit hohem Kunstgenuss, mit musikalischem Ohrenschmaus, mit angenehmer Raumtemperatur, mit frommen Gefühlen bei romatischem Kerzenschimmer oder strahlender Festbeleuchtung, zahllosen Lichtern vor Heiligenstatuen?? —
Vieles hat sicher seine kulturelle Berechtigung. Betrachtet man die Hl. Messe als größtes Geschenk Gottes an uns, warum ist sie dann nur kontrolliert einer priviligierten Schicht weltweit zugänglich? (s. Amazonien)
Mir scheint, obiges Ev. ist in Coronazeiten ein “Wink mit dem Scheunentor”, dass ein Wellness-Konsum-Christentum nicht Jesu Anliegen ist, sondern “Barmherzigkeit will, nicht Opfer” (Math. 12:7) oder “Selig sind die Barmherzigen,….” (Math.5:7) — Letztere gibt es in allen Religionen, weil offensichtlich Gottes Geist als Urheber alles Guten auch in Nicht-Christen die Frucht der Liebe ect. hervorbringen kann (Gal.5.22), ohne dass sie im Kopf unsere Lehrmeinungen haben.—-
Welche Art der Gegenwart Jesu ist heute wohl am meisten gefragt?