Wo wohnt Gott? 1. Lesung: 2 Sam 7,1-16 | 2. Lesung: Röm 16,25-27 | Evangelium: Lk 1,26-38
In der Lesung haben wir von David gehört und seinen Plänen, Gott ein Haus – sprich: Tempel – zu bauen. Einen Tempel mit Türen. Ein wenig zur Situation: Als David von Samuel zum König gesalbt wird, da hat er weder ein Land, noch ein Heer, noch einen Thron. Er ist König, wirkt als König und bleibt doch Hirte. Er als Person ist Autorität. Er als Mensch in seiner Authentizität übt das Königsamt aus, eint die Stämme, wehrt innere und äußere Feinde ab, lenkt und leitet sein Volk, so dass es schließlich in Ruhe leben kann. Ein Volk in Ruhe leben: in Gerechtigkeit ohne soziale Spannungen und Hunger; im Frieden nach Innen und nach Außen, ohne Verfolgung oder Kriegsgefahr.
Er – David – hat sich inzwischen ein Haus aus Zedernholz gebaut. Die Bundeslade, die die Steintafeln beherbergt und Zeichen der Gegenwart Gottes im Volk ist, befindet sich dagegen in einem Zelt. Man hat den Eindruck, dass den David das schlechte Gewissen plagt. Er wohnt in einem Haus, Gott in einem Zelt. Es ist ein Bild für einen Übergang: vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, von der Vorstellung des mitgehenden Gottes, wie es für Hirten selbstverständlich ist, zur Vorstellung eines Gottes der Sesshaften, die ihn in einem eigenen Haus verehren und suchen, ein festes Gebäude wie es eben ein Tempel ist.
Die Weisheit dieser Schriftstelle ist allerdings mehr als der Umgang mit einem schlechten Gewissen. Gott lehnt den Bau des Tempels nicht grundlegend ab, aber durch die Worte Nathans wird deutlich, dass mit dem Bau des Tempels auch Gefahren für den Glauben verbunden sind. Der Weg zu Gott geht nicht allein durch die Tür des Tempels. Gottes Gegenwart ist weiter und anders. Vielleicht hilft uns diese Stelle die gegenwärtige, kirchliche Situation besser zu verstehen und zu deuten.
Es ist das Mühen Davids – und das ist zunächst anzuerkennen – Gott einen gebührten Platz zu geben. Er verdankt Gott schon so viel. Er weiß, die Ruhe, die ihm und dem Volk gewährt ist, ist in erster Linie Gott verdankt. Ist da das Zelt für ihn nicht zu wenig? Es ist das Thema für jeden Menschen, für jede Pfarre und die Kirche insgesamt: Hat Gott den ihm gebührenden Platz?
Gott lehnt das Ansinnen Davids nicht ab, aber relativiert zutiefst seine Vorstellungen. Über Nathan richtet er an David die Frage: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne? Und er zählt David dann auf, was er womöglich in diesem Haus nicht findet oder nicht bedenkt: Vom Hirtenjungen habe ich dich zum Fürsten gemacht. Ich habe dir Siege über Feinde verliehen. Ich habe dem Volk einen sicheren Platz zugewiesen. Es kann in Frieden ohne Angst und Unterdrückung leben. Und ich werde dafür sorgen, dass das Geschaffene weiter Bestand hat, dass dieses Königtum Zukunft hat.
Es sind zwei Aspekte, die David bedenken soll:
Ein erster: Die Versuchung Gott in ein Haus einzusperren, ihn zu klein zu denken, ihn in den eigenen Gedanken festzuschreiben. Die Großtaten Gottes finden wir nicht im Tempel. Die Großtaten Gottes zeigen sich in d(ein)er Lebensgeschichte, zeigen sich in den vielen Geschichten der Menschen, der Gemeinde und des Volkes insgesamt, zeigt sich in der Alltäglichkeit. Wir kennen das allzu sehr, dass die Menschen mit der Vorstellung leben, Gott ist in der Kirche, aber seine Spuren im Alltag können (wollen) sie nicht sehen oder lesen, bzw. haben noch nicht gelernt darüber zu reden.
Nebenbei sei erwähnt, dass sich ein Wandel in der Architektur vollzogen hat: In den Dörfern unseres Landes war es üblich, dass die Kirche mit dem Turm das größte und höchste Gebäude in der Gemeinde war. Es war für alle klar, Gott ist der größte und höchste. Diese Zeit ist vorbei. Andere Gebäude sind weit größer und in den Städten wachsen Bauten von Banken, Versicherungen, Firmen u.ä. weit über die Kirchen hinaus. Vielleicht ist es gut, dass wir glauben dürfen, dass Gott weit größer ist als es die Gebäude zum Ausdruck bringen und dennoch ist es wichtig auch architektonisch zu fragen: Wie geben wir Gott einen gebührenden Platz, ohne ihn aber zu klein zu denken?
Ein zweiter Aspekt in diesem ganzen Unterfangen: David soll dieses Haus bauen, aber Gott selbst sieht nicht die letzte, große Zukunft darin, sondern er sieht sie im Sohn Davids, im Menschen, bzw. in den Menschen. Es sei erwähnt, dass Nathan die Bundeslade, die für Israel das Heiligtum schlechthin ist, nicht einmal nennt, wo sie dann im Tempel zu sein hätte, sondern David ausrichtet, es ist dein Sohn: Gott wird für ihn Vater sein und umgekehrt, er ihm Sohn. Mit anderen Worten: Die Zukunft liegt in der engen Beziehung, in einem Naheverhältnis.
Vielleicht investieren wir heute noch zu viel Geld in die Gebäude und zu wenig in die Menschen, in ihre Ausbildung und Förderung. Die Zukunft des Glaubens liegt auf Menschen, nicht auf Gebäuden. Eine weitere Folgerung ist: Die Gegenstände in einem Kirchengebäude, mögen sie auch ehrwürdig sein, machen letztlich nicht den Glauben aus, ob das die oder jene Statue, ein Kreuz, Tuch oder die Kommunionbank seien. Viel wichtiger sind gelebte Beziehungen, dass ich Gott zum Vater habe und ich ihm Sohn bin.
Türen öffnen: Wir haben die Stelle als Lesung gehört, in der bei David die Idee wächst, dem Herrn einen Tempel – den ersten – zu bauen. Von Anfang an gab es das prophetische Wort, sperrt aber bitte Gott nicht in diesem gebauten Haus ein. Gott ist nicht wie ein Gebäude – statisch, festgefügt. Er ist ein mitgehender Gott. Er ist und bleibt gegenwärtig im Wandel, in den Veränderungen, in der Geschichte, die heute ein ganz anderes Antlitz hat als früher.
Franz v. Assisi hörte die Stimme in der Kirche zu San Damiano: „Bau meine Kirche wieder auf.“ Als diese Stimme nach der Renovation nicht verstummte, wurde ihm klar, dass die Kirche der Menschen gemeint ist.
Ein Kommentar zu “Wo wohnt Gott? 1. Lesung: 2 Sam 7,1-16 | 2. Lesung: Röm 16,25-27 | Evangelium: Lk 1,26-38”
König Salomon – ein Sohn von König David – darf dann den Tempel „das Haus Gottes“ bauen. Aber auch er hegt Zweifel, ob diese Haus Gott wirklich fassen kann. Das zweite Buch der Chronik (6,18) bringt dies schön zum Ausdruck: „Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe.“