Gottes Dienst an den Menschen 1. Lesung: Den 18,15-20|2. Lesung: 1 Kor 7,32-35|Evangelium: Mk 1,21-28
Was ist ein Prophet? Was ist gemeint, wenn es in der Bibel heißt: Gott sprach? Oder: Gott spricht? Wie können wir das Wort Gottes als wahr erkennen? Es sind ganz alte Fragen. Sie stellten sich bereits Mose und dem Volk Israel, wie wir es in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium vernommen haben.
Das Buch Deuteronomium hat als wesentlichen Inhalt die Vorbereitung Israels auf den Einzug ins gelobte Land durch Moses. Moses geht, etwas vereinfacht gesagt, nochmals mit seinem Volk alle offenen Fragen durch, die für diesen Einzug zu bedenken sind und ihn möglich machen. Da Moses selbst nicht ins gelobte Land mitkommt, wird auch seine prophetische Stimme fehlen. Da erhebt sich die brennende Frage: Wer wird dann unser Prophet sein? Wer wird uns die Wahrheit kundtun? An wen können wir uns halten?
Sind es nicht auch die Fragen in der Pandemie: Wem können wir trauen? Wer sagt die Wahrheit? Welche Politiker? Welche Virologen? Welcher Experte? Welcher TV-Sender? Welche Sozial-Media? Der Stimmen sind viele. Im Letzten ist es die Frage: Was ist wahr? Gibt es so etwas wie Gottes Stimme?
Da wird von Moses zunächst erklärt, auf wen oder was sie nicht bauen sollen: Niemand der Söhne oder Töchter durchs Feuer gehen lässt, also leichtfertig Gefahren aussetzt; niemand der orakelt; niemand der Wolken befragt, aus dem Becher weissagt, zaubert, mit Gebetsbeschwörungen oder Totengeistern arbeitet oder sich hellseherisch gibt (Dtn 18,10f).
Jede und jeder, der so etwas tut, ist dem Herrn ein Gräuel… Du sollst ganz und gar bei dem Herrn, deinem Gott, bleiben. Es ist ein erster Zugang: In den nüchternen Fakten liegt eine Spur von Gottes Wahrheit. Der spekulative Zwischenbereich von Annahmen, Mutmaßungen oder nur Spekulativem ist dem Herrn ein Gräuel. Zunächst einmal zählt der nüchterne Blick auf die Wirklichkeit, auf das, was mit unseren Sinnen wahrnehmbar ist.
Es kommt nun eine Zusage mit einer spannenden Komponente hinzu. Die Zusage lautet: Gott wird einen Propheten aus der Mitte der Brüder (und Schwestern) erstehen lassen. Es wird das prophetische Wort, das Wort der Wahrheit und Wahrhaftigkeit weiter im Volk geben. Gott lässt es erstehen. Er selbst wird auch in Zukunft dafür sorgen.
Die spannende Komponente dabei ist, dass sich Moses hier selbst relativiert. Er ist die Autorität des Gesetzes, des Pentateuch, dieser ersten fünf Bücher des Moses. Er ist der, der Gottes Stimme und Wahrheit im Volk Israel authentisch kundtut. Sein Prophetenamt gründet in der Sinaierfahrung: im Hören der donnernden Stimme des Herrn und im Sehen des großen Feuers. Er erklärte, dass er ein zweites Mal das Erlebnis vom Berg Sinai bzw. Berg Horeb nicht überlebt hätte.
Diese Erfahrung hat ihn sicher gemacht und im Volk eine einmalige Autorität verschafft. Nun folgt ein wichtiger Schritt für den weiteren Fortgang. Er sagt, wie bereits gehört: Gott lässt auch in Zukunft einen Propheten in eurer Mitte erstehen. Es geht auch ohne mich und meine Stimme weiter.
Es gibt auch in Zukunft das prophetische Wort, das dem Leben, der Wahrheit, der Gerechtigkeit und dem Frieden dient. Und zugleich ist jenem Prophet oder jenen Propheten die große Rückbindung an Gottes Wort aufgetragen. Sollte jemand etwas künden, ohne dass es von Gott stammt, so wird er oder sie sterben. Mit anderen Worten: das hat keine Zukunft. Es mag für uns ein wenig abstrakt und abgehoben klingen, aber es hat eine lebensnahe Konsequenz. Es ist eine Absage an selbsternannte Propheten. Es dürfen die Propheten und die prophetischen Stimmen geprüft werden. Und wichtig vor allem auch: Menschen, die prophetisch reden müssen, weil sie vielleicht Experten, Wissenschaftler oder Künder des Wortes Gottes sind, sind gehalten sehr selbstkritisch zu sein, sich wirklich am Wort Gottes, an der Wahrheit, an den Realitäten zu messen und zu hinterfragen.
