Übergänge sind Chancen 1. Lesung: Jos 5,9a.10-12 | 2. Lesung: 2 Kor 5,17-21| Evangelium: Lk 15,1-3.11-32
Israel steht vor dem Einzug ins gelobte Land. Es feiert Pascha – Übergang. Die Lesung hält einen Augenblick fest, der in einem größeren Zusammenhang steht. Ich versuche ihn ein wenig zu erschließen:
Vor dem Auszug aus Ägypten wurde das Pascha das erste Mal begangen. Es war ein stärkendes Mahl vor dem Aufbruch. Es herrschte Eile und alles musste aufgegessen werden. Nach 40 Jahren Wanderung durch die Wüste vollzieht Israel am Vorabend des Einzugs wieder ein Pascha. Ein Erstes, was auffällt: Israel gestaltet und feiert bewusst Übergänge. Eine Situation und Zeit mit besonderen Umständen, Gegebenheiten und Herausforderungen wird zurück gelassen und jetzt beginnt etwas Neues. Es wird ganz bewusst miteinander begangen. Es bricht eine neue Zeit an, mit neuen Aufgaben, Umständen und Herausforderungen.
Pascha – Übergange – zu gestalten und zu feiern, tragen wesentlich dazu bei, dass das Leben gut gelingt und dass vor allem Gemeinschaften und eine Gesellschaft gut miteinander auf dem Weg bleiben können. Wir haben solche Feiern an Übergängen in der Kirche, wie: bei der Geburt eines Kindes die Taufe, wenn sich zwei Menschen füreinander entscheiden die Ehe, in der Krankheit die Krankensalbung, beim Tod eines Menschen eine gemeinsame Verabschiedung u.a. Übergänge gestalten und feiern ist eine Hilfe, das Alte wirklich zu verabschieden und offen zu werden für das Neue. Solche Feiern sind hilfreich bei allen Übergängen, gleich wen es betrifft: sei es eine Institution, Firma, Gruppe oder Persönliches.
Vielleicht ist der Übergang von den Pfarren zum Seelsorgeraum zu wenig bewusst gestaltet und gefeiert worden. Es bleiben dann welche in alten Bildern hängen, die keine Zukunft haben, aber die Weiterentwicklung stören.
Unmittelbar dem Lesungsabschnitt voraus wird berichtet, dass alle Männer, die einst aufgebrochen waren, in den vierzig Jahren verstorben sind. Es ist praktisch eine völlig neue Generation heran gewachsen. Es wird ebenso berichtet, dass auf dem Weg durch die Wüste die Männer nicht beschnitten wurden. Vor dem Einzug ins gelobte Land wird das nachgeholt. Vieles ließe sich dazu sagen. Zwei Anmerkungen dazu:
a) Es wird erwähnt, dass das ganze Volk, alle Krieger, die aus Ägypten ausgezogen waren, umgekommen sind, weil sie nicht auf die Stimme des Herrn gehört haben (Jos 5,6). Es geht nicht um einen historischen Bericht, sondern es ist eine Erzählung, die der Frage nachgeht: Was hat Zukunft? Es wird einmal festgehalten, dass kriegerische Gewalt kein Weg ins gelobte Land ist. Sie sterben davor. Es wird ebenso erzählt, das Einziehen ins gelobte Land hat mit Hören auf den HERRN zu tun. ER, der HERR, ist Anwalt der Witwen und Waisen, d.h. der Ärmsten. Er ist Anwalt für die Würde der Menschen, Anwalt für Recht und Gerechtigkeit. Darauf wächst Shalom – Friede. Es ist der Weg ins gelobte Land.
b) Auf dem Weg wurden die Männer nicht beschnitten. Im Volk wurde das Halten der Gebote immer wieder eingefordert. Bei den rituellen Vorschriften dagegen war Israel pragmatisch auf dem Weg. Obwohl das Bundeszeichen, das seit Abraham Gültigkeit hatte, bei allen Männern fehlte, blieb der HERR mit Israel auf dem Weg und führte es mit starker Hand. Rituale allein machen den Glauben nicht aus. Schon gar nicht sind sie dafür tauglich, Gottes habhaft zu werden und über ihn verfügen zu können. Vor dem Einzug ins gelobte Land werden nun alle an den Bund erinnert, den Gott mit Abraham und seinem Volk geschlossen hat. Der Vollzug des Bundeszeichens an allen ist die Erinnerung an die Verheißungen, die Gott mit dem Bund mitgegeben hat. ER, der HERR, beschenkt. ER schenkt Fruchtbarkeit, d.h. du wirst nicht umsonst leben. ER schenkt Land, Heimat. ER schenkt Segen und beschenkt gegen alles Hoffen (Gen 17,17). Das Bundeszeichen – und das bereits damals – richtet sich gegen den Machbarkeitswahn, man könne alles zu jeder Zeit machen. Gott erfüllt nicht alle Wünsche, aber er steht zu seinen Verheißungen.
Lernen können wir weiter, dass die Riten, Regeln und Reglementierungen, die jede Glaubensgemeinschaft braucht, dennoch relativ sind. In Wüstenzeiten, in Zeiten mit besonderen Herausforderungen, darf und muss von manchem abgesehen werden, damit ein gemeinsamer Weg weiter möglich ist. Unsere Kirche, unsere Pfarren werden in den nächsten Jahren vor die Fragen gestellt werden: Wie vergemeinschaften wir den Glauben – und dies ohne Priester und ohne Eucharistie? Wie feiern wir den Glauben? Wie Gottesdienste? Wie halten wir miteinander das Mahl Jesu? Wie geben wir den Glauben an die Kinder weiter? Es gilt Antworten zu finden, die uns nicht der Papst, auch nicht die Bischöfe geben werden, sondern die wir in der im Seelsorgeraum und in den Pfarren und Familien zu suchen haben.
In der Lesung hörten wir, dass unmittelbar nach dem Übergang das Manna ausblieb (Jos 5,12). Gott entlässt das Volk in die Eigenständigkeit, in die Eigenverantwortung. Man könnte auch sagen, der Herr unterliegt nicht dem Helfersyndrom. Das Manna bleibt aus. Sie können nun selbst für sich sorgen. Sie müssen nun für sich selbst sorgen. Es sind nicht nur Einzelpersonen, die sich manchmal damit schwer tun, Menschen in die Eigenständigkeit zu entlassen, es können Parteien oder auch Ideologien sein, die Menschen mit „Notrationen“ am Gängelband halten.
Ein letzter Hinweis, der sich auf eine Aussage bezieht, die im Anschluss an die Lesung folgt. Josua steht in Jericho. Er ist auf dem Boden des gelobten Landes. Er begegnet einem Mann mit einem Schwert. Josua geht auf ihn zu, nicht wissend, ob er zu ihm oder zum Feind gehört. Dieser stellt sich vor als „Anführer des Heeres des HERRN“.
Es wird damit klar gestellt, nicht Josua und sein Volk führen jetzt den Eroberungskrieg, sondern es ist der HERR, der für sie kämpft. Dieser Anführer sagt dann einen Satz zu Josua, den ich sehr beachtenswert finde: „Zieh deine Schuhe aus; denn der Ort, wo du stehst, ist heilig“ (Jos 5,15). Wir sind natürlich an Mose erinnert, der am Beginn des Exodus selbiges erlebte. Josua wird an Moses erinnert und es ist zugleich ein Auftrag: Josua hat fremdes Land betreten. Es wird von Gott heilig genannt. Achte die Erde. Achte die Schöpfung. Achte die Menschen, die darauf wohnen. Das fremde Land ist heiliger Boden.
Das „Heilig“ erinnert zudem an eine wesentliche Haltung Gottes: Er lässt die Sonne aufgehen über Guten und Bösen, er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte, d.h. die Zuwendung Gottes gilt allen Menschen. Das Land, das du betreten hast, ist nicht für einen elitären Zirkel, nur für Fromme und für die Guten gedacht. Es ist ein Land der weiten Herzen, der Sorge füreinander, die über die Familie und den Freundeskreis hinausgeht. Es ist so: In einem Sozialstaat wird viel von dem praktiziert, was dem Josua aufgetragen ist.
2 Kommentare zu “Übergänge sind Chancen 1. Lesung: Jos 5,9a.10-12 | 2. Lesung: 2 Kor 5,17-21| Evangelium: Lk 15,1-3.11-32”
was spricht mich hier besonders an:
– Pascha feiern – sich verändern lassen;
– Mut zum Loslassen finden;
– was hat Zukunft;
– sich auf einen Anwalt der die Armen vertritt
einlassen;
– Gott erfüllt nicht alle Wünsche, aber er steht zu
seiner Verheißung;
– von manchem absehen (mit Mut), um
Gemeinsames zu entdecken;
– wie geben wir den (neuen) Glauben an die –
– Kinder weiter;
– in das Land der weiten Herzen (Sehnsucht);
Die Alten werden sterben und die Jungen zwangsläufig neue Wege gehen müssen, ohne dass jemand diesen Weg in Frage stellen wird.
Können, müssen wir nicht auch Wegbereiter sein?
Lieber Erich,
ist mir immer wieder eine Freude, mit deinen von so beeindruckend umfassenden Bibelkenntnissen durchdrungenen spirituellen Impulsen inspiriert wurden. Was für eine Freude für mich, Dich im Heiligen Land kennengelernt zu haben! Christian