Trotzdem Hoffnungszeichen setzen 1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8 | 2. Lesung: Gen 4,1-16 | Evangelium: Lk 5,1-11
Wir feiern die Hingabe Jesu, seinen Tod und seine Auferstehung. Es hat bei vielen Menschen unserer Stadt und darüber hinaus große Betroffenheit ausgelöst, der Mord an Herrn A., Leiter der Sozialabteilung in der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn.
Ohnmacht, Sprachlosigkeit gehen einher. In diesem Gottesdienst möchte ich versuchen, auf dieses Ereignis einzugehen. Die frühe Kirche war oft mit solchen Situationen konfrontiert als sie in den Katakomben Gottesdienst feierte und Mitglieder aus der Gemeinde ermordet oder hingerichtet wurden.
Die Liturgie in ihren Ursprüngen wurde von solchen Erfahrungen mitgeprägt. Wenn ich versuche aus unserem Glauben heraus das Ereignis in eine Sprache zu bringen, ist immer die Gefahr gegeben, dass vielleicht manches platt klingt. Dennoch brauchen wir das Wort, um uns gegenseitig zu stärken und Orientierung zu ermöglichen.
Die erste Lesung aus dem Propheten Jesaia (Jes 6) ist die für diesen Sonntag vorgesehene. Dieser Text wird von der Offenbarung (Offb 4-7) des Johannes aufgegriffen und ist Grundlage unseres Sanktusliedes, das als ein wichtiger Höhepunkt vor der Wandlung gesungen wird. Ja, dieses Lied mit dem dreimaligen „Heilig“ soll gesungen werden und kann nicht durch irgendein Lied ersetzt werden.
Zum Verständnis: In diesem Lied stimmen wir ein in das Lied der himmlischen Scharen, das dem Lamm – dem Auferstandenen gilt. Diese himmlischen Scharen werden gebildet von den Märtyrern, die im Blut weiß gewaschen sind, ein paradoxes Bild für den Märtyrertod. Diese Scharen bilden sich ebenso aus allen Opfern der Gewalt und des Terrors, auch der sechs Millionen Juden, die in der Schoa ermordet wurden, ja allen vom Lamm Erlösten. Es ist der große (Sieges-) Gesang jener, die die Geschichte bestimmen. Nein, die Geschichte liegt nicht in der Hand der Gewaltregime und Täter, sie haben nicht die Oberhand, sondern sie liegt in der Hand des Lammes, der Opfer und aller Erlösten. Es ist ein hoch politisches Lied und ein hoch revolutionäres. Vielleicht ist das uns zu wenig bewusst. Von dem DREIEINIGEN geht das Heil aus und dürfen wir das Heil erwarten.
Es geht nicht darum, das Martyrium zu suchen, oder Tode der Gewalt klein zu schreiben. Es darf uns aber bewusst bleiben, dass das Lebenswerk eines Menschen, besonders von Opfern, durch die Gewalt nicht zerstört wird. An dieser Stelle sei Herrn A. gedankt. Er war ein sozial sehr engagierter Mensch, der in seiner Arbeit vielen geholfen hat. Mitarbeiter von den Kaplan Bonetti Sozialwerken hatten viel mit ihm zu tun, hatten ihn sehr geschätzt. Sein Tod hat sie zu Tränen berührt.
In der Wandlung feiern wir IHN, der auf dem Thron sitzt, der in unsere Mitte kommt, um mit uns zu gehen, uns zu stärken und zu verwandeln – IHM nach.
Es ist mir ein Anliegen, ebenso die Situation des Täters in den Blick zu nehmen. Dahinter steht auch eine Familie. Er ist ein Mensch, der mit seiner Tat leben muss. Es macht natürlich sprachlos, wie es ihm möglich war, das Asylsystem hier auszunützen und die brutale Vorgehensweise bei der Tat selbst und seine bis Dato bleibende Uneinsichtigkeit.
Dazu habe ich als zweite Lesung den Brudermord aus dem Buch Genesis gewählt. Die Bibel geht von einem Menschenbild aus, dass jede und jeder ein potentieller Schwester- oder Brudermörder/in sein kann. Wer kann im Extremfall für sich garantieren?
Die Erzählung ist zudem zu einer Zeit entstanden, in der im Umfeld Israels die Blutrache galt. D.h. es lag ein Zwang darauf, den Tod eines Angehörigen in der Sippe zu rächen. Die Erzählung durchbricht diesen Zwang. Gott macht dem Kain ein Zeichen auf die Stirn, damit niemand Hand an ihn lege. Religionsgeschichtlich ein riesen (Fort-)Schritt. Es mag schwer sein und trotzdem gilt es, sich nicht einfach dem Rachegedanken hinzugeben.
