Vertrauensbildende Maßnahmen 1.Lesung: 1 Kön 17,10-16| 2.Lesung: Hebr 9,24-28| Evangelium: Mk 12,38-44
In der vergangenen Woche wurde der jährliche Vertrauensindex publiziert. Dabei wird das Vertrauen in unterschiedliche Institutionen abgefragt. Es gab dieses Jahr fast ausschließlich Vertrauenszuwächse. Schlusslichter und negative Ausreißer sind am vorletzten Platz die Kirche und am letzten Platz die neuen Medien. Man kann nun wie Winston Churchill sagen: „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“ und die Ergebnisse als einmaligen Ausrutscher abtun. So leicht ist das aber leider nicht, denn die Ergebnisse zeigen seit vielen Jahren die gleiche Tendenz. Die Kirche zählt zu den Verliererinnen im Vertrauensindex. Die Kirchenaustrittszahlen können ein weiterer Indikator sein.
Zur Zeit Jesu kannte man noch keine Umfragen und empirischen Erhebungen, dennoch muss sein persönlicher Eindruck eindeutig gewesen sein. Der Schelte für die Schriftgelehrten geht der Einzug nach Jerusalem voraus. Dort verbringt Jesus mit seinen Jüngern viel Zeit vor dem und im Tempel. Es kommt zur sogenannten Tempelreinigung. Jesus nimmt eine unglückselige Allianz von Geld und Geschäften im Tempel wahr. Die Schriftgelehrten reagieren, indem sie Jesu Vollmacht in Frage stellen und ihn mit Fragen – heute würde man sagen der Dogmatik – der konkreten Auslegung von Glaubensgrundsätzen insbesondere der Gebote löchern. Jesus reagiert ungewöhnlich polemisch: „Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete“ (Mk 12, 38-40). Kurz zusammengefasst spricht Jesus ihnen mit diesen Worten jede Form von Glaubwürdigkeit ab. Der Volksmund fand dafür folgende Beschreibung: „Wasser predigen und Wein trinken“ in eindeutiger Anlehnung an die bezweifelte Glaubwürdigkeit manchen kirchlichen Predigers.
Die Grundlage von Vertrauen bildet die persönliche Glaubwürdigkeit. Sie beruht auf vier Faktoren: Integrität, Absicht, Fähigkeit und Ergebnis. Bei den ersten beiden Faktoren geht es um Charakter, bei den beiden anderen um Kompetenz. Vertrauen und Glaubwürdigkeit gelten als stärkste Währung von Einrichtungen. Jesus verbindet mit den heutigen Worten die Währung der Geldwechsler im Tempel mit dem „wertlosen“ Verhalten der Schriftgelehrten.
Glaubens- und Vertrauenswürdigkeit von öffentlichen Personen und Institutionen ist Grundlage der Meinungsbildung. Die Entscheidung erfolgt durch Zuhören und Zusehen – Worte und Taten müssen übereinstimmen. Jesus sah bei seinen Beobachtungen rund um den Tempel eine solche Übereinstimmung bei einer Frau. „Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt“ (Mk 12, 42-44).
An einigen Stellen der Evangelien wird Jesus von den Menschen als der wiederkommende Elija beschrieben (Mt 16,14, Lk 9,8, Lk 9,19). Weshalb? Vielleicht deshalb, weil es seine Glaubwürdigkeit unterstreichen soll. In der heutigen Lesung hören wird, dass Elija der Witwe in Sarepta ein Versprechen in großer persönlicher Not gab. Sie sollte aus dem letzten Rest ihrer Vorräte dem Elija ein Brot backen. Elija versprach, dass der Mehltopf nicht leer und der Ölkrug nicht versiegen werde und so war es dann auch: „Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der Herr durch Elija versprochen hatte“ (1Kön 17, 16).
Der Neurowissenschaftler und Psychologe Niels Birbaumer beschreibt die Möglichkeit, Vertrauen zu gewinnen so: „Indem man die Erwartungen erfüllt, die dieser Mensch an einen hat. Ich fahre beispielsweise nicht mehr mit der Deutschen Bahn, da sie zu oft meine Erwartung enttäuscht hat, ein Ziel pünktlich zu erreichen. Ich habe kein Vertrauen mehr in sie. Das liegt nicht etwa an einer generellen Abneigung gegen Züge, denn in der Schweiz nutze ich ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel …Neben den Erwartungen können zwischen Menschen aber auch sanfte, kurze Berührungen Vertrauen stiften, eine Hand auf dem Arm etwa, eine Umarmung. Sie können ein Wohlgefühl schaffen, das Angst mindert“. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die Caritas oder Einrichtungen wie die Krankenhaus- und Heimseelsorge einen hohen Stellenwert genießen. Hier wird Kirche noch als authentisch erlebt.
Eine Erhebung von ORF und der Uni Wien zur Fragestellung „Was glaubt Österreich?“ kommt zu einem ersten Ergebnis: „Der für Österreich traditionell katholische ‚Überbau‘ bricht weg … Religiosität als Transzendenzbezug verschwindet dabei keinesfalls völlig“.
