Den Verstand übersteigend 1. Lesung: Apg 3,12a.13-15.17-19| 2. Lesung: 1 Joh 2,1-5a| Evangelium: Lk 24,35-48
Bischof Reinhold Stecher von Innsbruck (1921-2013) war ein mitreißender Redner, der einmal in einem Vortrag erklärte: In einer Frage des Glaubens bin ich ein Fundamentalist, nämlich in der Frage der Auferstehung. Mit dem Verstand allein kann man sie nicht erklären. Sie übersteigt den Verstand.
Das heutige Evangelium nach Lukas macht den Eindruck als würde er dem Bischof, beziehungsweise der Bischof dem Lukas widersprechen. Mit unterschiedlichsten Argumenten versucht Lukas einen Zugang zum Verständnis der Auferstehung zu schaffen. Er argumentiert, aber ohne eine letzte Gewissheit schaffen zu können. Er argumentiert, weil er gegen Missdeutungen oder Fehlinterpretationen angeht. Einigen Aspekten des Lukas versuche ich nachzugehen:
Eine erste Einordnung: Wie kann man sich die Begegnung mit dem Auferstandenen vorstellen? Viele wichtige Erfahrungen des Menschen sind Realitäten, bleiben aber unsichtbar, wie: Vertrauen, Liebe, Freundschaft, Versöhnung, Angst, Feindschaft, Trauer u.a. Sie alle haben auf das Leben große Auswirkungen. Es wird nur wenig Menschen geben, die sagen müssten, ich bin nie dem Vertrauen, der Liebe oder einer Freundschaft begegnet. Das Leben ist mehr als die sichtbare, begreifbare Welt. Der Auferstandene begegnet uns in diesen „unsichtbaren“ Begegnungen.
Lukas erzählt zunächst von solchen Erfahrungen, in denen der Auferstandene Menschen begegnet. So ist er mit Menschen unterwegs und bleibt unerkannt (auf dem Weg nach Emmaus). Sie erkennen ihn beim Brotbrechen, im dankbaren Teilen.
Lukas erzählt von einer weiteren Erfahrung, die er mit dem Auferstandenen unmittelbar in Verbindung bringt. Wo dem Auferstandenen Raum gegeben wird, ER in die Mitte einer Gemeinschaft kommt, wächst Frieden (Schalom). Es ist ein eintretender Friede – und das mag überraschen –, so schreibt Lukas, der Menschen in große Angst versetzt. Ein überraschender, alle Erwartungen überbietender Friede geht vom Auferstandenen aus. Ich bin da an Petrus erinnert, der nach seiner Verleugnung das neue Angenommensein erfährt: Herr du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe (Joh 21,17). Ähnlich ergeht es Thomas, der die Wunden des Auferstandenen sehen und in sie hineingreifen will. Es bleibt ihm dann der Ruf: Mein Herr und mein Gott (Joh 20,28). Beide, Petrus und Thomas erfahren eine für sie überwältigende Annahme und Zuwendung.
Lukas wehrt einer weiteren Fehldeutung. Sie halten den Auferstandenen für einen Geist. Man mag fragen, warum wehren sich die Evangelisten von Anfang an so entschieden gegen diese Vorstellung der Auferstehung ohne Leib? Wie die Vorstellung eines seelenlosen Menschen unvorstellbar ist, so ist auch die Vorstellung eines körperlosen Menschen unvorstellbar. Jesus hat Fleisch angenommen, wie es später im Glaubensbekenntnis heißt. Lukas hält fest, dass dies auch nach dem Tod gültig bleibt. Ein körperloser Mensch wäre kein Mensch mehr. Die Auferstehung ist keine Rückkehr in das irdische Leben wie bei den Totenerweckungen. Sie ist ein Übergang in die Fülle des Lebens, und die ist für einen Menschen nur möglich, wenn er auch körperhaft ist, so sehr wir dann auch über die Beschaffenheit dieses Körpers spekulieren können, der nicht mehr stirbt.
Lukas erwähnt dann, dass der Auferstandene fragt: Habt ihr etwas zu essen hier? Sie boten ihm ein Stück gebratenem Fisch. Er nahm und aß. Wenn wir an dieses Bild mit der Frage herangehen: Ist das wahr?, so werden wir nicht den tieferen Sinn verstehen. Es gilt zu fragen: Was will Lukas vielmehr mit diesem Bild kundtun?
Das Festhalten an der Körperlichkeit leitet sich ab vom Glauben, dass der Mensch mit dem Körper ein Geschöpf Gottes ist. Im Weiteren wird begründet, dass alle Erfahrungen eines Menschen mit dem Körper von Bedeutung bleiben, und dass die Sorge um den Körper einen wesentlichen Grund im Auferstehungsglauben hat. Seine Bestimmung ist die Fülle des Lebens.
Lukas hebt dann hervor, dass der Glaube an die Auferstehung sich von der Schrift herleitet, von den Büchern des Moses, den Propheten und Psalmen. Sie ist eine Konsequenz all der Verheißungen, die wir dort finden. Lukas fügt hinzu: Darauf öffnete er – der Auferstandene – ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. Es ist der Auferstandene selbst, der zunächst den Jüngern einen eigenen Zugang für das Verständnis der Schrift schafft. Wir können auch sagen, wenn wir die Schrift mit der Brille des Auferstandenen lesen, erhält sie einen besonderen Sinn, erschließen sich neue Perspektiven für das Leben und für den Glauben.
Der Glaube an die Auferstehung sprengt den menschlichen Verstand. Er ist weit mehr als Worte oder Bilder darzustellen vermögen. Und doch braucht es Worte und Bilder, um erahnen zu können, worauf das Leben hinzielt. Lukas steht als Beispiel dieses Versuches.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Johannesbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.