Die Liturgie der Römisch Katholischen Kirche greift im wiederholenden Dialog zwischen der Leitung des Gottesdienstes und dem Volk diesen Aspekt auf. Am Beginn und bevor das Evangelium verkündet wird, spricht der Leiter oder die Leiterin: „Der Herr sei mit euch!“ Das Volk antwortet: „Und mit deinem Geiste.“ Die leitende Person wünscht dem Volk, dass Gott mit ihnen sei und das Volk wünscht ebenso, dass die leitende Person so feiert und disponiert ist, dass Gott durch sein oder ihr tun gegenwärtig wird.
Niemand „macht“ einen Gottesdienst, sondern wir feiern Gottesdienst. Wir feien Gottes Dienst an den Menschen. Das gemeinsame Beten, Hören, Singen, Verkünden möge prophetisch werden. Es führe das Volk in eine gute Zukunft. Es diene der Wahrheit, dem Frieden und der Gerechtigkeit.
Ich habe am Anfang die Frage gestellt: Wer hat die Wahrheit? Wer ist Prophet? Moses gibt den Israeliten mit auf dem Weg: Propheten will ich inmitten der Brüder und Schwestern erstehen lassen. Sie sind nicht irgendwo im Außergewöhnlichen oder Spekulativem zu suchen, sie erstehen im Volk, im Dialog. Zum Prophetenamt gehören die Demut und der Dialog. Er ist eine Frucht von Gottes Dienst an den Menschen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
3 Kommentare zu “Gottes Dienst an den Menschen 1. Lesung: Den 18,15-20|2. Lesung: 1 Kor 7,32-35|Evangelium: Mk 1,21-28”
Leider habe ich heute Sonntag den ZDF-Gottesdienst verschlafen, da ist es besonders fein, daß ihr da seid mit den passenden Texten. Ich habe euch auch meiner Schwester empfohlen. Alles Gute weiter.
Erlauben Sie mir einige Gedanken:
Sehr lobenswert hat sich “Bibellabor” es zur Aufgabe gemacht, gemäß Konzilsanregung das “Wort Gottes” mehr in den Fokus zu rücken, weg von nur feierlichen Buch-Zeremonien und ritualisiertem Wortaustausch.
Leider findet für mich in einem Gottesdienst kein wirklicher Dialog statt. Wie kann eine teilweise streng vorgeschriebene Liturgie und 1 Predigt pro Woche, die 3 Lesungen abdecken soll, den Bedürfnissen/Problemen vieler Gläubigen gerecht werden?
Wie soll Gott/Jesus aus Glaubenssätzen zu einer im Alltag wichtigen”Bezugsperson” werden, der man trauen und dienen kann, die man kennen und lieben möchte?
Mir erscheint somit das Buch Deuteronomium für unsere Zeit des Individualismus wenig hilfreich, denn wer sieht Gott als Vertragspartner eines Bündnisses mit zahlreichen Klauseln/Forderungen auf einer Seite?
Paulus dagegen beschreibt das Prophetenamt im Römer- und 1. Korintherbrief als eine Gabe des Hl. Geistes, die an vielen Stellen zum Tragen kommen soll und nicht nur Männern vorbehalten ist.
So fände ich es so wichtig und richtig, wenn das “Priestertum der Laien” mehr anerkannt und darauf vertraut würde, dass Gottes Geist auch unter Laien wirkt, wenn sich 2 oder 3 in Jesu Namen versammeln, seiner zugesagten Ggenwart vertrauen und gemeinsam Gottes umfangreiches Wort betrachten, hinterfragen und auf aktuelle Lebenssituationen anwenden wollen. – Mir sind auf diese Weise viele Bibelstellen zu “Liebesbriefen” Gottes geworden, die mich in Krisenzeiten trösten und stärken.
Z. B. sagt uns Gott in Psalm 32:8 so hilfreich: “Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst. Ich will dir raten; über dir wacht mein Auge.”
Mein Gebet und Wunsch für uns alle!
Lieber Antonie Chibesakunda,
zunächst herzlichen Dank für ihre Überlegungen zum Gottesdienst. Meine Vermutung ist, dass sie ein gewisses Unbehagen bezüglich der Art und Weise, wie die Gottesdienste gefeiert werden, haben. Zumindest erfasst mich öfters eine Unzufriedenheit, ohne schon eine Lösung zu haben. Es dürfte lebendiger sein. Es würde manchmal Sinn machen, nur einen biblischen Text zu verwenden – dafür einen längeren, zusammenhängenden Abschnitt. Die Einbindung der Mitfeiernden mit ihren Erfahrungen, Gedanken und Überlegungen könnte sehr bereichern. Das Gebetsleben unserer Pfarrgemeinden ist zu sehr auf die Priester zugeschnitten worden. In der Trierer pastoralen Neuausrichtung ist festgehalten: Wir verabschieden uns vom Gedanken, dass ein Gottesdienst nur dann gut ist, wenn er von einem Priester geleitet wird. Ich kann dem nur zustimmen.
Manchmal würde ich mir selbst mehr Mut wünschen, lebendigere Formen von Gottesdiensten zu feiern. Formen zu finden, in denen lebendig wird, wie sehr Gott uns Menschen dient.
Erich Baldauf