Menschen mit Ecken und Kanten 1. Lesung: Offb 7,2-4.9-14| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-2| Evangelium: Mt 5,1-12a
„Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige, katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen“, so bekennen wir. Manche haben an Teilen der Formulierung Mühe. „Ich glaube an die heilige, katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen.“ Einige Gedanken dazu:
Als erstes darf ich festhalten, dass es im Bekenntnis nicht lautet: Ich glaube an die „Römisch Katholische Kirche“. Das Bekenntnis umfasst mehr als unsere Kirche. Es wurde vor den Spaltungen so formuliert. Es ist die Kirche der Kirchen und umfasst alle, die sich von Jesus rufen lassen. Wir dürfen sie als heilig glauben, weil sie ein Werk des Heiligen Geistes ist. Der Heilige Geist wirkt in ihr. Er sammelt, heilt, versöhnt und wird sie einmal vollenden.
Diese Kirche ist nicht deshalb heilig, weil sie eine von perfekten, fehlerfreien Menschen zusammengefügte Gemeinschaft wäre. Sie ist als Gemeinschaft gerade deshalb heilsam-heilig, weil sie auch zu Menschen Ja sagt, die fehler- und schuldbehaftet sind: Sünder. Sie sagt nicht zuletzt Ja zu jeder und jedem von uns, auch zu mir. Wäre sie elitär, in der nur die Perfekten akzeptiert würden, dann hätte ich keinen Platz in ihr und sie wäre eine unheilsame, unmenschliche Gemeinschaft.
Es gibt immer wieder die Versuchung, eine Gemeinschaft im Sinne vom Heiligen Rest oder Gesundschrumpfen anzustreben, in der alles Fehlerhafte möglichst ausgespart wird: das Bild der kleinen, elitären Herde. Es widerspricht dem Gedanken der Heiligkeit für eine Gemeinschaft.
Heilig ist eine Gemeinschaft, wenn sie ganz werden will und Ausgrenzungen vermeidet, wenn sie Menschen mit ihren Kanten und Ecken auf- und annimmt. Eine Deutung des Wortes Kirche heißt: „Zum Herrn gehören“. Es ist eine heilige Gemeinschaft der zum Herrn Gehörenden. Es ist eine Gemeinschaft, die zu verhindern sucht, dass die Menschen allein bleiben. Sie dient daher dem Anliegen, gemeinschaftsfähig zu sein oder zu werden.
Wir bekennen uns zudem zur katholischen Kirche. Katholisch zu Deutsch: „allumfassend“ und dies in jeder Hinsicht. Es schließt den ganzen Menschen mit Leib, Geist und Seele ein. Es betrifft ebenso alle Menschen, jene von heute, aber auch die vor und nach uns. Es kann uns nicht gleichgültig sein, welche Welt wir zukünftigen Generationen überlassen. Mit Katholisch ist ferner die Verantwortung für die Mitwelt – Tiere, Schöpfung – eingeschlossen.
Ich glaube an die heilige, katholische Kirche, an die Gemeinschaft der Heiligen. Vielleicht erahnen wir die Herausforderung eines solchen Satzes und das Programm, das uns als Christen dabei leitet. Wir glauben uns auf dem Weg zu einer Gemeinschaft, allen Einwänden zum Trotz, in der jede und jeder einem ihr oder ihm gebührenden Platz hat. Wir glauben an den Hl. Geist, der da unaufhörlich am Werk ist, eine solche Gemeinschaft zu initiieren, zu formen und zu festigen. Es ist ein Bekenntnis, dass wir mit anderen auf dem Weg sind, dass wir eine gelingende, heilsame Gemeinschaft erhoffen, dass wir auf eine Gemeinschaft hin erlöst sind, in der Freiheit und Würde den Menschen zukommen und mit Kräften versuchen, an einer solchen Gemeinschaft zu arbeiten.
Im Buch Levitikus, 19. Kap. heißt es: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig.“ Gott ist heilig, bei ihm gibt es keine Ausgrenzung. Er lässt die Sonne aufgehen über Bösen und Guten, er lässt es regnen über Gerechten und Ungerechten.
Heilig sein steht in Verbindung mit dem Offensein auf alle Menschen hin. Es heißt viel Arbeit an sich selbst und mit sich selbst. Wir wissen zugleich – ein Thema der Bescheidenheit und Demut –, dass es Menschen geben wird, mit denen man nicht kann. Betrüblich ist es, wenn es den engsten Familienkreis betrifft. Es mag ein wenig trösten, dass selbst große Heilige in dieser Angelegenheit manchmal an ihre Grenzen kamen, u.a. der große heilige Franz von Assisi. Seine Mühen um Versöhnung sind beispiellos, doch mit seinem Vater schaffte auch er es nicht – der Vater verweigerte sich. Heilige sind Menschen, von den Heilsames und Heilvolles ausgeht. Es sind Menschen, die beitragen, dass mit der Kraft des Heiligen Geistes eine solidarische Gemeinschaft wächst.
Wenn wir uns heute zur heiligen, katholischen Kirche bekennen, dann hat dies z.B. zur Konsequenz, dass ich etwa nicht in meinen Chatkreisen, allein bei meinen „Followers“ oder allein im Freundeskreis bleibe. Es ist das Bekenntnis, sich auf Neues, neue Argumente, Überlegungen, Gedanken einzulassen, den eigenen Horizont nicht als letzte Maßgabe der Wahrheit zu nehmen.
Der Geist der Seligpreisungen atmet den Geist einer solchen Weite.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Offenbarung anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Johannes anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: