Dinge beim Namen nennen 1. Lesung: 2 Kön 4,8-11.14-16a| 2. Lesung: Röm 6,3-4.8-11| Evangelium: Mt 10,37-42
Das soeben gehörte Evangelium ist ohne den größeren Zusammenhang missverständlich. Es ist dem Ende einer längeren Rede – der sogenannten: Aussendungsrede bei Matthäus – entnommen. Zum Zusammenhang:
Jesus wählt zwölf Jünger aus, die er zur Verkündigung aussendet (Mt 10,2f). Wir haben die Namen vor Sonntagen gehört. Die Zahl zwölf schließt immer das ganze Volk ein: Männer und Frauen. Zugleich geht es aber um konkrete Namen, um konkrete Personen. Diese Gerufenen haben unterschiedlichste Hintergründe. Sie sollen verkünden, dass das Himmelreich nahe ist. Sie sollen die Menschen heilen, Tote aufwecken, Aussätzige reinmachen, Dämonen austreiben (Mt 10,7f). Jesus fügt hinzu: Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
Jesus sendet sie zum Dienst an einer geschundenen Gesellschaft. Zugleich macht er sie darauf aufmerksam, was sie erwarten wird. Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben (Mt 10,16). Jesus schätzt die Lage realistisch ein. In einer Gesellschaft mit viel Not – Hungernden, Traumatisierten, Kriegsverletzten u.a. – kann man nicht erwarten, dass die Dinge glatt laufen. Sogar den Helfenden wird rauer Wind entgegenblasen.
In der Gemeinde des Matthäus wird weiter Thema: Wie halten wir es mit dem Kaiser? Wie mit dem Kaiserkult und der Verehrung? Opfern wir weiter für den Kaiser? Die Verweigerung wird die Gesandten vor Gerichte bringen. Sie werden Verfolgung und Folter erleben. Es wird die Familien spalten.
Die Heilung der Gesellschaft ist vor allem mit dem Kampf für Gerechtigkeit und das Achten der Würde der Menschen verbunden. Da gilt es die dunklen Machenschaften, die Korruption und das Unrecht aufzudecken. Die Sätze des Evangeliums dazu: Fürchtet euch nicht! Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern (Mt 10,26f).
Jesus ermutigt die Jünger die Machenschaften und Unmenschlichkeiten der Reichen und Mächtigen beim Namen zu nennen. Ruft es von den Dächern. Wir wissen, was es heißt, wenn Unrechtssysteme angefragt oder kritisiert werden. Doch gerade dazu sendet Jesus die Jünger aus. Die Worte Jesu weiter: Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34). „Schwert“ – es geht nicht ums Töten, sondern um Entscheidung. Ein fauler Friede, das wortlose Dulden von Unrecht und Not ist kein Friede. Mit aller Schärfe gilt es solches zu benennen und zu bekämpfen.
Und nun kommen wir zum Evangelium zurück. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert (Mt 10,36). Dieser Kampf, beziehungsweise dieses Eintreten für Recht und Gerechtigkeit ist gefährlich. Leib und Leben stehen auf dem Spiel.
Für das Wort „lieben“ steht im Hintergrund das griechische Wort „philein“, und nicht „agapaein“. Es geht um die emotionale Bindung, nicht um das Sorgen etwa für die Eltern oder die Kinder. Im Einsatz für Recht und Gerechtigkeit sei emotional mehr an Jesus gebunden als an die Verwandten. Ohne diese Bindung an Jesus wird es nicht gelingen, die Verhältnisse zu ändern.
Vielleicht helfen uns Beispiele aus der Geschichte, um das Anliegen zu verstehen. Ich denke an Franz Jägerstätter, der sich gegen die Nazilogik stellte und seinem Gewissen trotz Familie treu blieb. Ähnlich ein Alfred Delp, Carl Lampert oder Mitglieder der Weißen Rose.
Es gibt sie auch heute, die im Kampf für Recht, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung trotz Familie Verfolgung und Gefängnis auf sich nehmen. Unrechtssysteme zu verändern, bleibt eine Herausforderung und schließt Kreuzeserfahrungen ein.
Zugleich verbindet Jesus die Herausforderung mit der Zusage: Es wird Menschen geben, die euch dabei stützen und unterstützen, die euch aufnehmen. Diese Menschen erhalten den Lohn.
Erwähnenswert scheint mir, dass es unmittelbar danach heißt: Als Jesus die Jünger unterwiesen hatte, zog Jesus weiter und predigte in den Städten und Dörfern. Was er von anderen – von den Gesandten – erwartet, das tut er auch selbst.
Das Evangelium könnte so kurz zusammengefasst werden: Jesus ruft und sendet die Jünger*innen gegen das herrschende Unrechtssystem und die Folgen anzugehen. Der Weg ist ein dorniger. Es bedarf einer engen Bindung an Jesus und seinem Wort.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem zweiten Buch der Könige anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: