Verletzbarkeit menschlichen Lebens 1. Lesung: Num 6,22-27|2. Lesung: Gal 4,47|Evangelium: Lk 2,16-21
Neben mir ist die Krippe von der Pfarrkirche St. Sebastian in Hard. Vor wenigen Tagen haben wir die Geburt Jesu gefeiert. Wir sehen das Kind in einer Krippe, die Eltern Maria und Josef und auch dabei: Ochs und Esel.
Ich möchte diese Krippe als Grundlage meiner Gedanken für den Übergang zum neuen Jahr nehmen. Sie greift in meinen Augen atmosphärisch viele der Themen auf, die uns derzeit sehr beschäftigen und herausfordern.
Beim Betrachten der Krippe gewinnt man den Eindruck, dass da vieles unfertig oder gar baufällig ist. Die Zäune löchrig und für Tiere leicht überwindbar. Die Straßen bzw. Wege unbefestigt, in einem schlechten Zustand.
Die Höhle, die teilweise von Mauern begrenzt wird, bietet dem Kind wenig Schutz. Das Kind in der Krippe nur halbbedeckt wirkt verletzlich. Man hat den Eindruck, es muss frieren.
Die Darstellung der Krippe zeigt für mich starke Parallelen zu unserer gegenwärtigen Situation auf. Die Covid-Pandemie führt uns vor Augen, wie unfertig und baufällig das Leben ist, wie verletzlich unser wirtschaftliches und gesellschaftliches System und das Zusammenleben sind, ja wie verletzlich das menschliche Leben selbst ist.
Es wirkt so vieles vorläufig, unfertig, baufällig, ob in der Kultur, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, in der Politik und nicht weniger in der Kirche und Pfarrei.
Diese Krippe hat in meinen Augen eine erste hoffnungsvolle Botschaft. Sie möge zu Herzen gehen. In eine solche vorläufige, unfertige und baufällige Welt ist Jesus – „Gott hilft“, „Gott rettet“ – geboren. Gott weicht ihr nicht aus oder meidet sie. ER kommt in diese Welt: helfend und rettend – auch heute.
Im Johannesevangelium heißt es, dass die Welt ihn nicht erkannt habe.
Ich möchte einladen, einander im Lesen seiner Spuren behilflich zu sein. Vielleicht zeigen sie sich darin, dass neben den immensen Herausforderungen viel neue Solidarität gewachsen ist, dass es viele Ideen und Mühen gab, Menschen nicht allein zu lassen, dass Familien berichteten, es habe in der Weihnachtszeit intensive Diskussionen und Begegnungen gegeben, wie sie das bisher nicht kannten. Es gibt Hilfspakte unterschiedlichster Art: im Großen und im Kleinen.
Vielleicht ist auch die rasche Entwicklung eines Impfstoffes ein neuer Impuls für die Medizin. Es tun sich wirklich neue Möglichkeiten auf, wenn Menschen – Experten – weltweit zusammenarbeiten und ihr Wissen gegenseitig zur Verfügung stellen.
Es könnte doch ein hoffnungsvoller Ansatz und beispielgebend in der nächsten dringenden Frage sein, nämlich der Klimaerwärmung.
Die Krippe kündet ebenso, dass Gott mit jenen Menschen solidarisch ist, die verletzlich sind und frieren. Wir sind an Opfer des Krieges, an Flüchtlinge, an Verfolgte und Gefolterte, an im Gefängnis Sitzende und Heimatlose erinnert. Wir denken zugleich an Menschen, die im Gefühl verratener oder missbrauchter Liebe leben, oder die von niemanden ernst genommen sind.
Wir Christen sind gerufen, für diesen verletzlichen Gott Zeugnis abzulegen. Was ihr einer meiner geringsten Schwester oder Bruder getan habt, das habt ihr mir getan.
Tun wir es im Wissen, dass in der Zuwendung zu den Verletzlichen Segen liegt. Wir müssen dabei niemanden schlecht machen. Wählen wir im Umgang mit Menschen bei aller Emotion eine Sprache, die Personen nicht verletzt oder frieren lässt.
Im Segen bitten wir darum, dass Gott den Menschen sein Angesicht zuwendet, damit sie erfahren, dass sie von ihm – Gott – gesehen sind. Er möge uns allen in diesem kommenden Jahr sein Angesicht, seine Aufmerksamkeit zuwenden und uns Frieden schenken, jenen Schalom, der die Hoffnung stärkt, der uns hilft, Menschen anzunehmen, und von Angesicht zu Angesicht – auf Augenhöhe – zu begegnen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Numerische anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Galátien anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Verletzbarkeit menschlichen Lebens 1. Lesung: Num 6,22-27|2. Lesung: Gal 4,47|Evangelium: Lk 2,16-21”
Zudem möchte ich in Dankbarekeit für alle “Bibel-Laboranten/innen” und Leser/innen erbitten, was Jörg Zink in seinem Büchlein “Mehr als drei Wünsche schreibt”:
…. Ich wünsche dir aber, dass dich immer etwas berührt, das ich nicht so recht beschreiben kann. Es heißt “Gnade”. Gnade ist ein altes Wort, aber wer sie erfährt, für den ist sie wie Morgenlicht. Man kann sie nicht wollen und nicht erzwingen, aber wenn sie dich berührt, dann weißt du: ES IST GUT. ” —
Diese Erfahrung werde allen Menschen guten Willens geschenkt!