Treue Verbundenheit 1. Lesung: Jer 31,31-34| 2. Lesung: Hebr 5,7-9| Evangelium: Joh 12,20-33
Vor wenigen Sonntagen haben wir die Stelle von der Bindung Isaaks gehört. Weil Abraham seinen einzigen Sohn an Gott gebunden und ihm nicht vorenthalten hat, will Gott ihm Segen schenken in Fülle und seine Nachkommen überaus zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand. Segnen werden sich mit seinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil Abraham auf die Stimme Gottes gehört hat. So wurde Abraham Stammvater des Volkes Israel – Fundament und Grundstein. Die Bibel erzählt uns von zahlreichen Bundesschlüssen Gottes mit den Menschen und dem Volke Israels. Die Bibel beschönigt nicht und berichtet auch davon, wie die Bünde von den Menschen gebrochen werden und Gott – man könnte sagen ganz vernarrt in dieses Volk – immer wieder Nachsicht übt, die Bünde erneuert und sogar erweitert.
Während die ersten Bünde Zusagen Gottes sind, erscheinen spätere Bünde wie einseitige Vertragsabschlüsse und im Anschluss sogar als Vereinbarungen gleichwertiger Parteien. Der Bundesschluss, von dem uns in der heutigen Lesung aus dem Buch Jeremia berichtet wird, geht einen Schritt weiter. Nachdem offensichtlich die formalen, nach „weltlichen“ Regelungen geschlossenen Bünde vom Volk Israel nicht eingehalten werden wollen oder können, geht Gott einen Schritt weiter und treibt den Bund fast über die Absurdität hinaus. Er nimmt einen Anlauf zu einer ganz neuen Form von Bund – einer Liebesbeziehung: „Sondern so wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein“ (Jer 31,33). Der Bund soll zu einer Liebesbeziehung werden, der keiner mehr auskommt. Gott hat sein Volk als ein untreues Volk erlebt, herbe Enttäuschungen erlitten. Er muss doch eigentlich damit rechnen, dass auch dieser Liebesbund früher oder später von den Menschen gebrochen wird.
Im Islam gibt es 99 Namen Gottes. Diese unterschiedlichen Wesenszuschreibungen sind ein Versuch sich Gott zu nähern, sich ein Verständnis von ihm machen zu können. Einer der Namen ist „der Zeuge“. Wenn ein Mensch leidend ist, fühlt er sich einsam. Selbst wenn er versucht, sein Schicksal in Worte zu fassen, wird er vielleicht Zuhörende finden, aber niemand kann sein Schicksal wirklich erfassen und kann mit ihm mitleiden. David Steindl-Rast schreibt dazu: „Da wünschen wir uns zwar nicht, dass jemand anderer ebenso leiden müsste, aber wir ersehnen uns jemanden, der wenigstens darum weiß, wie schwer wir leiden, einen Zeugen also … einen Zeugen, der Anteil nimmt“.
Gott schenkt den Menschen viele Zusagen und Erlebnisse seines Daseins – das ganze erste Testament berichtet davon. Das zweite bzw. neue Testament ist eine Erzählung der Zeugenschaft Gottes, dieser treuen Verbundenheit, die nicht nur aus wörtlichen Zuwendungen bestehen will, sondern den Liebesbund in die Absurdität steigert. Gott inkarniert sich in menschliches Leben, um wahrhafter Zeuge unserer Lebensrealität zu werden. Er will uns nicht nur wohlfeine, tröstende Worte aus einer anderen Welt zusprechen, nein er will ganz zum menschlichen DU – zum Leidensgenossen – werden.
Jesus ist als Sohn die Versinnbildlichung seiner selbst, wird Zeuge äußersten Leidens, erspart sich nichts. Gott gibt sich einer Liebe hin, der unglaubliche menschliche Gewalt angetan wird. Nicht einmal der Tod des Sohnes – seines menschlichen Ebenbildes kann von IHM trennen. So erzählt uns der Evangelist Johannes. Auf den Zuruf von Jesus: „Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. …Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,27-28.30-31).
Diese Worte sind nochmals eine Steigerungsform des Bundes bei Jeremia. Die Erzählweise entspricht dem hebräischen zirkulären (kreisenden) Denken. Gott windet sich trotz aller negativen Erfahrungen und Rückschläge mit den Menschen zu immer höheren Liebesbezeugungen. Insofern entsprechen die Bezeichnungen unseres linearen Denkens von neuen und alten Bünden – die Anfang und Ende haben – nicht dem hebräischen Zugang. Gott windet sich in höchste Höhen einer Liebe, die kein Ende kennt.
Am Beginn des Evangeliums gibt es einen Hinweis, der beim ersten Lesen fast überflüssig erscheint, aber genau diese ersten Zeilen leiten uns zu einer erneuten Erweiterung des Bundes Gottes mit den Menschen hin.
Zum Paschafest kamen auch einige Griechen nach Jerusalem. Wir wissen nicht, ob sie aus Interesse kamen, gehörten sie etwa z.B. als Träger zum Begleittross der jüdischen Pilger oder aber kamen sie auch, um Gott in Jerusalem anzubeten – der Text ist hier wenig konkret. In Jerusalem angekommen wandten sie sich an Philippus – einem Jünger Jesu – der aus Betsaida stammte. Betsaida bedeutet Haus des Fischfanges. So wendeten sie sich an einen Menschenfischer aus dem Haus des Fischfanges. Man kann daraus ableiten, dass ihnen vom Verfasser des Evangeliums ein ehrliches Interesse beschieden wurde und uns im Zusammenhang mit den weiteren Zeilen verdeutlich werden soll, was es meint, Menschenfischer zu sein. Die Jünger aus Betsaida tun sich zusammen, gehen zu Jesus und erzählen ihm vom Interesse der Griechen.
Wir meinen, dass Jesus auf die Frage der Jünger nicht eingeht. Wenn wir uns aber vor Augen halten, dass die Evangelien als Untergrundschriften in Zeiten der Verfolgung geschrieben worden sind und den Text ganz genau lesen, wird uns hier die Erweiterung des Bundes Gottes mit allen Menschen beschrieben, denn „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren (Joh 12,26). Einfach einer – egal ob Jude ob Grieche. „Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,31-32). Gott bekundet mit einer Stimme vom Himmel: „Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen“. Es ist die Zusagen bei Jeremia geschrieben: „Spruch des Herrn. Denn ich vergebe ihre Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ (Jer 31,34) Auch den Tod seines Sohnes ist Gott bereit, zu vergeben. Jesus bekennt: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“. ALLE. Jesus wird zum Anwalt aller Menschen bei Gericht, die sich in die Zeugenschaft der Wesenseigenschaften Gottes begeben.
Menschenfischer sein, bedeutet sich an alle Menschen zu wenden und das heutige Evangelium will uns in Erinnerung rufen, dass der Segen des Abraham allen Völkern gilt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremia anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.