Stimmen der Verwirrung 1. Lesung: Dtn 26,4-10|2. Lesung: Röm 10,8-13|Evangelium: Lk 4,1-13
Versuchung ist nicht gleich Versuchung. Lukas setzt in seiner Schilderung bei den Versuchungen Jesu besondere Akzente. Darauf versuche ich aufmerksam zu machen:
Es heißt hier, dass Jesus vom Jordan zurückkehrt. Wir wissen, dass Jesus da getauft wurde. Er wurde „eingetaucht“ in den Jordan. Der Fluss steht für Recht und Gerechtigkeit. Der Glaube an Gott ist bei Jesus zutiefst verbunden mit der Vorstellung, dass er – Gott – für Recht und Gerechtigkeit steht. Er will Recht und Gerechtigkeit für die Menschen, vor allem auch für jene, die in Not und Elend leben und deren Leben für die Mächtigen nicht zählt.
Allein diese unscheinbare Bemerkung stellt klar: Gott fordert keine Opfer. Er will schon gar nicht Menschenopfer eines sinnlosen Krieges. Recht und Gerechtigkeit sollen aufgerichtet werden.
Und weiter heißt es: Der Geist führte Jesus in die Wüste. Vielleicht für manche auch eine kaum beachtete Bemerkung: Der Geist führte in die Wüste, in der dann die Versuchungen folgten. Es ist der Geist, der Jesus in die Situation der Versuchungen führt. Hier wird ein Thema angesprochen, das Glaubende in besonderer Weise fordert. Wenn der Geist in die Wüste führt, dann ist damit klar, dass niemand einen Grund hat, Schuldige für seine Versuchungen zu nennen. In der Erzählung von Adam und Eva schiebt Adam die Schuld für das Essen vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse auf Eva und Eva auf die Schlange. Dieses Spiel Schuldige für ein mögliches eigenes Fehlverhalten zu suchen oder jede Verantwortung abzulehnen, kann so nicht stattfinden. Jesus weiß sich vor Gott im Versucht werden. Er verantwortet sein Tun und macht nicht irgendjemand für seine schwierige Situation verantwortlich.
Eine Randbemerkung zu diesem Thema: Auf diesem Hintergrund dürfen wir die Vaterunser Bitte verstehen: „Und führe uns nicht in Versuchung“. Jesus ist vom Geist in die Wüste geführt worden, in die Situation der Versuchung. Mit anderen Worten: Herausfordernde Situationen wie Anfeindungen, Zweifel, Verwirrung, Angst, Hunger u.v.a. deutet die Bibel als Versuchungen. Nicht zuletzt gilt es die Pandemie oder auch der Krieg in der Ukraine als Versuchungen zu verstehen. Wenn wir davon ausgehen, dass wir vom Geist in solche Situationen geführt werden, heißt es einerseits, wir sind von Gott nicht verlassen, sein Geist ist gegenwärtig; und andererseits ist uns aufgetragen, im Geist Gottes mit solchen Situation umzugehen. Da kann ich davon ausgehen, dass Menschen nicht zu Todfeinden werden oder jemand nicht in ein Rache- und Vergeltungsdenken verfällt.
Die Wüste ist ein Ort der Erprobung, des einfachen Lebens, des Mangels, des Hungers, der Ängste und Zweifel oder auch der Zuspitzung von Konflikten. Die Wüste war zugleich für Israel jener Ort, in dem in der vierzigjährigen Wanderung ihr Glaube gewachsen und gereift ist.
Der Geist führt Jesus in die Wüste, damit die Erfahrungen am Jordan weiterwachsen und reifen. Nach vierzig Tagen hungerte Jesus. Es ist ein vielfacher Hunger: Der Hunger nach Brot, nach Macht, nach Ansehen, nach Liebe, nach Anerkennung u.a.