Es sind drei Aspekte der Erzählung, die ich kurz ausführen möchte:
Erstens: Gott schreibt mit Kain die Geschichte weiter, mit dem Täter, nicht mit dem Opfer. Seine Situation: Er ist und bleibt ein Heimatloser. Es ist eine Not, die schwer zu tragen ist. Nirgends daheim sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch viele unserer Väter und Großväter aus dem zweiten Weltkrieg als Täter zurückkamen, wobei die Umstände anders waren und nicht völlig vergleichbar sind. Gott schreibt die Geschichte mit Tätern weiter. Gott gewährt ihm und ihnen sogar Schutz, das sogenannte Kainsmal.
In der Erzählung von Kain und Abel heißt es: Auf Kain und seine Gabe schaute er, der Herr nicht. Die Bibel lässt Gott bei der Schuldfrage nicht völlig leer ausgehen. Natürlich gibt es auf der anderen Seite die Warnungen, die Kain übergeht. Es gibt aber auch die Feststellung: Gott hat auf ihn und seine Gabe nicht geschaut. Mit anderen Worten: Es gibt Motive für eine solche Tat, die liegen für uns im Verborgenen. Es trifft wohl ein Stück weit auch auf den Täter zu, dass er sich nicht angeschaut erlebte. Er ist hier geboren, wurde kriminell und erhielt ein Aufenthaltsverbot. Wir können es im Letzten nicht sagen, warum er kriminell wurde. Wer hat wann, was versäumt?
Schließlich ein Drittes, es schließt sich an den zweiten Punkt an: Im Glaubensbekenntnis beten und bekennen wir von Jesus Christus: Der kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Dieses Bekenntnis besagt, es ist nicht unsere Aufgabe über einen Menschen zu richten. Wir dürfen und sollen das IHM überlassen. Erinnert sei an sein Wort aus dem dritten Kapitel bei Johannes. „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,16). Es ist die Ohnmacht, dass wir im Letzten keinen Menschen verändern können. Es möge die Bitte an Gott sein, dass ihm das rettende Richten aus aller Dunkelheit und Unmenschlichkeit zuteil werde.
Es ist keine Frage. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verdienen größtmöglichen Schutz. Es ist allerdings Vorsicht geboten, verschärfte Strafen zu fordern. Strafen haben ihre Berechtigung. Zugleich möge uns bewusst blieben, dass durch sie Menschen nicht automatisch besser werden, schon gar nicht Menschen, die womöglich psychisch belastet sind. Da sind andere Maßnahmen notwendig.
Eine Anregung zum Schluss: Mich hat vor mehreren Jahren ein evangelischer Pastor aus Betlehem mit einer Aussage imponiert. Es war ein Interview während der zweiten Intifada. Es gab da viele Tote auf israelischer und palästinensischer Seite, Verletzte und Verhaftungen. Er sagte: Es macht mich oft ohnmächtig und ich bin manchmal voller Wut und Zorn. In solchen Situationen setze ich für mich ein Hoffnungszeichen. Es kann ein Krankenbesuch, ein Solidaritätsbesuch bei einer unserer betroffenen Familie sein. Es kann auch der Anruf bei Israelis sein, sei es dort eine betroffene Familie oder eines Militärs, um Beziehungen nicht sterben zu lassen. Hoffnungszeichen setzen.
Meine Anregung: Es könnten auch Hoffnungszeichen sein, wenn wir vielleicht bewusst Kontakt zu türkischstämmigen Personen, Erwachsenen, Jugendlichen pflegen oder neu pflegen beginnen. Einer Untat ein Hoffnungszeichen entgegen setzen.
2 Kommentare zu “Trotzdem Hoffnungszeichen setzen 1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8 | 2. Lesung: Gen 4,1-16 | Evangelium: Lk 5,1-11”
Dem Wort eine Chance geben, scheint mir ein wesentlicher Bestandteil zu sein, um dieses dramatische Geschehen in Dornbirn im Kern zu erfassen. Der letzte Absatz darf. ja muss für Christen ein Ansatz sein, über den Rachegedanken hinaus, mit einer “Warum”- Frage dieses Geschehnis zu hinterfragen.
Menschen, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, muss geholfen werden. Schutz und Hilfe ist unbedingt zu gewähren! Ein Fall, wie er tragischerweise in Dornbirn passiert ist, darf weder zu Pauschalverurteilungen führen, noch politisch instrumentalisiert werden! Wir dürfen nicht aufhören, an das Gute im Menschen zu glauben!