Zwei Seiten einer Medaille 1. Lesung: 1 Kön 19,4-8| 2. Lesung: Eph 4,30-5,2| Evangelium: Joh 6,41-51
Elija ist ruhelos und fast besessen von seinem Auftrag. Er ist dauernd unterwegs. Bei der Witwe von Sarepta fände er einen Rückzugsort, aber auch dort kommt und geht er. Er hilft zwar, wenn Not am Mann ist, aber bleibende Beziehungen sind nicht seine Sache. Er ist ein Eiferer in der Sache Gottes. Von Kopf bis Fuß verschreibt sich Elija diesem Gott und er trägt daher auch den einzig für ihn passenden Namen: “Der Herr ist mein Gott”.
Im Buch Deuteronomium lesen wir, wie Gott eindringlich das Volk Israel mit folgenden Worten auf seine Gebote verpflichtet: „Höre, Israel! Der HERR, unser Gott, der HERR ist einzig. Darum sollst du den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen“ (Dtn 6, 4-7). Dies ist bis heute das „Glaubensbekenntnis“ der Juden – das Schma Jisrael – das mehrmals am Tag gebetet wird und die Türposten jüdischer Häuser markiert. Die zehn Worte (zehn Gebote) wiederum sollen die Grundlage sein, dass die Israeliten im gelobten Land ein gutes Leben haben. Zur Zeit des Elija war davon nicht mehr viel zu spüren. Die zehn Stämme des Nordreiches und die zwei Stämme des Südreiches waren voneinander abgespalten. Eilja ersehnte sich die Wiedervereinigung aller Stämme.
Elija war Gott treu und er hat die Aufforderung sehr wörtlich genommen, er hatte sich den einen Gott wirklich ins Herz geschrieben und setzte sich mit voller Kraft für diesen Gott ein. Er lebte zu einer Zeit, als das jüdische Volk im Nordreich sich von Gott abgewandt und wiederum dem Götzendienst zugewandt hatte. Die Verantwortung dafür sah er bei der Frau von König Ahab – Isebel. Sie steht für Elija in der Verantwortung des Mordes an Propheten und Priestern und einer mehr als drei Jahre anhaltenden Dürre im Land. Ahab wiederum sieht die Verantwortung dafür bei Elija. Es kommt zu einem regelrechten Showdown am Berg Karmel. Beide Seiten sollen einen Stier auf Holz legen und der, dessen Gott das Feuer entfachen kann, hat den Wettstreit gewonnen und der wahre Gott ist ermittelt. Elija schlägt diese göttliche Machtprobe vor. Der eine Gott Elija‘s siegt. Im Taumel des Gewinns tötet Elija alle 450 Baalspriester. Der lang ersehnte Regen setzt ein. Isebel wird rasend vor Zorn, als sie von diesen Ereignissen hört, und schwört Rache. Elija muss fliehen. Erschöpft von der Wüstenwanderung setzt er sich in den Schatten eines Strauches und bittet Gott um seinen Tod. Obwohl er vermeintlich gewonnen hat, ist er am Ende. Er ist verzweifelt und will nicht mehr leben. Er hat alles gegeben und ist doch gescheitert. Und das gleich mehrfach. Die Wiedervereinigung der beiden Teile Israels bleibt unerreicht, Elija hat Gott instrumentalisiert – ähnlich wie es die Baal-Anhänger mit ihren Göttern taten und er wurde sogar zum Massenmörder.
Wir erleben nun keinen strafenden oder maßregelnden Gott, sondern seine Pädagogik. Erlösung von Verfehlung und Schuld findet man nicht in Resignation oder in Todesflucht. Gott geht es nicht um Strafe. Ja ,Elija hat gefehlt, aber Gott lässt Elija nicht im Stich. Zuerst erhält er leibliche Stärkung, denn der Weg ist noch weit. Er wird zum Gottesberg Horeb geleitet. Jenem Berg, auf dem Mose die zehn Gebote erhielt. Gott offenbarte sich dort auch dem Elija, aber nicht mit Donner und Naturgewalten, sondern ganz unerwartet – in einem sanften, leisen Säuseln. Warum offenbart sich Gott gerade am Berg Horeb dem Eiija und warum in dieser Form? Eilja wusste, wofür dieser Berg steht – eben für die Übergabe der zehn Gebote. Gott möchte Elija seine verfehlte Engdeutung vor Augen führen.
