Neu das Wünschen lernen 1.Lesung: Jer 33,14-16| 2.Lesung: 1 Thess 3,12-4,2 Evangelium: Lk 21,25-28.34-36
Man sollte nicht übertreiben und „die Kirche im Dorf lassen“, aber beim Lesen der Worte des heutigen Evangeliums wird einem schon etwas bange. Die Formulierung: „und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres“ (Lk X,25), wirkt sehr aktuell.
Wahlergebnisse in Europa und in den USA, die einen nachdenklich machen und das Ausmaß von Sorgen und Nöten von Menschen verdeutlichen. Die Hochwasserkatastrophe im Osten Österreichs, die uns die Auswirkungen der Klimaveränderung im eigenen Land haben spüren lassen. Die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine, die kein Ende nehmen wollen und die Spirale von Gewalt und Leid ins Unvorstellbare treiben. Die Nachrichten von Betriebsschließungen und die Steigerung der Arbeitslosenzahlen. Macht sich vor all dem nicht auch in und um uns Ratlosigkeit breit?
Die Herausforderungen in vielen Ländern der Welt sind groß und die Erwartung einer Gestalt, die „mit großer Kraft und Herrlichkeit“ (Lk 21, 27) einbricht nimmt zu, aber sie kommt nicht. Zumindest nicht so, wie sie den Vorstellungen entspricht.
In den nächsten Wochen werden in allen möglichen Formaten Jahresrückblicke veröffentlicht. Wie soll man die Frustration, die Enttäuschung, die Düsternis des auslaufenden Jahres hinter sich lassen, wenn man nicht das Gefühl haben kann, dass es nächstes Jahr besser wird?
Der römische Philosoph Seneca hat schon vor zweitausend Jahren dazu aufgerufen, bewusster im Augenblick zu leben. „Jetzt sollst du leben“, mahnte er. Aber wie macht man das sinnvoll unter solchen Gegebenheiten? Einige Hilfestellungen lassen sich aus dem heutigen Evangelium ableiten.
Wir sollen nicht fatalistisch werden, das heißt, dass wir uns nicht in ein vermutetes, nicht abänderliches Schicksal ergeben lassen und resignieren. Das Evangelium warnt diesbezüglich vor vermeintlichen „Hilfsmitteln“: Rausch und Trunkenheit. Man soll trotz aller Sorgen des Alltags das Herz nicht beschweren. Aber warum? Damit wir nicht überrascht werden. Damit wir offene Augen und Ohren haben können, wenn sich sogenannte „Mondfenster“ auftun. Im Buch Exodus wurde das Volk in Not und Bedrängnis aufgefordert: den Stock in der Hand zu halten, gegürtet zu sein und die Schuhe an den Füßen zu haben. Also bereit zum jederzeitigen Aufbruch.
Biblisch geht es gerade in solchen Situationen nicht um Perspektivlosigkeit. Man soll eben nicht den Kopf in den Sand stecken, nein man soll aufgerichtet sein und erhobenen Hauptes das gestalten, was gestaltbar ist – und das ist nicht wenig. Es liegt ja noch einiges in unserer Macht, was die Zustände zum Besseren wenden könnte, zumindest in unserem engen Umfeld und in unserem Land.
Das setzt aber voraus, dass wir noch an eine Zukunft glauben. Es scheint, als hätten wir sie aus dem Auge verloren. Aus verständlichen Gründen fehlt uns vielleicht derzeit das große Bild. Es fehlt uns die Vorstellungskraft wie sie jenseits unserer Bilder der Vergangenheit aussehen könnte. Die Lebensqualität ist nicht nur abhängig davon, was man bisher erreicht hat oder wo man gerade steht, sondern auch von dem, was man sich überhaupt noch erwartet.
Der jüdisch-deutsche Philosoph Ernst Bloch schrieb ein Buch mit dem Namen: “Das Prinzip Hoffnung”. Kurz zusammengefasst meint er, dass es darauf ankäme, das Hoffen zu lernen. Ein Hoffen allerdings, das nicht stur auf bessere Zeiten wartet, sondern im “Dunkel des gelebten Augenblicks” an ihrem Gelingen mitwirkt.
Seneca hat sich die Antwort auf die Frage, was das größte Hindernis sei, im Jetzt zu leben, selbst gegeben. Es sei, sagte er, die Erwartung, die uns an das Morgen binde und uns das Heute verlieren lasse. Unsere Wünsche für das Morgen gehen immer noch ins Maßlose. Längst schon haben sie das Ausmaß des eigentlich Möglichen überschritten. In vielen Fällen zerstören sie Beziehungen, zerstören die Natur, zerstören das Leben. Wir wünschen uns immer mehr und Größeres.
Wir gehen gerade auf das Konsumfest des Jahres zu. Heute feiern wir den ersten Advent, den Beginn der Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Bedeutet das nun, dass wir uns nichts mehr wünschen dürfen? Der Jesuit Gustav Schörghofer meint, dass wir das Wünschen neu lernen müssen. „Wie entdecke ich in mir von Neuem die Sehnsucht? Wie erwacht in mir ein Begehren jenseits des Konsumzwangs?“ Er meint, dass sich der Überfluss des Lebens dort entdecken lässt, wo Hingabe geschenkt wird.
Es gibt keinen Grund zur Resignation, wir haben noch unzählige Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür macht es vielleicht Sinn unsere Wunschlisten zu überdenken, die in der Vergangenheit mehr genommen, als gegeben und sogar die Zukunft belehnt haben. Der Advent kann uns nach wie vor dazu einladen, Wunschlisten zu erstellen, aber nicht als Vorbereitung auf ein Konsumfest, sondern auf ein Fest der Hingabe oder etwas moderner ausgedrückt des Verschenkens von Zeit, menschlicher Wärme, Zuwendung, Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Rücksichtnahme … eine nicht enden wollende Wunschliste von Gestaltungsmöglichkeiten tut sich dann auf.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremia anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Thessalónich anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Neu das Wünschen lernen 1.Lesung: Jer 33,14-16| 2.Lesung: 1 Thess 3,12-4,2 Evangelium: Lk 21,25-28.34-36”
Wie schaffe ich Veränderung?
Mein Leben war von Geburt an nicht so einfach. Meine Eltern erlebten in ihrer Jugend den 2. Weltkrieg -Vater als Soldat mit Gefangenschaft in Russland, Mutter als überforderter Teenager (Tod des Vaters mit 9 Jahren)-. In ihrer Ehe waren ihre Seelen sehr mit Angst besetzt. Diese Angst wurde unbewusst auf uns (3Kinder) übertragen.
Mit 34 Jahren machte ich mich intensiver auf den Weg meine damalige Lebenssituation zu verstehen mit der Hoffnung, sie verändern zu können. Durch eine mehrjährige Ausbildung (neben meinen Beruf) im Entspannungsbereich wurde ich gelassener, hatte eine andere Einstellung zum Leben und mehr Vertrauen ins Leben und in die Liebe. Die Weitergabe dieser Geschenke war für mich selbstverständlich. Natürlich war dazu sehr viel Mut notwendig.
Ich würde mir wünschen, dass verantwortliche Staatsführer ihr Gedankengut auch überdenken, damit diese Welt friedvoller, vergebungsbereiter wird und das es zu mehr gemeinsamen Miteinander der Menschheit kommt.