Fehlende Rahmenbedingungen – keine Wunder 1. Lesung: Ez 1,28c-2,5| 2. Lesung: 2 Kor 12,7-10| Evangelium: Mk 6,1b-6
Der Weg Jesu ist kein Triumphzug, wie man bei jemand meinen könnte, der Menschen heilt, von Dämonen befreit und Tote erweckt. Wir hören und lesen von Widerständen und Vorbehalten. Er ist nicht überall Gast, auch nicht in seinem Heimatort Nazareth. Hier stößt er auf Ablehnung, der Evangelist Lukas berichtet sogar, dass sie ihn umbringen wollen. Er auch kann keine Wunder tun. Nur wenigen Kranken legt er die Hände auf, dann geht er weiter, so berichtet Mk.
In unserem Sprachgebrauch bedeutet es, Jesus erlebt eine Niederlage. Er kann nichts ausrichten. Wie geht Jesus damit um? Es könnte ein Grund zur Resignation sein, wenn jene das Mitgehen und die Unterstützung verweigern, die am nächsten sind. Was wird aus seinem Projekt werden, wenn bereits jene Probleme haben, die Jesus am besten kennen und wohl am ehesten wissen müssten, was seine Anliegen sind?
Von Resignation kann aber bei Jesus keine Rede sein. Er wundert sich über den Unglauben, geht dann aber weiter in die benachbarten Dörfer um zu lehren.
Jesus reagiert nicht mit Hass- und Rachegelüsten. Auch kein Wort es Fluches. Er lässt zwar anklingen, dass er ein Prophet sei, d.h. dass er sehr wohl etwas Wichtiges und Wahres zu sagen hätte, aber er geht weiter und verkündet und lebt in anderen Orten das anbrechende Reich Gottes.
Ich denke, hier können wir uns als Pfarrgemeinden und als Kirche in der Verkündigung inspirieren lassen. Jesus bettelt nicht lange und zwingt den Menschen nichts auf, setzt keine Energie darauf, die Menschen umzustimmen. Es gilt die Freiheit zu achten. Wenn sich Menschen der Botschaft verschließen, dann stellt sich die Aufgabe, auf andere zuzugehen, vielleicht auch neue Themen aufzugreifen. In der Verkündigung werden Niederlagen erst zu Niederlagen, wenn ich resigniere und aufhöre für das Reich Gottes zu wirken, aufhöre, auf Menschen in offener und ehrlicher Weise zu zugehen, aufhöre, Gottes Zuwendung zu Menschen zu leben.
Bei Ablehnung ist man sehr schnell versucht, abfällig oder herablassend zu reden. Jesus geht weiter. Er stochert nicht lange im alten Brei herum, spielt keine beleidigte Leberwurst, sondern sucht Menschen, die für sein Wort und seine Botschaft ihr Herz öffnen.
Jesus geht weiter. Das macht uns ebenso bewusst, dass wir Gott, den Glauben und seine Wahrheit als Besitz haben. Die Menschen in Nazareth werden nicht gedacht haben, uns fehlt es am Glauben oder dass sie aufgehört hätten zu beten. Ihr Unglaube zeigt sich vielmehr darin, dass sie nicht bereit waren, sich verunsichern zu lassen, gar ihre Lebens- und Glaubensgewohnheiten zu ändern. Schon gar nicht von jemand, den sie von Kind auf gut kannten.
Wenn Jesus – nochmals – auf das Prophetensein anspielt, dann klingen ganz spezielle Fragen an: Propheten sind Sprachrohr Gottes und vertreten seine Gerechtigkeit, decken Scheinheiliges auf. Sie wehren sich dagegen, dass im Namen der Religion Unrecht etabliert und gerechtfertigt wird, dass Menschen wirtschaftlich, gesellschaftlich oder religiös ausgegrenzt werden. Die Bewohner von Nazareth weigern sich dagegen, sich darauf einzulassen. Sie verweigern sich einer gerechteren, menschlicheren Welt. Ihr Unglaube, über den sich Jesus wundert. Sie ziehen es vor, wie bisher weiterleben zu wollen.
Mit „Nazareth“ ist in besonderer Weise jene Gruppe von Gläubigen heute angesprochen, die meinen, Jesus von Kind auf zu kennen. Wir hatten Religionsunterricht. Wir hatten den Katechismus. Wir wissen, was seine Sache ist, da ist nichts Neues zu erwarten. Bei einer solchen Haltung kann Jesus auch heute keine Wunder mehr tun. Es bleibt Aufgabe, sich immer wieder neu von der Botschaft Jesu und dem Reich Gottes herausfordern zu lassen.
Es ist Papst Franziskus, der uns an den Propheten Jesu erinnert, das Evangelium verkünden ist eine Freude teilen, ist eine arme Kirche für die Armen zu sein, bedeutet uns jenen zuzuwenden, die an den Rändern der Gesellschaft und des Glaubens leben. Hier ist die Frage: Kann Jesus in unseren Gemeinden Wunder tun? Es machen mich immer wieder die Diskussionen im Zusammenhang der Gottesdienstordnung betroffen. Die Debatten werden heftig und deftig, wenn irgendwo ein Gottesdienst wegfällt. Aber nirgends – in keiner Gemeinde und in keinem PGR – wird zugleich ernsthaft gefragt: Sind bei uns die Armen versorgt? Da haben wir eine Schieflage, an der wir zu arbeiten haben, sollten wir verhindern wollen, dass Jesus nicht einfach bei unseren Gemeinden weiter geht.
Ein letzter Gedanke: Der Auftritt Jesu löst zunächst Staunen aus. Als dann die Rede davon ist, dass er Bauarbeiter und Maria seine Mutter sei, seine Brüder und Schwestern unter uns leben, kippt die Stimmung. Die Nichterwähnung Josefs lässt vermuten, dass dieser bereits gestorben war. Es wird aber deutlich, dass die Familie Jesu mit Maria inclusive in Nazareth nicht im hohem Kurs stand. Die Erinnerung an sie war mit Grund, dass er abgelehnt wird.
Auf dem Hintergrund dieser Bibelstelle gilt es auch etwas mit kritischem Blick auf unsere kirchlichen Feiern zu schauen, wie: Taufen, Erstkommunion, Beerdigungen…. Es gibt die Tendenz, sie möglichst als Familienfeiern zu gestalten, im engsten Familienkreis zu bleiben. Jesus stand seiner Familie sehr kritisch gegenüber und hat diesen Rahmen immer wieder gesprengt. Seine Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes ging weit darüber hinaus und fand sogar außerhalb mehr Anklang.
Dieses Evangelium lädt ein, mit großer Offenheit Jesus zu begegnen. Wer meint ihn zu kennen, lauft Gefahr ihn zu verlieren.