Die andere Logik des Himmelreichs 1. Lesung: Weish 12,13.16-19 | 2. Lesung: Röm 8,26-27| Evangelium: Mt 13,24-43
Das Evangelium des Matthäus enthält fünf Reden Jesu. Der heute gehörte Abschnitt ist der dritten entnommen und richtet sich in erster Linie an die Jünger und Jüngerinnen, an leitende Menschen, an solche, denen in den Gemeinden besondere Verantwortung zukommt. Es ist also keine Rede an das Volk.
Ebenso sei erwähnt, dass das gehörte Gleichnis sich für eine missbräuchliche Verwendung bestens eignet. Mit ihm kann man Angst machen. Allerding wäre damit das Thema verfehlt. Ich gehe zunächst der Frage nach: Was thematisiert Jesus, bzw. der Evangelist Matthäus?
Ein Mann sät Samen auf den Acker. Dann sehen die Knechte, dass Unkraut mitwächst. Sie fragen beim Gutsherrn nach: Sollen wir das Unkraut ausreißen? Seine Antwort richtet sich gegen die gesunde Logik eines jeden Gärtners oder einer Gärtnerin. Niemand von uns lässt im Garten – sei es bei Gemüse oder Blumen – das Unkraut einfach mitwachsen. Der normale Hausverstand sagt: Natürlich entfernen.
Das Himmelreich hat also eine andere Logik. Jesus lehrt die Jüngerinnen und Jünger, sie zu verstehen: Sie sollen beides wachsen lassen. Es gilt für das Himmelreich und ist zugleich eine enorme Herausforderung.
Das Unkraut sind die Kinder des Bösen. Sie wurden vom Teufel gesät, so erklärt es Jesus den Seinen. Das griechische Wort für „Teufel“ ist: „Diabolos“. Es ist ein diabolisches Wirken: entzweien, Verwirrung stiften, verschleiern, spalten, hetzen, die Dinge durcheinander bringen. Wenn die Bibel davon spricht, dass die Kinder des Bösen vom Teufel gesät wurden, dann ist es nicht in einer verdammenden und verachtenden Absicht gesprochen, sondern es will diese Menschen entlasten im Sinne: sie sind Verführte, sie wissen nicht so recht, was sie tun; sie sind nicht innen-, sondern außengeleitet. Es geht nicht darum sie gänzlich zu entschuldigen oder der Verantwortung zu entheben, aber eben eingeschränkt. Sie sind nicht wirklich Herr des eigenen Lebens. Jesus erlebt diese diabolischen Menschen in seinem Umfeld. Die junge Gemeinde des Matthäus hat solche diabolischen Menschen in ihren Reihen. Vermutlich kennt jede und jeder in seinem Umfeld Menschen, die diabolisch wirken: in Gesellschaft, Politik und auch Kirche – Menschen, die spalten, Verwirrung stiften, Familien oder Gemeinschaften durcheinander bringen, entzweien. Vielleicht ist man manchmal sogar selbst einer solchen Kraft verfallen?
Vermutlich ist jede und jeder von uns, wenn man damit konfrontiert ist, versucht, sie auszumerzen oder sie mit allen Mitteln zu bekämpfen. Wir kennen inzwischen die Antwort Jesu: Nein! Lasst beides wachsen. Die Antwort schließt zwei wichtige Implikationen ein:
Jesus sagt: Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Der Menschensohn wird seine Engel am Ende der Welt aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt haben und Gesetzesloses getan haben. Das Ausmerzen oder Bekämpfen ist eine Aufgabe der ausgesandten Engel und nicht eure oder deine Aufgabe. Es wird auch in Zukunft nicht eure oder deine Aufgabe werden.
Es ist also nicht Aufgabe der Jüngerinnen und Jünger, das Unkraut auszureißen. Das bleibt in der Hand eines anderen, einer anderen Macht. Das Himmelreich kennt eine besondere Konfliktkultur, die sich von der Welt unterscheidet. In der Welt droht Menschen die Gefahr, sollten sie einen Fehler oder schuldig geworden sein, dass sie „ausgerissen“ oder „vernichtet“ werden, d.h. es geht soweit, bis die Würde, der Ruf oder die Existenz zerstört sind. Das kann und soll nicht Aufgabe jener sein, die Jesus nachfolgen.
Die zweite Implikation besagt und es gilt sie nicht weniger zu bedenken: Das Unkraut ist in seiner Wirkung begrenzt. Die diabolischen Kräfte und Stimmen können sehr, sehr unangenehm oder sogar zerstörerisch sein, aber es kommt für sie ein gesetztes Ende.
Mit Ende der Welt ist die Begrenzung des Bösen angesagt, die nicht in der Unendlichkeit liegt, sondern mit der wir jederzeit rechnen können. Es ist das Ausharren in Geduld angesagt, es mag Leid und Not bedeuten, aber das Vertrauen in das Gute, in Recht und Gerechtigkeit, in Respekt und Achtung entwickelt eine weit größere Kraft als es die der Kinder des Bösen je vermag.
Es sind die begleitenden Gleichnisse, die dieser Wirkung ein besonderes Gewicht verleihen. Aus dem Senfkorn entwickelt sich ein riesiger Baum, in dem die Vögel nisten können. Der Same des Guten, der in einem Wort, in einer Geste, in einem sich Zurücknehmen oder in jeder Achtsamkeit gegeben ist, wirkt weit über das Beabsichtigte hinaus.
Oder: Der Sauerteig vermag eine riesen Menge Mehl zu durchsäuern. Es verwandelt das Mehl, damit es dem Menschen zum nährenden Brot wird. Es lohnt sich, Vertrauen in die Wirkkraft des Guten zu haben.
Guter Same ist auch jedes prophetische Wort, das Falschheit, Verachtung oder korruptes Verhalten aufdeckt. Lasst euch von den daraus folgenden Anfeindungen oder Feindseligkeiten nicht einschüchtern. Sie finden ein Ende. Sie verpuffen quasi.
Vielleicht bedarf gerade die Kirche selbst heute mehr denn je des Sauerteigs des Evangeliums?
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: