Wenn prophetische Haltungen gelebt werden 1. Lesung: Mal 3,1-4| 2. Lesung: Hebr 2,11-12.13c-18| Evangelium: Lk 2,22-40
Es ist schon zum jährlichen Ritual Mitte Jänner geworden. Da werden jeweils die Austrittszahlen aus der Katholischen und Evangelischen Kirche veröffentlicht. Es löst bei vielen Gläubigen, besonders aber bei den Verantwortlichen in den Diözesen Katerstimmung aus. Jedes Jahr gilt es neu Antworten auf die schon bekannten Fragen zu geben, wie: Kirche in der Krise, Glaubensschwund, Maßnahmen dagegen u.ä. Es ist dabei zu fragen: Kann man den Glauben der Menschen mit Statistiken erheben? Es mag stimmen, dass es Kriterien für die Kirchenbindung gibt, aber der Glaube oder das Wirken des Heiligen Geist entzieht sich unserer Fassbarkeit und Planung. Gerade der Blick in die biblischen Texte zum Fest: „Darstellung des Herrn“ vermag uns Mut und Hoffnung zuzusprechen.
Es ist von Lukas kunstvoll erzählt. Die Eltern Jesu folgen einer Tradition und tun das, was viele andere tun. Sie gehen nach vierzig Tagen in den Tempel und bringen das übliche Opfer dar. Doch dieses für die Eltern normale, traditionelle Tun erhält ein großes Gewicht. Erkennbar ist, dass die „Hauptakteure“ im Hintergrund wirken und zugleich zeigen, dass sie da sind, dass sie das Leben der Menschen mitgehen und dass die Geschichte der Welt und Menschheit in guten Händen ist.
Die Eltern tragen ihr Kind in den Tempel, in das Haus Gottes. Nach dem mosaischen Ritualgesetz gehört jede männliche Erstgeburt dem Herrn (Ex 13,1-6). Im Zeichen der zwei Opfertauben wird Jesus aus dem Besitzanspruch Gottes ausgelöst für seine Eltern – und für uns. Jesus, Gottes Einziggeborener, bleibt in der gesamten heiligen Handlung nur ein stiller Mitspieler: zunächst auf den Armen seiner Eltern und dann auf den Armen prophetischer Menschen, des frommen Simeon und der verwitweten Hanna. Was die Mehrheit in Israel bzw. Juda nicht sieht, das sehen diese beiden: den erwarteten Messias in unerwarteter Gestalt in Säuglingsgestalt. Ein programmatisches Bild: Gottes Heilkraft in menschlicher Ohnmacht.
Es rückt ein Kind in das Blickfeld der Aufmerksamkeit. Nicht der Kaiser, ein Statthalter oder etwa ein Hohepriester haben eine Erkenntnis gewonnen, wie es gerechter und hoffnungsvoller in die Zukunft gehen könnte und haben erste politische Maßnahmen gesetzt. Nein, sie regieren und arbeiten wie bisher weiter. Das Kind, das da in den Tempel gebracht wird, ist für sie völlig irrelevant und uninteressant.
Es wird auch nicht von den Hohepriestern und Priestern erzählt, dass sie mit „neuen katechetischen und pastoralen Konzepten“ den Hellenismus aus den Angeln heben und dem Elend und der Not der Menschen begegnen könnten.
Im rettenden Wirken sucht sich Gott seinen Weg. Es ist noch ein Kind, verletzlich und auf Liebe angewiesen. Es ist von Anfang an mit der Not der Menschen vertraut. Man kann berechtigt fragen: Was will dieses Kind im Weltgeschehen schon ausrichten? Es wirkt doch lächerlich.
Und doch wird uns manchmal sehr bewusst, was Kinder bzw. junge Menschen bewirken können, welche Hoffnungen und Ermutigungen sie auszulösen vermögen. Wie viel hat uns eine von den Nazis ermordete Anne Frank zu sagen, die in der Nazizeit einen besonderen geistig-geistlichen Weg gegangen ist. Es gibt viele andere junge Menschen, die in verschiedenste Gesellschaften hinein wirken, weit mehr als sie sich selbst oder andere ihnen zugetraut hätten. Eine Greta Thunberg beeinflusst bereits Wahlen. Da ist etwas im Gang, das sie nie in dieser Form beabsichtigt hat. Sie ist ein Zeichen, eine Symbolfigur. Sie bewegt viel. Oder dürfen wir hinter all dem nicht mehr sehen? Etwa DEN, der über das Vermögen der Menschen hinaus rettend am Werk ist, der ein Umdenken bei vielen Menschen und nicht zuletzt bei politisch Verantwortlichen bewirkt. Gottes Heiliger Geist: Er ist in der ganzen Erzählung im Hintergrund und wird doch als JENER angeführt, der die Personen zum Treffen zusammengeführt hat und der den Betreffenden zur tieferen Erkenntnis und Deutung der Begegnung verhilft.
Es sind zwei alte Menschen, die das Geschehen prophetisch zu deuten wissen: Simeon und Hanna. Es sind zwei Menschen, die im Hören auf Gott geübt sind. Sie haben trotz ihrer schwierigen Lebenssituation keinen Grund zu Resignation oder Verbitterung oder über die schlechter werdende Zeit zu lamentieren. Sie sind voll Erwartung auf den Trost Israels, so heißt es. Sie erwarten sich Zukunft aus der Hand Gottes.
Beachtenswert finde ich die Rolle dieser älteren Menschen. Sie vermögen das Geschehen in seiner Tiefe zu erfassen und zu deuten. Ihre Lebenserfahrung, ihre Lebensweisheit, ihr wachsames Leben – getragen von Gebet und Hören auf Gottes Wort – gibt ihnen eine Sensibilität für das Tragende und Hoffnungsvolle der Zukunft.
Mit Propheten verbinden wir meistens wortgewaltige Personen. Von Hanna wird uns allerdings kein Wort überliefert, das sie gesagt hätte, außer dem Preisen Gottes. Nicht ihre Worte machen sie zur Prophetin, sondern ihre Haltungen: ihre Offenheit, ihre Wachsamkeit, ihr Vertrauen, dass Gott mit ihr, mit uns geht. An ihr kann man sich aufrichten – das macht sie zur Prophetin.
Wir sind hier Zeugen eines wichtigen Zusammenspiels von jung und alt, von Kind und Greis. Sie brauchen sich gegenseitig: die Dynamik der Jugend und die Lebensweisheit der Älteren. Aus dem wächst das Licht und der Trost für die Völker.
Eine weitere Haltung begegnet uns bei Simeon: Er sieht es nicht als Aufgabe an, Israel retten zu müssen, sondern er weiß die Dinge in guten Händen. Er kann scheiden – „loslassen“. Es ist ein anderer, der Licht für die Völker ist und Israel die Herrlichkeit schauen lässt.
Kein Bischof, kein Priester, kein Gläubiger muss entgegen Not-wendenden Entscheidungen die Kirche oder eine Gemeinde retten. Darum wissen jene, die dem Heiligen Geist und seinem Wirken trauen wie es Hanna und Simeon bezeugen.