Mit neuen Erwartungen belebt und erfüllt 1.Lesung: Jes 6,1-2a.3-8| 2.Lesung: 1 Kor 15,1-11| Evangelium: Lk 5,1-11
Es lässt mich immer wieder staunen, wie vielschichtig biblische Texte sind. Die Berichte um die Taufe Jesu sind beispielhaft dafür. Manches wird nur stichwortartig angedeutet, aber der Kontext und Bezüge zu weiteren Bibelstellen geben dem Text prophetische Würze. Für neue Zugänge kann hinderlich sein, dass wir Christen die Texte zu sehr – ich möchte einmal sagen – aus heutiger Sicht lesen, ohne den jüdischen, gesellschaftlichen und politischen Hintergrund zu bedenken.
Beginnen möchte ich mit einem Hinweis auf das Volk. Es wird im Evangelium zweimal erwähnt. So heißt es: Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei. Was mit den Erwartungen des Volkes in Verbindung gebracht werden darf, wird verständlicher, wenn wir mitbedenken, was – leider wieder einmal – als Zwischentext ausgelassen ist, nämlich die Kritik Johannes d. T. an König Herodes. Er tadelt Herodes, weil er die Frau seines Bruders zur Frau nahm. Johannes wird deswegen verhaftet und landet im Gefängnis.
Johannes ist einer, der sich mit dem König anlegte. Er wagte es aufzumucken. Wenn bedacht wird, dass es viel Armut und Elend wegen der Steuerlast des Königs gab, dazu Gewalt und Unterdrückung, wird verständlicher was mit der Formulierung gemeint ist: Das Volk war voll Erwartung. Johannes war für sie ein Hoffnungsträger und wenn sie fragen, ob er der Christus sei, das übersetzt „Gesalbter“ heißt, dann ist er zumindest für manche eine politische Erlösergestalt. Vielleicht ein erwartet starker Mann, der dem Treiben des Königs ein Ende setzt.
Dieser Eindruck verhärtet sich, wenn wir die Bilder und Worte des Taufgeschehens mitbedenken. Sie stellen Bezüge zu Psalm 2 her. Dieser Psalm setzt sich mit der Willkür der Mächtigen und ihrer Machenschaften auseinander. Es ist interessant, dass dieses Thema gleich am Beginn der Gebete angesprochen wird. Es ist von jeher ein großes Thema der Menschheit, dass das Schicksal der Menschen bestimmt. Es ist zugleich ein Psalm, der die Kräfteverhältnisse in dieser Welt einordnet. So heißt es etwa über jene, die mit Gewalt herrschen: „Er, der im Himmel ist, lacht, der Herr verspottet sie“ (Psl 2,4). Mit anderen Worten: Sie haben keine Zukunft und sie ermöglichen keine Zukunft.
Der Psalm verheißt im Weiteren, dass der Herr einen Sohn einsetzen – zeugen – wird, der sich diesen Machenschaften entgegenstellt (Vgl. Psl 2,7f). Schließlich mündet das Gebet im Hinweis auf Haltungen, wie: dem Herrn zu dienen, ihn zu preisen, und nicht den Zorn der Untergebenen herauszufordern. Schließlich endet das Gebet im Aufruf: Berge dich im Herrn (vgl. Psl 2,12). Ergänzend ließe sich sagen: Und berge dich nicht hinter einem starken Mann
Johannes d. T. ist dieses Gebet bekannt. Er ist davon in seiner Antwort geleitet. Ich taufe euch mit Wasser. „Es kommt aber einer, der stärker ist als ich … Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (vgl. Lk 3,16). Er verfällt nicht der Versuchung die Rolle eines starken Mannes einzunehmen. Er weiß sich zugleich im Herrn geborgen, dem die Könige und Königinnen dieser Welt Rechenschaft schulden werden.
Ein zweites Mal kommt Volk vor. Von Jesus heißt es, dass er sich mit dem ganzen Volk taufen ließ. Nun historisch gesehen ließ sich das ganze Volk nicht taufen. Es war vermutlich eine überschaubare Gruppe. Der Evangelist hält hier fest, dass Jesus mitten im Volk ist. Er ist Teil des Volkes, teilt die Sorgen und Nöte. Er lebt mit und unter ihnen, leidet und freut sich mit ihnen. Er stellt sich nicht darüber. Sein Königtum ist nicht von dieser Welt. Es ist ein Königtum der Anteilnahme, der Solidarität und Sorge um jene und jener, die Not und Bedrängnis erleben.
Es ist mit diesem Taufgeschehen ein weiterer Bezug zu bedenken. Lukas ist Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte. Beim Vergleich der beiden Anfänge der beiden Schriften gibt es einen großen Unterschied. Im Lukasevangelium ist das Volk voller Erwartung und Johannes wird gefangen genommen. In der Apostelgeschichte ist das Volk ohne Erwartungen. Im Gegenteil: Mit dem Tod Jesu sind alle Erwartungen gestorben und die Jünger sperren sich aus Angst selber weg. Sie befinden sich hinter den verschlossenen Türen des Abendmahlsaales.
Johannes d. T. hat angekündigt, dass der, der nach ihm kommt, mit Feuer und mit Heiligem Geist taufen wird. Im Pfingstereignis kommt der Heilige Geist in Feuerzungen auf jeden herab (vgl. Apg 2,1-13). Das Volk strömt zusammen. Es bildet sich ein neues Volk. Es wird mit neuen Erwartungen belebt und erfüllt.
Dem Pfingstereignis voran steht, dass sich die Jüngerinnen und Jünger zum Gebet versammelt haben. Das Gebet, das gemeinsame Gottesdienst feiern und die Gespräche erfüllen sie mit Geist und Feuer, lässt bei ihnen neue Erwartungen aufblühen und weitet ihren Mut. Diese Frauen und Männer gehen hinaus mitten unter das Volk mit dem Vertrauen, dass sie Sauerteig sind, dass ihnen Kraft und Geist gegeben ist, heilend, stärkend, aufbauend und versöhnend zu wirken.
Sie sind mit Feuer und Heiligem Geist getauft. Auch wir.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.