Natürlich ist Gott der einzige Gott und er soll geliebt werden, aber dieser Text folgt auf die zehn Gebote. Davor stehen die zehn Worte, die die Beziehung zwischen Mensch und Gott und zwischen den Menschen ineinanderfügen wollen. Auf der einen Seite der Steintafel standen die Gebote, die die Beziehung mit Gott beschreiben und auf der anderen Seite jene, die für einen achtsamen Umgang zwischen den Menschen stehen. Es sind zwei Seiten einer Medaille und dürfen nicht auseinandergerissen werden. Genau dieser Fehler ist Elija passiert. Voller Gotteifer hat er die Würde der Menschen missachtet – die Würde des menschlichen Lebens.
Eilja hat das Fremdgötterverbot und das Glaubensbekenntnis über alle anderen Gebote gestellt. Elija hat gegen das sogenannte Bilderverbot verstoßen, indem er meinte, selbst beurteilen zu können, was Gott wolle, er meinte die Absichten Gottes zu kennen. Er hat im übertragenen Sinn gegen das Sabbatgebot verstoßen. In seinem Eifer ist ihm die Ruhe abhandengekommen, der Tag der Rückbindung und des Nachsinnens über Gott. Damit ist sein Gottesbild entartet. Weil er das Glaubensbekenntnis über andere Gebote der Gottes- und Menschenbeziehung gestellt hat, hat er schlussendlich im Zwischenmenschlichen gefehlt – er hat getötet.
Elija führt uns vor Augen, dass man kein Gebot emporstilisieren und aus dem Zusammenhang reißen soll, denn dann gerät die göttliche Pädagogik aus dem Ruder. Gott geht es nicht um überschießenden Eifer, sondern um Ausgewogenheit. Im heutigen Evangelium spricht Jesus: „alle werden Schüler Gottes sein“. Es geht um das Lernen über die Beziehung zu Gott und zu den Menschen. Die Woche hat sieben Tage. Sechs dienen dem Weltgeschehen, der Sabbat dient der Beziehungspflege zwischen Gott und Mensch. Er dient dem prüfenden Blick der Ausgeglichenheit, der Rückbindung, dem rechten Maß – die biblischen Texte sollen uns jeweils dazu animieren.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem ersten Buch der Könige anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Éphesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
3 Kommentare zu “Zwei Seiten einer Medaille 1. Lesung: 1 Kön 19,4-8| 2. Lesung: Eph 4,30-5,2| Evangelium: Joh 6,41-51”
Die Verbindung zu Gott ist für mich das tägliche Gebet. Gib uns unser tägliches Brot, heißt es im “Vater unser”. Die geistliche Nahrung, um die wir bitten, ist unsere Lebenskraft. Vergib uns unsere Schuld, befreit uns und wir können leichter unseren Weg gehen. Der Sabbat gibt uns die Möglichkeit, Regulierungen im Dasein vorzunehmen. Die 10 Gebote sind für mich dabei sehr hilfreich.
Gesegnete Grüße
Ich finde, dass die Vorstellung von 2 Gebotstafeln im Menschen eine Spaltung verursachen kann.
Es wäre zu kurz gegriffen zu denken, dass sich die ersten 3 Gebote vor allem auf die Priester beziehen und die restlichen auf die Laien.
Wenn Paulus sagt:“ In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, dann sind die Gebote nicht nacheinander zu beachten, sondern durchdringen einander. Dann sollen Sein und Wirken „Gottesdienst“ sein.
Br. Lorenz formuliert es so:
„Es ist ein großer Irrtum zu glauben, die Zeit des Gebetes müsse sich von der übrigen Zeit unterscheiden. Nein!
Es ist uns aufgegeben, bei Gott zu sein in der Zeit der Arbeit durch die Arbeit und zur Zeit des Gebetes durch das Gebet.
Beten ist nichts anderes als in der Gegenwart Gottes zu leben.“
In dieser Gegenwart sind wir einander sehr nahe und verbunden.
Gott sei Dank nebst einem geschwisterlichen Danke!
Vielen herzlichen Dank für die Rückmeldung. Ich denke, auch nicht, dass die zwei Tafeln getrennt zu beachten sind. Mein Zugang war auch nicht, dass sich eine Hälfte an Priester und die andere an Laien wenden würde, sondern, dass die eine Seite der Tafeln die Beziehung zwischen Gott und Mensch behandelt und die andere Seite die Beziehung zwischen den Menschen und beide Hälften eine Einheit bilden.