Glaube an die Zukunft Lesung: Ex 16,2-4.12-15| 2. Lesung: Eph 4,17.20-24| Evangelium: Joh 6,24-35
„Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte gegen Mose und Aaron.“ Sie murrt, weil sie sich in der Falle sehen. Sie wurden von Ägypten hinausgeführt und haben nun Angst, dass sie in der Wüste verhungern. Sie sind von der Frage bewegt: Was war der Sinn des Aufbruchs? Hätten wir nicht gleich in Ägypten bleiben können, wo wir wenigstens zu essen hatten?
Der Vorwurf richtet sich gegen Mose: Du hast versagt. Du hast von Freiheit und der Hoffnung auf ein gelobtes Land geredet, doch jetzt wartet der Tod auf uns. Die Gemeinde verfällt einer Depression. Sie wollen zurück zu den tödlichen Fleischtöpfen Ägyptens. Vergessen wird, dass sie geschunden wurden, dass jedes männliche Kind umgebracht und somit jede Zukunft genommen war. Vergessen ist ebenso, dass Gott sie mit Hilfe von Plagen losgerissen, sie sicher und trockenen Fußes durch das Schilfmeer geführt und sie bei Durst mit Wasser versorgte. Israel kommt trotz aller Zeichen und Wunder immer wieder der Glaube in die Zukunft abhanden, der Glaube, dass Gott für sie sorgend mit ihnen ist.
Nochmals: „Die Gemeinde der Israeliten murrt!“ Die Übersetzung mit „Murren“ ist verharmlosend. Der Urtext spricht von handfestem Protest. Sie stampfen mit den Füssen. Die ganze Gemeinde der Israeliten protestiert, weil sie mit der Führungsmannschaft, dem Brüderpaar Mose und Aaron unzufrieden sind. Dieses Murren, dieser Hilfeschrei des Volkes erinnert an den früheren Schrei als Israel noch in Ägypten im Sklavendienst steht: „Das Schreien des Volkes ist an mein Ohr gedrungen“, sagt Jahwe am brennenden Dornbusch zu Mose. Gott hat das Ohr weiter beim Volk.
Es steht hier kein Wort darüber, dass Gott am Murren seines Volkes Missfallen hätte oder es deswegen gar bestrafen oder maßregeln möchte. Vielmehr wird erzählt, dass das Murren der Gemeinde Gott – Jahwe – veranlasst, rettend und helfend einzugreifen. Das Schreien, das Murren des Volkes leitet das Handeln Gottes ein, d.h. die Wende der Not. Die Erzählung vom Exodus, von der Knechtschaft in die Freiheit hat einen positiven Zugang zum öffentlichen Protest, zur Demonstration. Manchmal braucht es ihn, damit sich (politisch) wirklich etwas ändert. Gott hört auf das Murren des Volkes, auch wenn es sich zunächst gegen Mose und Aaron richtet.
Die Erzählung hält ferner fest – vor allem wenn wir die weiteren Texte dazu lesen –, dass die Leitung des Volkes immer hinter dem zurückbleibt, was sie eigentlich leisten kann oder müsste. Gott selbst nimmt es schließlich in die Hand, dass das Volk zu Essen bekommt und weiter auf dem Weg bleiben kann.
Weder politische noch religiöse Autoritäten vermögen alles. Sie sind keine „Götter“, von denen wir alles erwarten können oder müssen. Mit der Bibel kann man sagen: Ein Volk ist gut beraten darauf zu vertrauen, dass ein ANDERER die Fäden der Geschichte in den Händen hält. Er hört die Schreie und lenkt im Hintergrund.
Der Text entlastet zugleich die politischen und religiösen Autoritäten. Gott gibt nicht Mose und Aaron Anweisungen, was sie jetzt zu tun hätten, außer dass sie dem Volk erklären, was dieses zu tun hat. Das Volk muss täglich hinausgehen, um am Abend Fleisch und am Morgen Manna zu sammeln. Erwartet von den Autoritäten nicht die Lösung aller Probleme. Das Mitdenken und Mitgestalten bleibt gefragt.
Noch ein Hinweis – es schwingt ein wenig Ironie mit: Am Ende heißt es, als am Morgen das Manna auf dem Wüstenboden liegt – das Feine, Knusprige, fein wie Reif-, dass das Volk fragte: Was ist das? Die Israeliten, Gottes Volk wusste nicht, was es war. Mose erklärt es ihnen: „Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt.“
Mit anderen Worten: Das Volk ist zunächst blind für die neue Zuwendung Gottes. Es ist noch zu sehr fixiert auf die Fleischtöpfe in Ägypten. Die neue Nahrung ist ihnen noch fremd.
Es ist Aufgabe der Leitung, vielleicht noch mehr eine gegenseitige Aufgabe darauf hinzuweisen, wo und wie sich Gott gerade in Wüstenzeiten der Welt neu zuwendet, wie er uns mit dem versorgt, was wir heute brauchen. Gott hält uns keine bis an den Rand gefüllten Fleischtöpfe bereit, sondern was er für uns hat ist etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif. Entdecke das Feine, Knusprige in einer Beziehung, das Feine, Knusprige im Umgang mit Kindern oder vielleicht auch in der Arbeit, das dich sagen lässt: gut, dass ich die Arbeit tun kann.
Auch die Fleischtöpfe einer sogenannten „Volkskirche“ sind vorbei. Aufbrüche, Neuanfänge sind immer Wege durch Wüstenzeiten. Es bleibt die Sorge und Zuwendung Gottes. Es gibt etwas zum Sammeln, von dem wir keine Vorräte anlegen, aber tagtäglich leben können. Die Frage ist: Können wir das Feine, Knusprige sehen? Machen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam?
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Éxodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Éphesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
2 Kommentare zu “Glaube an die Zukunft Lesung: Ex 16,2-4.12-15| 2. Lesung: Eph 4,17.20-24| Evangelium: Joh 6,24-35”
Lieber Pfarrer Baldauf,
Ihr wöchentlicher Brief ist für mich wie „Manna“, eine Spezialität, ein Highlight, das mich nährt, erfreut und nach dem ich dankbar Ausschau halte.
Desgleichen finde ich aber täglich in der Schrift und bei Menschen aus Vergangenheit und Gegenwart eine Fülle von geisterfüllte Worte, die „fein und knusprig“ schmecken, wenn man sie auf der Zunge zergehen lässt.
Z. B. sagt Ihr Landsmann Heinrich Waggerl: “Erbitte Gottes Segen für dein Arbeit, aber verlange nicht auch noch, dass er sie tut.“
Wenigstens in dieser Hinsicht ist Google ein hilfreicher, unerschöpflicher „Fleischtopf“.
Guten Appetit und lieben Gruß!
Für mich ist es der Glaube an Gott, der mich am Leben erhält. Ich bin dankbar, dass ich Gott vertrauen kann, auch wenn schwierige Zeiten -Krankheit, schwierige Beziehungen mit Mitmenschen- mein derzeitiges Leben bestimmen.
Gott gibt mir die Energie durchzuhalten und gibt mir Hoffnung bis zur Verbesserung der Situation. Durch das Lernen in Krisen werde ich wacher und geduldiger.
Gesegnete Grüße