Gelebte Solidarität statt Untergangsstimmung 1. Lesung: Weish 18,6-9 |2. Lesung: Hebr 11,1-2.8-19|Evangelium: Lk 12,32-48
„Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen! Macht euch keine Geldbeutel, die nicht zerreißen.“
Ist es nicht eine gewagte Ansage Jesu, die es näher anzusehen gilt? Der Evangelist schreibt ca. um das Jahr 90 n.Chr. Die Gemeinde lebt in Bedrängnissen, erlebt Verfolgung und Unterdrückung. Einige von ihnen verlassen die Gemeinschaft, die Kirche. Die Hoffnung, dass Jesus bald wiederkommen und sein Reich errichten wird, schwindet. Jerusalem ist zerstört. Viele sind vertrieben und leben in der Diaspora.
In diese Situation schreibt Lukas den Satz: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Die junge Kirche hat nicht als Volkskirche, in der alle mitmachten, begonnen. Es ist die kleine Herde, mit der Gott Geschichte schreibt. Es ist die kleine Herde, durch die Gott damals, und wohl auch heute in der Welt Heilsames wirkt.
Es heißt dann weiter: „Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Das Wort Jesu richtet sich an die Jünger, die mit ihm ziehen und die erleben, wie sich die Auseinandersetzungen zwischen Jesus, den Schriftgelehrten, der Priesterschaft und den Pharisäern verschärfen. Er vermochte die Konflikte nicht aufzulösen. Die Jünger sind besorgt.
Zu beachten ist, dass Jesus nicht sagt: Ich gebe euch das Reich oder führe euch in das Reich hinein, sondern er erklärt: Der Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. Jesus steht von Anfang an in diesem Auftrag des Vaters. Beim ersten Auftritt in der Synagoge in Nazareth sagt er: Der Geist des Herrn ruht auf mir … Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Und dann folgt der Satz: Heute hat sich das Wort erfüllt (Lk 4,18ff). Gottes Zuwendung gilt den Bedrängten und in Not geratenen jeweils im Heute.
Jesus konfrontiert die Jünger mit der Frage nach der Hoffnung: Traut ihr Gott zu, dass er trotz der Anfeindungen, der schwellenden Konflikte und vieler ungelöster Probleme das Reich schenkt? Die Botschaft Jesu ist immer wieder: Der Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. Er vertraut Menschen sein Reich an – auch heute.
„Der Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Diesen Satz schreibt Lukas der Gemeinde am Ende des 1. Jht. mit der bereits geschilderten Situation. Es richtet sich an verfolgte Menschen – eine kleine Herde –, die an ihrer Zukunft zweifeln. Diese Hoffnung gründet in einer wichtigen Erfahrung: nämlich der Auferstehung.
Die Botschaft der Auferstehung steht dem Moment jener Wirklichkeit entgegen, dass mit der Hinrichtung Jesu die Gegner gesiegt hätten. Mit seinem Tod sei alles vorbei. Doch in der Gemeinde wird die andere Wirklichkeit erfahren: Er lebt. Sein Geist wirkt weiter. Es finden sich neue Anhänger/innen. Die Liebe Gottes ist stärker als die Gewalt und selbst stärker als der Tod. Der Evangelist trägt der kleinen Herde auf, ihr Leben von dieser Liebe Gottes her zu verstehen und zu leben.
Es gab auch damals die Stimmung in der Gemeinde, es würde abwärtsgehen und alles schlechter werden; das Schwarzsehen für die Zukunft. Dagegen richtet sich das Wort des Lukas: Der Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.
Wie das Reich Gottes erfahren wird beschreibt Lukas im Weiteren. Gottes Reich ist keine Idee, die man sich denken kann oder muss. Gottes Reich wird der kleinen Herde gegeben, wenn das Wort Gottes gelebt wird, oder Lukas im Originalton: Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen!
Gottes Reich wird erfahren, wenn Menschen beginnen zu teilen, in Solidarität zu leben, einander Stütze und Halt zu sein. In diesen Wochen erleben wir den Ruf nach dem Staat. Er solle die Teuerung abfedern und warme Wohnungen für den Winter garantieren. Die Forderungen und die Diskussionen darüber, wie Hilfe organisiert werden kann, sind berechtigt und gut. Es wird allerdings nicht reichen. Das Reich Gottes ist weit mehr als jedes staatliche Hilfsprogramm. Das Reich Gottes nimmt jene in den Blick, die durch den Rost fallen, die von manchen bewusst ausgegrenzt und marginalisiert werden.
Die Gemeinde des Lukas war gefordert. Sie kamen sich öfters wie unter die Räuber gefallenen vor. Der Evangelist will sie stärken, will ihnen Mut machen, will sie vor allem zum Durchhalten motivieren. Er fügt ein Bild hinzu: Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft.
Es ist eine Rückkehr, die keine Angst verbreitet, sondern die ein Anlass zur Freude sein wird. Der Herr wird kommen, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um die Seinen an den Tischen zu bedienen. Wir ahnen die Bezüge zur Fußwaschung, zum Auferstanden. Es kann die zweite oder dritte Nachtwache sein. Es kann dauern. Christen ist aufgetragen gerade auch in dunklen Zeiten auszuharren, in der Liebe zu bleiben, weil ER – der Vater – beschlossen hat, sein Reich zu geben. Für die Kirche, für jede christliche Gemeinschaft ist das das Fundament der österlichen Hoffnung.
Gelebte Solidarität bewirkt keine Untergangsstimmung, sondern hebt das Leben in eine „Hochzeits“-Stimmung.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: