Hunger nach einem sinnerfüllten, glückenden Leben 1. Lesung: Spr 9,1-6| 2. Lesung: Eph 5,15-20| Evangelium: Joh 6,51-58
Vor uns liegt ein Abschnitt einer längeren Rede Jesu, die er im Anschluss einer „Brotvermehrung“ (Joh 6,1-13) hält. Ohne diesen größeren Zusammenhang bleibt der Text unverständlich. Über fünftausend Männer, dazu noch Frauen und Kinder wurden satt. Es hat die Menschen so sehr beeindruckt, dass die Leute zu Jesus kommen, um ihn in ihre Gewalt zu bringen – so heißt es – und ihn zum König zu machen (Joh 6,15). Der Wunsch des Volkes bei der herrschenden Armut ist nachvollziehbar. Mehr als neunzig Prozent der Menschen leben an der Armutsgrenze. Es durfte nichts passieren, kein Unfall, keine Krankheit, sonst bedeutete es für die Familie Hunger. Ihn – Jesus – als König zu haben, der allen Brot gibt, ist ein nachvollziehbarer Wunsch.
Diesem Wunsch kommt Jesus allerdings nicht nach. Er lässt die Menge zurück und geht auf einen Berg um allein zu sein. Er flieht eine Versuchung. Am Abend als es bereits dunkel wurde bestiegen die Jünger ein Boot und erleben einen heftigen Seesturm. Sie fürchten unterzugehen. Ihnen kommt Jesus über den See mit den Worten entgegen: „Ich bin es: fürchtet euch nicht!“ (Joh 6,20). Mit ihm erreichen sie sicher das Ufer. Das Unterwegssein allein ohne Jesus macht den Jüngern Angst. Sie machen diese Erfahrung erneut nach dem Karfreitag, nach dem Tod Jesu. Sie sind zwar nicht auf dem See, sondern eingesperrt im Abendmahlssaal, aber sie haben wieder Angst. Es braucht Zeit, bis sie erneut seine Gegenwart erkennen und die Stimme hören: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19).
Das Volk aber lässt sich nicht so leicht abschütteln. Sie suchen Jesus am nächsten Tag. Als sie ihn finden, sagt er zu ihnen: „Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (Joh 6,26). Und er ergänzt: „Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird!“ (Joh 6,27).
Es erhebt sich die Frage: Welches Brot suchen wir bei Jesus, das er nicht bereit ist zu geben? Das er vielleicht nicht geben kann oder will? Es gibt Brot, das den Hunger nicht stillt. Es gibt satte Menschen, die sind unzufrieden mit sich und der Welt.
Nun zurück zum Evangelium und zu der Aussage: „Ich bin das lebendige Brot, das Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich gebe werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (6,51).
Neben vielen Aspekten dieser Rede macht Jesus auf einen besonders aufmerksam, nämlich, dass er kein König sein will, der über Menschen herrscht, sie für seine Dienste nutzt und benutzt, sie von seinen Gunsten zu Abhängigen macht. Vielmehr versteht er sich selbst als „Brot“, als „lebendiges Brot“. Er bietet sich ihnen an, dass sie von seinem Geist, von seinem Vertrauen zum Vater, von seiner Lebensweisheit und -kraft lernen. Er trägt ein Leben in sich, dass ihm weder Hass noch Gewalt nehmen können. Wir sind eingeladen von diesem „Lebensbrot“, das er zu geben hat, „zu essen“.
In diesem Bild „ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ bietet er sich als Diener an. Jesus hat jenen, die ihm nachfolgten, nicht ein besseres oder leichteres Leben versprochen. Er hat die Menschen nicht mit falschen Hoffnungen geködert. Er hat ein anderes Brot. Er ist heute noch Brot, lebendiges Brot; Brot, das ins Leben führt.
Ein weiterer Hintergrund der Rede bildet die Auseinandersetzung mit der Gnosis, die am Ende des 1. Jhd. aufkommt. Die Anhänger der Gnosis leugnen das wahre Menschsein Jesu. Jesus habe nur einen Scheinleib gehabt. Er habe nicht wirklich gelitten. Er sei auch nicht am Kreuz gestorben, sondern unmittelbar zu Gott in den Himmel zurückgekehrt. Sie leugneten das Menschsein, das Brudersein Jesu.
Der Evangelist Johannes stellt sich diesen Vorstellungen entgegen. Wir kennen den Satz: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Jesus ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, einer von uns, einer, der wie jeder andere Mensch unter der Hitze leidet, der versucht wird, der Schmerz empfindet, der auf Nahrung angewiesen ist, der geliebt werden will ….
Weil Jesus ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden ist, einer von uns, der herabgestiegen ist in unsere Welt – oder wie es manche Theologen formulieren: „ein herabgekommener Gott“ -, dürfen wir glauben, dass er den Hunger der Menschen kennt, vor allem auch den Hunger nach einem sinnerfüllten, glückenden Leben.
