Brisanz der Wohlstandsgesellschaft 1. Lesung: Am 6,1a.4-7| 2. Lesung: 1 Tim 6,11-16| Evangelium: Lk 16,19-31
Dieses Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus hatte zum Teil eine fatale Wirkungsgeschichte. Es wurde öfters für die Vorstellungen über das Jenseits und die Hölle herangezogen. Das Gleichnis verfolgt andere Ziele und hat eine andere Botschaft.
Die Kernaussage eines Gleichnisses findet sich am Ende, dem Dialog des Reichen mit Abraham, der da zum Schluss sagt: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.
Der Reiche fordert ein außergewöhnliches Ereignis. Passiert etwas Außergewöhnliches – die Auferstehung eines Toten –, so argumentiert er, würden seine Brüder glauben und wären bereit, umzukehren und ihr Leben zu ändern. Zu der Zeit, als Lukas schreibt, ist Jesus bereits auferstanden. Die junge Kirche lebt mit der Erfahrung eines Auferstandenen, aber sie muss zur Kenntnis nehmen, dass selbst dieses Faktum die Glaubwürdigkeit der Botschaft nicht erhöht.
Das Gleichnis redet einer großen Nüchternheit das Wort. Wir sind nicht angewiesen auf außergewöhnliche Glaubenserfahrungen, sondern maßgebend bleiben Moses und die Propheten, maßgebend bleibt das Wort der Heiligen Schrift. Sie ist Grundlage für eine gläubige, christliche Herzensbildung. Der Heiligen Schrift sind alle anderen Offenbarungen unterzuordnen: Erscheinungen, Blutwunder, Wundmahle, Privatoffenbarungen.
Grundlagen des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft sind das Hören auf Moses und die Propheten. Es ist ein Gedanke auch für jene, die sich aus der Gemeinschaft der Glaubenden ausklinken (wollen), weil ihnen das „Bodenpersonal“ nicht entspricht. Das Wort Gottes ist die letzte Orientierung für Glaubende und nicht der Papst, Bischöfe, Priester oder Mitchristen. So hilfreich, ja so wichtig Vorbilder im Glauben sind, maßgebend bleibt die Heilige Schrift: Moses und die Propheten.
Das Gleichnis steht in einem weiteren Zusammenhang: Über mehrere Kapitel entfaltet Jesus die Gedanken über das Reich Gottes, über eine neue Weise des Miteinanders, über ein Leben in Versöhnung und Gerechtigkeit. Dazu zählen das Gleichnis vom barmherzigen Vater, vom verlorenen Schaf und vom barmherzigen Samariter. Im letzten Gleichnis geht es um die Frage: Wer wird zum Nächsten? Nämlich jene, die barmherzig handeln. Unbarmherzige werden nicht zu Nächsten. Sie werden anderen fremd.
Als Problem des reichen Mannes wird angegeben – der übrigens keinen Namen hat: Er hat niemanden, der ihm zur Kühlung ein wenig Wasser reicht. Er hat niemanden, der ihm Zuwendung schenkt und ihm nahekommt. Das Leben wird Menschen zur Hölle, wenn sie aus Geiz oder Neid einsam, allein, isoliert … dahinleben, vielleicht auch dahinsiechen.
Der reiche Mann, so erzählt das Gleichnis, lässt es sich gut gehen. Er hat seine Tür zur Außenwelt versperrt und lebt für sich. Er kommt nicht mehr mit der Not anderer in Berührung. Die Hecken um ihn sind so hoch geworden, dass sein Herz jeden Anschluss an die Mitmenschen verloren hat. Ein unüberbrückbarer Abgrund tut sich auf.
Das Gleichnis hat eine besondere Brisanz für eine Wohlstandsgesellschaft. Es stellt die Frage nach Herzensbildung und gelebter Mitmenschlichkeit. Blindheit gegenüber Menschen in Not kann zu einem ungemütlichen, „höllischen“ Erwachen führen. Ein Problem, das gegenwärtig besteht, ist, dass der Ukrainekrieg manche „Lazarusse“ vergessen lässt, ich meine geballte Armut wie im Libanon, im Gaza, in Haiti, in manchen Regionen Afrikas und Asiens. Ohne Linderung dieser Nöte kann es zu einem „höllischen“ Erwachen kommen.
Das Gleichnis stellt Besitz, Geld, ja selbst Reichtum nicht einfach grundsätzlich in Frage, sondern den Umgang damit. Sogar das, was von den Tischen gefallen ist, der Überfluss wurde Lazarus nicht vergönnt. Die Not des Lazarus ließ den Reichen unberührt. Er war dafür völlig blind und taub.
Dieses Gleichnis erinnert mich auch an so manche politische Stimmen, die sich gegen Flüchtlinge und Asylsuchende wehren und die Abschottung Österreichs gegen jede Zuwanderung fordern. Wir sind ja stolz, dass wir eines der reichsten Länder der Welt sind, aber Arme, wie Lazarus einer war, gehen uns nichts an. Höchstens Fachkräfte aus Drittweltländern lassen wir herein. Die Finanzierung der Ausbildung überlassen wir den armen, verarmten Ländern, um den eigenen Reichtum zu steigern.
Barmherzigkeit und Solidarität sind nicht immer leicht zu leben. Sie dienen der Menschlichkeit und dem Frieden und bewahren vor einem „höllischen“ Erwachen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Amos anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus
an Timótheus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Brisanz der Wohlstandsgesellschaft 1. Lesung: Am 6,1a.4-7| 2. Lesung: 1 Tim 6,11-16| Evangelium: Lk 16,19-31”
Lieber Pfarrer Baldauf,
Sie unterstreichen persönlich und überzeugend gelebt, was seit Jahren bekannt und verkannt wird.
II. Vatikanisches Konzil
Pastorale Konstitution „Gaudium et Spes“ über die Kirche in der Welt von heute (7. Dezember 1965), 69
Ein Armer lag vor der Tür
Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand geht mit ihr die Liebe. Wie immer das Eigentum und seine nähere Ausgestaltung entsprechend den verschiedenartigen und wandelbaren Umständen in die rechtlichen Institutionen der Völker eingebaut sein mag, immer gilt es, achtzuhaben auf diese allgemeine Bestimmung der Güter. Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern muß er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, daß sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können.
Zudem steht allen das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern zu haben. Das war die Meinung der Väter und Lehrer der Kirche, die sagen, es sei Pflicht, die Armen zu unterstützen, und zwar nicht nur vom Überfluß. Wer aber sich in äußerster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen. Angesichts der großen Zahl derer, die in der Welt Hunger leiden, legt das Heilige Konzil sowohl den Einzelnen als auch den öffentlichen Gewalten dringend ans Herz, sie möchten doch eingedenk des Väterwortes: „Speise den vor Hunger Sterbenden, denn ihn nicht speisen heißt ihn töten“, jeder nach dem Maße dessen, was ihm möglich ist, Ernst damit machen, ihre Güter mitzuteilen und hinzugeben und dabei namentlich jene Hilfen zu gewähren, durch die sie, seien es Einzelne, seien es ganze Völker, sich selber helfen und entwickeln können. —
Wünsche ud bete für uns alle um “Freude und Hoffnung”!