Die Seele reich machen 1. Lesung: Koh 1,2;2,21-23| 2. Lesung: Kol 3,1-5.9-11| Evangelium: Lk 12,13-21
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Am Beginn des 12. Kapitels bei Lukas heißt es, dass Menschen zusammen kamen und es ein gefährliches Gedränge gab. Jesus spricht zu den Versammelten, vor allem aber zu seinen Jüngern: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, d.h. vor der Heuchelei (12,1). Und unmittelbar danach spricht er zu seinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, danach aber nichts weiter tun können (Vers 4). Gott wird euch nicht vergessen. Bei euch sind die Haare auf dem Kopf gezählt. Und: Wenn man euch vor die Gerichte der Synagogen und vor die Herrscher und Machthaber schleppt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen sollt. Der Heilige Geist wird euch in derselben Stunde lehren, was ihr sagen müsst (Verse 11-12).
Jesus bereitet seine Jünger und Freunde darauf vor, dass sich die Situation religiös und politisch zuspitzen wird und er gibt ihnen Anweisungen, wie sie dieser Herausforderung begegnen können. Wenn man so will, es geht um nichts weniger als um Leben und Tod. Und in diese zugespitzte Situation kommt einer aus der Volksmenge mit der Frage, beziehungsweise Bitte zu Jesus: Sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.
Es macht die schroffe Reaktion Jesu verständlich: Wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt? Dieser Fragende hat die Situation schlicht nicht begriffen. Vielleicht kann er in seiner Situation gar nicht hören, was Jesus sagen will oder anspricht? Er ist zu sehr in seinem Konflikt um das Erbe gefangen. Angesichts der Situation wirkt die Frage befremdlich oder auch daneben.
Dennoch Jesus reagiert und er nimmt sie zum Anlass sein Thema zu vertiefen und weiter zu führen: Was führt ins Leben? Was macht die Seele reich?
Es mag helfen den damaligen Kontext zum Thema Erbschaften zu berücksichtigen: Es war das gängige Bestreben, das Erbe in der Familie möglichst zusammenzuhalten. Das garantierte die Versorgung im Alter. Die Teilung des Erbes war möglich, aber nicht gerne gesehen. Wann es dazu kam, wurde ein Richter oder ein Rabbiner eingeschaltet. So ist die Bitte an Jesus nicht ganz unverständlich.
Nun antwortet Jesus nicht dem Fragenden, sondern er richtet sich an die Leute mit den Worten, die zunächst einmal sehr moralisierend wirken: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt (Vers 15). Und es gilt hier genau hinzuhören: es geht ums „Leben“, um nichts weniger. Das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss lebt.
Es ist dabei die Zuspitzung im erzählten Gleichnis zu beachten, nachdem der reiche Mann im Hinblick auf die gute Ernte seine Scheunen erweitert hat, stellt er für sich fest: Nun kann ich zu meiner Seele sagen: Seele, du hast einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich. Da spricht Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern.
Dazu folgender Gedanke: Reichtum und Überfluss machen eine Seele nicht reich. Es wäre ein fataler Trugschluss. Es kann ein Mensch noch so viel besitzen, solange er oder sie dafür nicht dankbar ist oder sein kann, bleibt die Seele leer zurück. Erst durch die Dankbarkeit wird die Seele genährt. Mit der Dankbarkeit vollzieht sich zugleich ein Wandel dessen, was ich „mein“ nenne oder nennen will. Echte Dankbarkeit hat nämlich zur Folge, dass ich das, was mir gegeben ist, als Geschenk empfinde. Und alles das, was ich als Geschenk empfinde, kann ich nicht länger allein „mein“ nennen. Es nimmt den Charakter des Unverdienten, des nicht selbst Gemachten an. Geschenke drängen mich zum Teilen. Sie wecken den Wunsch, andere daran teilhaben zu lassen. Sie wecken Verantwortung für andere und führen in die Solidarität.
Die Seele lebt nicht von materiellen Vorräten. Sie lebt in gelingenden Beziehungen, im Teilen dessen, was ich an materiellen Gütern, an Freude, an Wissen, an Erfahrungen und vielem mehr habe. Sie lebt im Teilen von Sorgen, von Ohnmacht, aber ebenso im sich beschenken lassen, von der Zuwendung und Liebe anderer. Sie lebt von geschenktem und empfangenem Vertrauen, von Vergebung und Versöhnung … Wenn alle diese Dinge und noch mehr fließen können, lebt die Seele und kommt sie ins Leben.
Nochmals: Es geht Jesus um „Leben“ und nicht sosehr um Moral. Jesus verwendet das Wort: Narr! Man könnte auch übersetzen: Sinnlos! Überfluss und Reichtum vermögen dem Leben an sich keinen Sinn zu geben. Wenn ein Mensch mit Besitz seine Seele nähren will, dann ist in ihm oder ihr ganz viel tot.
Unmittelbar an das gehörte Evangelium sagt Jesus zu den Menschen: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! … Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keine Vorratskammer und keine Scheune; und Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel! (Lk 12,22-24).
Solche Slogans, wie: „Amerika first!“ und ähnliche, wie sie in anderen Ländern und Kontinenten gepflegt werden, töten die Seele von Völkern, töten die Seele von Menschen. Gleiches gilt aber genauso für die Beziehungen in Familien, unter Freunden, in Vereinen… für Menschen, die zu leben verlernt haben, nicht mehr im Geben und Nehmen leben, gierig nach Reichtum und Überfluss sind. Das Leben vollzieht sich im Geben und Nehmen. Im dankbaren Geben und Nehmen wächst Sinn und die tiefe und wahre Freude am Leben.