Auf diesem Hintergrund nochmals Sätze aus dem Evangelium. Jesus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.“ Dann begann ein Streit unter den Zuhörern.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch der Sprichwörter anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Éphesus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
4 Kommentare zu “Hunger nach einem sinnerfüllten, glückenden Leben 1. Lesung: Spr 9,1-6| 2. Lesung: Eph 5,15-20| Evangelium: Joh 6,51-58”
Wenn ich das Radio aufdrehe und die Nachrichten höre, sehne ich mich manchmal nach “guten Meldungen”. Statt dessen ist es Krieg, Hunger (nicht nur in afrikanischen Ländern) und weitere negative Meldungen, welche mich oft bedrücken. Dann überkommt mich auch der Gedanke, was Jesus heute uns VorarlbergerInnen sagen würde, die wir in einem Land leben wo “Milch und Honig” fließen? Aber ich bin auch für jene Nachrichten, z.B. am Sonntag früh in Ö1 dankbar, in denen das Evangelium vorgelesen und die Impulse dazu aufgezeigt werden. Das gibt mir Hoffnung und Zuversicht und dass diese für mich oft sehr sinnreichen und tröstenden Gedanken nicht nur mich stärken. Jesus als Brot zu sehen und daran auch glauben zu dürfen, welches jenen Hunger zu stillen vermag, der auch über dieses Leben hinaus, jenes Glück verspricht für das es sich, über dieses Leben hinaus, zu leben lohnt.
Was mir für ein sinnerfülltes, glückendes Leben hilft?
Meine Lebenserfahrungen bzw. meine Lebensweisheiten.
1. ich darf Fehler machen
2. ich darf mir was gönnen
3. ich darf anderen vertrauen
4. ich bin genug
5. ich brauche nicht alles wissen
6. ich bin wertvoll
7..ich darf sein, wie ich bin
8. ich darf Verantwortung abgeben
9. ich darf mich mitteilen
Gesegnete Grüße
Ich habe eine Bitte.
Die vielen Schriftstellen zum umfassenden Symbol BROT sind verstehbar. Denn Brot ist auch seelische Nahrung. Aber ratlos bleibe ich bei den “fleischlichen Aussagen”. Da heißt es von Jesus: “Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.” Schon unsere Kinder sprachen von religiösem Kannibalismus. Wie kann man dem heutigen Menschen eine fundierte Erklärung geben ohne in eine unverständliche Theologensprache zu verfallen um am Ende zu sagen: Geheimnis des Glaubens. Einige Predigten habe ich gelesen, aber über diese blutige Vorstellung schweigt man sich aus. Also eine Aufgabe fürs Bibellabor.
“Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.”
Ich danke für die Anfrage, denn sie dient dazu einem Thema intensiver nachzugehen. Meine Herangehensweise ist einer der möglichen Zugänge zum Verständnis dieser Schriftstelle bei Johannes.
Johannes steht in der Auseinandersetzung mit der sogenannten „Gnosis“. Sie geht von einem dualistischen Weltbild aus. Es gibt Licht und Finsternis, die Guten und die Bösen. Das Böse ist von Anfang an in der Welt. Die Erlösung erfolgt durch den Erkenntnisprozess von Gut und Böse. Es hat zur Folge, dass der „Geist“, die „geistige Welt“ geschätzt und das „Fleisch“, der „Leib“, die „körperliche Welt“ abgewertet werden. Es gab eine Strömung in der Kirche, die behaupteten, Jesus sei kein richtiger Mensch gewesen, sondern ein „Geistwesen“, der über das Leibliche und damit auch über die Schmerzen erhaben war. Der Evangelist Johannes wirkt diesem Dualismus (zumindest in der Endfassung) entgegen. Es beginnt bereits im Prolog mit der Feststellung: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt…“ (Joh 1,14a). Damit hält der Evangelist fest, dass Jesus ganz und gar Mensch war, Durst und Hunger hatte wie jeder Mensch, leidempfindlich war und vor allem auch dem Sterben und Tod ausgeliefert war wie alle Menschen.
Diese Auseinandersetzung mit der Gnosis greift der Evangelist Johannes in seinem Evangelium immer wieder auf, so auch in der sogenannten Brotrede im sechsten Kapitel: „Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ (Joh 6,41). “Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (Joh 6,53b). „Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 6,58c) Es ist als Bildsprache zu deuten. Jesus spricht den ganzen Menschen mit Geist, Seele und Leib an. Als ganzer Mensch soll er befreit, erlöst, geliebt, aufgerichtet und geheilt werden.
Ein weiterer Aspekt liegt in der Formulierung: “Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ Es geht in dieser Bildersprache um eine intensive Beziehung. Vielleicht ist es eine Hilfe, wenn wir andere Beispiele heranziehen, wie z.B. ein Franz Jägerstätter, ein Provikar Carl Lampert, ein Nelson Mandela u.a.m. Die Lebensgeschichte dieser Menschen, ihre Haltungen, ihr Umgang mit Gewalt hat vielen Menschen damals „zu knappern“ gegeben und sie geben es bis heute. Auch der griechische Urtext bei Johannes kann mit „Beißen“, „Knappern“ übersetzt werden. Mit anderen Worten: Wer sich nur oberflächlich mit Jesus und seiner Botschaft beschäftigt, wird dieses von ihm ausgehende Leben nicht entdecken. Erst eine wirkliche Auseinandersetzung, ein Ringen mit ihm und seiner Botschaft und das von ihm hinterfragen, stärken und kräftigen lassen, verändert und verwandelt. Ein Brot, das länger gekaut wird, verändert den Geschmack. Jesus Christus, der als Gott und Mensch gesehen, meditiert, verinnerlicht und gekaut wird, gibt dem Leben neuen Geschmack.