Beim Vergleich mit dem Evangelisten Markus fällt auf, dass die Versuchungen einen anderen Charakter haben. Im Deutschen geht der Unterschied unter, weil zwei unterschiedliche Worte, nämlich „Satan“ und „Diabolos“ mit dem gleichen Wort „Teufel“ übersetzt werden. Bei Markus wird Jesus vom „Satan“ versucht. Der Satan ist jene Stimme, die einem Menschen einredet: Du kannst vor Gott nicht bestehen. Es richtet sich gegen die Zusage bei der Taufe: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. Man könnte sagen, dass der Hunger Zweifel an der Zusage auslöst. Bei Lukas ist es der „Diabolon“, der Jesus versucht: der Verwirrer, der Spalter. Der Diabolon versucht Jesus zu verunsichern, zu verwirren; in der dritten sogar mit einem Bibelzitat. Es gibt die missbräuchliche Verwendung der Bibel oder biblischer Zitate.
Nochmals Jesus wird in der Wüste versucht. Ihn hungert. Er sucht in dieser Situation seinen Weg. Es sind die Fragen: Wofür lebe ich? Für was stehe ich? Wofür setze ich die Talente, die Lebensenergie und Zeit ein? Gehe ich möglichst den einfachen Weg und mache aus Steinen Brot? Oder biete ich einfach den hungernden Menschen nur Steine, ohne Herz, ohne Mitleid und Mitgefühl?
Verwende ich meine Lebensenergie und Talente, um ein Reich zu schaffen, in dem Sklaven, Mägde und andere mir dienen? Spalte und herrsche sehen manche als probates Mittel, um nach oben zu kommen. Manche gefährden damit Firmen, Unternehmen, Institutionen; manche sogar den Weltfrieden.
Andere versuchen mit Show und Populismus die Massen hinter sich zu bringen. Ein spektakulärer Sprung von der Zinne des Tempels macht Eindruck. Sie versuchen möglichst viele auf einen solchen Sprung mitzunehmen, ohne die Wahrheit und die Fakten zu beachten. Ja, Populisten lassen sich gerne auf Händen tragen. Jesus hält dem das biblische Wort entgegen: Du sollst Gott nicht auf die Probe stellen.
Vermutlich werden wir durch die Pandemie und den Krieg Russlands mit der Ukraine in eine Zeit der Wüste geführt, in der wir es mit dem „Diabolon“ zu tun bekommen, mit Stimmen der Spaltung und Verwirrung.
Seien wir gewarnt vor einfachen Antworten oder einfachen Wegen. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Seien wir gewarnt alle Macht und Herrlichkeit haben, besitzen und beherrschen zu wollen. Eine besondere Macht und Herrlichkeit wird vielmehr jenen geschenkt, die Gott anbeten, die ihm einfach viel zutrauen.
Seien wir auch gewarnt vor Überheblichkeit, einer Mentalität die Besseren zu sein oder der Anbetung eines Populisten.
In der Wüste ist der Glaube Israels gewachsen und gereift. In der Wüste hat Jesus in der Auseinandersetzung mit dem biblischen Wort seinen Weg gesucht. Wir haben die Zusage, dass der Geist auch in unseren Wüstenzeiten zugegen ist.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
3 Kommentare zu “Stimmen der Verwirrung 1. Lesung: Dtn 26,4-10|2. Lesung: Röm 10,8-13|Evangelium: Lk 4,1-13”
Das ist interessant! Der Geist führt in die Wüste!! Das war mir nicht bewusst, das habe ich bisher nicht bewusst gelesen.
Danke für diese Erklärung!!
Lieber Erich!
Vielen Dank für Deine treffenden Worte heute.
Rainer Maria Rilke schreibt: “Du bist das Wunder in der Wüste, das Ausgezogenen geschieht. ”
Gruß Felix
Eine ähnliche Erfahrung beschreibt Johannes Tauler, ein mittelalterlicher Mystiker:
„Gott neigt sich dem Menschen, der in der Wüste auf Ihn wartet, zärtlich zu.“
Beten wir mit dieser Zuversicht!