Teilhabe am Tisch der Glaubenden 1. Lesung: Sir 3,17-18.20.28-29| 2. Lesung: Hebr 12,18-19.22-24a| Evangelium: Lk 14, 1.7-14
Am Beginn eine Information in eigener Sache für die Leserinnen und Leser des Bibellabor: Mit dem heutigen Gottesdienst verabschiede ich mich vom Seelsorgeraum Dornbirn als Moderator. Gleichzeitig feiert der Musikverein Rohrbach ein rundes Jubiläum.
Der 1. September 2019 bringt für mich eine Veränderung mit sich. Ich beginne eine halbjährige Sabbatzeit, die bis zum 29. Februar 2020 dauern wird. Im Anschluss werde ich in zwei pastoralen Schwerpunkten in der Diözese tätig werden: Ein erster betrifft die Pfarre Hard, zu deren Pfarrer ich bestellt werde. Als zweiten Bereich werde ich im Auftrag des Bischofs die Bibelarbeit in der Diözese begleiten und fördern.
Im Sinne der Vorbereitung auf die Bibelarbeit werde ich auch in der Sabbatzeit an den meisten Sonntagen im „Bibellabor“ Gedanken zu einer oder mehreren Bibelstellen des Sonntags zur Verfügung stellen. An dieser Stelle danke ich für das Vertrauen und möchte hervorheben, dass ich mich über ergänzende Gedanken jeweils freue.
40 Jahre Musikverein Rohrbach. An dieser Stelle gratuliere ich zu diesem Jubiläum und verbinde es mit einem großen Dank für die Zusammenarbeit in der Vergangenheit. In diesen 40 Jahren hat der Musikverein Rohrbach viele Feste, Feiern, Jubiläen und Gottesdienste am Ort, darüber hinaus und in der Pfarre mitgestaltet. Ihr wart auch dabei, um manche traurige Stunde gemeinsam zu tragen. Mit eurem Mühen um Qualität habt ihr zur Identität des Rohrbach beigetragen, ja ihr habt ihn mit Stolz erfüllt. Durch den Musikverein ist viel Jugendarbeit geschehen und Gemeinschaftliches gewachsen. Es gebührt allen Musikerinnen und Musikern und auch allen Funktionären ein großer Dank. Gott möge es vergelten.
40 Jahre: Es ist ein biblische Zahl. Das Volk Israel war 40 Jahre in der Wüste unterwegs. Jesus fastete 40 Tage. Nachdem Noah die rettende Arche gebaut hatte, regnete es 40 Tage. 40 ist in der Bibel die Zahl für eine Zeit der Probe, der Herausforderung, der Prüfung und zugleich besagt sie, dass ein neuer (Lebens-)Abschnitt folgt.
Wir wissen, dass Moses nach den 40 Jahren auf dem Berg Mose steht, ins gelobte Land schaut, aber es selbst nicht mehr betritt. Er stirbt davor. Es ist seinem Nachfolger Josua beschieden, den Jordan zu überqueren.
Dahinter verbirgt sich eine uns alle angehende, tiefe Lebensweisheit. Es braucht solche Menschen wie Mose, die auf dem Weg ins gelobte Land vorausgehen, die andere auf einen Weg mitnehmen, noch nicht wissend wie und was es sein wird. Der Weg mag mit viel Kampf und Krampf gepflastert sein, es sind kommende Generationen die davon profitieren, Nachfolgende, die die Früchte ernten können.
Lieber Musikverein Rohrbach, ich wünsche euch für den weiteren Weg alles Gute, viel Freude am gemeinsamen Musizieren und zu allem Gottes Segen. Ich erlaube mir einen Gedanken mitzugeben: Der Musikverein trägt viel zur Gemeinschaftsbildung, zur Identität und zur Integration bei. Er vermag in dieser Sache Großes zu tun. Es ist gerade auch Aufgabe von Vereinen und im Speziellen der Musik, Menschen die Integration zu ermöglichen, Brücken zu Kulturen zu bauen, auf dem Weg ins gelobte Land zu bleiben, damit es möglichst keine Ausgegrenzten, Abgehängten und im Elend Lebenden gibt. Die Arbeit an der Integration ist Aufgabe aller, der MigrantInnen aber auch der Stammgesellschaft.
Liebe Gläubige, es ist heute auch der Tag an dem ich nach 26 Jahren als Pfarrer und fünf Jahren als Moderator im Seelsorgeraum Katholische Kirche in Dornbirn Abschied nehme. Es erfüllt mich große Dankbarkeit. Es war eine abwechslungsreiche, bunte Zeit: Zeiten der Arbeit, der Feiern und Gebete, Zeiten der Herausforderungen und Schwierigkeiten, des Trauerns und der Verabschiedungen. Der Weisheitslehrer Kohelet lehrt uns, dass Gott in alle diese Zeiten, in alle diese Erfahrungen seine Ewigkeit hineingelegt hat (Koh 3,11). Bei Gott erlangt alles seine besondere Bedeutung und nichts, was in Liebe geschehen ist, geht verloren. In besonderer Weise bin ich dankbar, dass der biblische Glaube durch die Mithilfe vieler gestärkt und zu einer Lebensquelle geworden ist.
In Anlehnung an das Evangelium dieses Sonntags, das heisst in Anlehnung an Lukas ein Ausblick: Für den jüdisch denkenden Menschen – es gilt also für Jesus und Lukas – gibt es nicht einfach die Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Die Trennlinie zwischen Glauben und Unglauben geht durch jeden Menschen hindurch. Jeder Mensch hat Räume des Glaubens und des Heidnischen, des Lebendigen und der todbringenden Götzen. Zu warnen ist vor den Menschen, die in Anspruch nehmen den Glauben zu besitzen und damit zur Spaltung der Gesellschaft und Kirche beitragen.
Bei Lukas tritt Jesus zum ersten Mal in der Synagoge in Nazareth mit der Botschaft seines Glaubens auf: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde …damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe (Lk 4,18f).
Der Glaube, wie er bei Lukas ausformuliert ist, hat diesen Fokus mit der Hinwendung zu den bedrängten Menschen, besonders jener, die in Armut, Not, Elend und Unfreiheit leben, das bedeutet zu Mägden und Knechten gemacht werden. Im Evangelium knüpft er daran an und erklärt einem gastgebenden Pharisäer: Lade nicht Freunde, Brüder, reiche Nachbarn ein, sondern wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst seelig sein, sie können es dir nicht vergelten. Es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten. Die zweckfreie Zuwendung zu den Menschen in Not führt ins Leben: den einzelnen Menschen und eine Gemeinde, die Kirche.
Vielleicht leidet unsere Kirche auch deshalb an der Glaubwürdigkeit, weil ihr Großteils dieser Fokus abhanden gekommen ist. Er wird mehr oder weniger der Caritas überlassen. Konkreter: Vielmehr als der Priestermangel müsste uns heute als Kirche irritieren, dass wir den Anschluss an die Menschen in Not verloren haben. Wir haben knapp 20% der Bevölkerung, die armutsgefährdet sind, das heisst am Existenzminimum leben. Wichtiger als der Erhalt einer Kirche ist die Sorge um diese Menschen. Das Thema: „Menschen in Not“ müsste Teil jeder Tagesordnung von Pfarrgemeinderat und Pfarrkirchenrat sein. Es kann sich um Einzelhilfe handeln. Notwendig können aber ebenso politische Interventionen sein. Es wird auch darum gehen, gegen jene die Stimme zu erheben, die mit ihren Machenschaften für Ungerechtigkeiten, Not und Elend verantwortlich sind. Da ist mir bewusst, dass ich einiges gegenüber diesen Menschen in Not schuldig geblieben bin.
Ein letzter Gedanke – ein letztes Anliegen: Es ist der Glaube an sich. Kümmert euch um den Glauben, um die Religion in der Gesellschaft! Es geht mir nicht um „Bigotterie“. Zu erwähnen ist, dass es kein Buch gibt, das religions-, kult- und machtkritischer wäre als die Bibel. Sie weiß, um die große Gefahr mit Religion und Glauben die Menschen knechten zu können. Es sind vor allem die Propheten, die sich mit Vehemenz dagegen stellen. Ihre Botschaft ist in der Verkündigung leider unterbelichtet.
So sehr ich dafür bin, dass es die Trennung zwischen Staat und Religion, zwischen Staat und Kirche gibt, plädiere ich dafür, dass Verantwortliche aller Religionsgemeinschaften eine gut fundierte Ausbildung erhalten. Ohne solide Bildung bereiten wir den Boden für Fundamentalisten und Extremisten.
Die Sorge um die Religion und den Glauben tangiert die Politik. In den letzten Monaten sind einige Politiker, die sich gerne christlicher Symbole bedienen, menschenverachtend aufgetreten. Sie kriminalisieren lebensrettende Einrichtungen, spielen gezielt Gruppen gegeneinander aus und halten den persönlichen und gesellschaftlichen Narzissmus hoch: Ich oder wir zuerst. Es ist zu einfach, nur über Politiker und Parteien zu schimpfen. Wir sind teil dieser Gesellschaft. Wir wählen. Wir haben Verantwortung und die Möglichkeit uns einzubringen, mitzureden und mitzugestalten.
Am Tisch der Glaubenden finden wir Arme, Krüppel, Lahme und Blinde. Erwartet keinen großen Dank dafür. Es wird vergolten bei der Auferstehung der Gerechten. Es ist eine Gesellschaft, die bei Tisch im Gespräch miteinander ist und dabei Ängste abbaut. Es ist das Bild des gelobten Landes. Wir sind erst auf dem Weg dahin – als Glaubende. Diesen Vorsprung wollen wir uns nicht nehmen lassen.