Events, Strukturreformen und Marketing prägen stark den kirchlichen Alltag. Wenn man Expertenmeinungen glauben mag, sind aber Glaubens- und Vertrauenswürdigkeit Grundlage der Meinungsbildung. Das Gehörte und das Gesehene müssen zusammenpassen. Zahlreiche biblische Texte und Bilder helfen uns bei der Verdeutlichung. In Unternehmen und Betrieben werden zur Erreichung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen, aber auch von Erfolg zwei Fragestellung herangenommen: Tun wir die richtigen Dinge und tun wir die Dinge richtig? Dies könnten auch abgeleitete Fragen aus dem heutigen Evangelium sein.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem ersten Buch der Könige anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
2 Kommentare zu “Vertrauensbildende Maßnahmen 1.Lesung: 1 Kön 17,10-16| 2.Lesung: Hebr 9,24-28| Evangelium: Mk 12,38-44”
Was ist die ganze Wahrheit?
Wir wohnen nicht weit weg von der tschechischen Grenze und sind manchmal im Nachbarsland beim Wandern. Nachher kehren wir meistens zu einer Brotzeit ein.
Ein schönes Lokal mit Terrasse haben wir lange Zeit gemieden, weil es als Pizzalokal Werbung gemacht hat. Meine Frau meinte, da gebe es nur deftiges Essen. Als ich vor ein paar Tagen alleine beim Wandern war, vertraute ich meinem Bauchgefühl und ich wurde belohnt. Ich aß sehr leichte Kost, einen hervorragenden Zander auf Gemüsebeet.
Ähnliches erfuhr ich auch mit einem Menschen. Ich dachte, weil er mich nie grüßte, trotz meiner Offenheit, er sei etwas seltsam. Als ich einmal mit meiner Frau beim Essen war, ging er bei uns vorbei und begrüßte meine Frau. Sie sagte, sie kennt ihn vom Hospizverein und er sei sehr nett und ist im Verein sehr aktiv. So lernte ich wieder einmal dazu, ich sollte keine Vorurteile gegenüber Menschen haben und mehr vertrauen. Jesus hat uns ja diesen Weg
gezeigt.
Gesegnete Grüße
Für einen Wortgottesdienst habe ich mich auch mit den beiden Texten befasst.
Auf das Thema Vertrauen bin ich dabei nicht explizit gekommen, aber vielleicht haben die Gedanken, die mich beschäftigt haben, doch auch damit zu tun. Mir ist es bei der Vorbereitung deutlich geworden, wie wütend Jesus auf die Pharisäer gewesen sein muss. Bis zu dieser Stelle erzählt Markus von Auseinandersetzungen m i t den Schriftgelehrten, aber hier lässt Jesus sich ü b e r sie aus, und zwar öffentlich und heftig. Und dann geht er in den Tempel, schaut ihnen zu, wie sie Geld in die Opferkästen werfen. (Das Geld musste den Priestern übergeben werden, die es öffentlich sichtbar je nach Zweck in einen der 13 Opferkästen warfen).
Irgendwie ist das eine seltsame Vorstellung. Jesus setzt sich hin und schaut den Leuten zu, wie sie geben bzw. opfern. Mir kommt es mir vor, als hätte er sich an diesem Wendepunkt in seinem Leben damit auseinander gesetzt, was “richtiges” und “falsches” Menschsein ist. Und die Witwe wird zum positiven Gegenbild der Pharisäer. So wie sie tut, müsste es sein! Vielleicht ist sie für ihn auch zum Symbol für sein eigenes Weitergehen und Sich-Opfern geworden? Jedenfalls scheint es ihn aufgewühlt zu haben. Er ruft extra seine Jünger, um sie auf die Frau aufmerksam zu machen.
Und was mich dann am meisten beschäftigt hat: Der Satz: „Sie hat von ihrem Mangel (oder in anderen Übersetzungen: von ihrer Armut) gegeben“, der ist eindrücklich. “Vom Mangel geben” (auch die Witwe von Sarepta tut das) … ohne Scham, dass es zu mickrig ist. Mir kommt das sehr schwer vor. Es ist leicht sich zu zeigen und zu geben von dem, wo man sich sicher ist, dass es herzeigbar und ausreichend und kostbar ist. Aber dort, wo wir uns ungenügend fühlen, mangelhaft, wo wir gefährdet und verletzlich sind? Aber darum geht es wohl genau: Wenn wir hergeben mit dem Bewusstsein, dass wir damit etwas Kostbares geben, verkehrt sich in uns ganz schnell etwas ins Gegenteil, plötzlich geht es um Anerkennung, ist es uns Recht, wenn man das auch sieht, was wir da Gutes tun, es wird selbstgefällig und falsch. Vor Gott wird ein solches Denken, Fühlen und Tun sicher keinen Bestand haben. Es macht nicht lebendig, es gibt keinen inneren Frieden.
Umgekehrt, wenn wir “vom Mangel geben”… da kommt Vertrauen ins Spiel. Vertrauen, dass wir uns zumuten können auch mit dem, was eigentlich gar nicht da ist oder wo wir sehr wund und gefährdet sind? Wenn wir von dem, wo wir vielleicht ganz unsicher sind, wo wir uns klein fühlen, wo wir in uns wirklich eine Not spüren, wo es uns peinlich ist und wir uns schämen, weil es so wenig ist, was da ist … wenn wir genau davon voll Vertrauen und großzügig mit anderen teilen, dann macht uns das reich und lebendig.
Und ich glaube, es macht auch vertrauenswürdig. Die Kirche wird für mich überall dort wieder vertrauenswürdig, wo Not und Versagen eingestanden wird.