Freude am Gestalten 1. Lesung: Bar 5,1-9| 2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11| Evangelium: Lk 3,1-6
Wir haben am Beginn des Evangeliums die Auflistung großer Namen gehört: Kaiser Tiberius, Stadthalter Pilatus, Tetrachen von Palästina, schließlich auch die Hohenpriester. Es geht dem Evangelisten nicht nur um die historische Rückbindung in eine bestimmte Zeit. Lukas will uns damit mehr sagen. Diese genannten Personen sitzen an den politischen, gesellschaftlichen und religiösen Schalthebeln der damaligen Welt. Sie treffen Entscheidungen. Sie bestimmen das Schicksal vieler Menschen. Manche von ihnen lassen sich feiern und verehren. Ihr Interesse ist es, die Länder zu befrieden, wenn nötig auch mit Gewalt. Es muss Ordnung herrschen. Die konkreten Menschen, die gesellschaftlichen Gräben, Schluchten und Unebenheiten interessieren sie nicht.
Das Evangelium nennt die Namen am Beginn, im weiteren Verlauf des Evangeliums kommen sie praktisch nicht mehr vor. Erst in der Passion hören wir wieder teilweise von ihnen: die Hohenpriester als Gegner Jesu und von Pilatus in der Rolle des Richters. Sie werden praktisch nicht mehr erwähnt. Sie sind keine Hoffnungsträger. Sie stehen daneben. Vielleicht würde man heute sagen: sie haben den Kontakt zur Basis, zu den Menschen verloren. Lukas verzichtet hier auf jede Polemik. Er macht aber deutlich, die Hoffnung braucht eine andere Quelle. Da ist z.B. ein Mann, der in die Wüste hinausgegangen ist, nicht um sich feiern und verehren zu lassen, sondern der sich für eine neue Sehweise schult, der diese gesellschaftlichen Gräben, Schluchten und Furchen in den Blick nimmt und sich daran macht, mit Gleichgesinnten einen neuen Weg zu beginnen.
Erneuerungen, nachhaltige Veränderungen – davon erzählt die Bibel in vielen Geschichten und Gleichnissen – gehen von den einfachen Menschen aus. Starrt nicht nach „oben“ und hofft nicht auf die Almosen der Eliten, sondern nehmt das Leben selbst in die Hand, so könnte man den ersten Teil des Evangeliums zusammenfassen und umschreiben.
Es gab und gibt Ausnahmen, das darf nicht verschwiegen werden, aber ein Bild für den kleinen Anfang ist z.B. das Gleichnis vom Sauerteig, der die ganze Masse durchsäuert, oder das Senfkorn, das in die Erde fällt und zu einem riesigen Baum heranwächst, in dem die Vögel ihre Nistplätze finden. Die Basis – du und ich – tragen den Keim des Neuanfangs, den Keim des Reiches Gottes in uns.
Johannes schult zunächst seine Sichtweise mit dem Propheten Jesaja: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet die Straßen. Jede Schlucht soll aufgefüllt werden … wir kennen das Zitat. Es hat einen besonderen Schluss, es heißt da nämlich: „Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“. Menschen, die umkehren, besser wäre zu sagen die „umdenken“ und sich an die Arbeit machen, dem Herrn einen Weg zu bereiten, sie lassen das Heil aufleuchten, das von Gott kommt. Sie sind die Hoffnungsträger – auch ohne Amt, besondere Macht oder ehrenwerte Titel. Sie sind es, die den Blick für eine tiefere Dimension des Lebens öffnen.
Johannes – es trifft wohl auf alle Propheten zu – geht mit der Wirklichkeit anders um. Er sieht – wie viele andere auch – die Gräben und Furchen, die Schluchten und Abgründe, die die Gesellschaft und einzelne Menschen erfasst. Er sieht sie, aber nicht um beim Jammern und Klagen stehen zu bleiben, sondern er sieht es als Aufgabe an, mit dem Bau der „Königsstraße“ zu beginnen: Gräben zuzuschütten, Brücken zu bauen, neue Wege für das Miteinander zu schaffen. Es gilt ebenso für die Seelenlandschaft, die von Gräben und Furchen der Angst, des Konkurrenzdenkens und der Selbstzweifel durchzogen ist.
Johannes schaut die „unwirtliche“ Landschaft und sieht es zugleich als Chance, nämlich, dass Gott gerade darin sein Heil wirken will und kann. D.h. er ruft auf, Freude daran zu entwickeln, Krummes, Unebenes auszuräumen, Schluchten und Abgründe einzuebnen. „Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.“ Diese Furchen, Gräben und Klüfte kann man nicht wegdenken oder wegreden, leugnen oder zu verdrängen ist noch weniger eine Lösung, sondern es braucht das Tun, das Anpacken, die Arbeit. In diesem Zu- und Anpacken kommt den Menschen bereits das Heil Gottes entgegen, d. h. durch das Tun schwinden die Ängste und das Misstrauen, durch das Anpacken wachsen Freude und Vertrauen, Dankbarkeit, Hoffnung und Verbindendes. Es ist das Heil, das von Gott kommt.
Die Königsstraße wird nicht von den Nörglern und Schwarzsehern gebaut, sondern von jenen, die zu bauen beginnen, die Freude am Problem lösen, Freude am Gestalten und Verändern entwickeln – selbst wenn es dann und wann noch einmal anders als gewünscht oder erwartet kommt.
In den weiteren Versen ist zu lesen, was Johannes den Menschen zur Aufgabe gibt. Wir hören es als Evangelium am nächsten Sonntag. Nichts Außergewöhnliches fordert Johannes ein, sondern das jeweils Mögliche und auch jeweils Entsprechende. So sagt er: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat“. Zu den Zöllnern: „Verlangt nicht mehr als festgesetzt ist.“ Zu den Soldaten: „Misshandelt niemanden, erpresst niemanden, begnügt euch mit eurem Sold“. Mit anderen Worten könnte man sagen: Lebe aufrecht, wahrhaftig, ehrlich und gerecht, da wo du bist.
Nicht Ängstlich sollen wir die Welt ins Auge nehmen, sondern mit wachem Auge schauen, weil Gott für sie das Heil will. Und er will dieses Heil gerade für jene Bereiche, in denen es dunkel ist, in denen es Gräben, Furchen und Abgründe gibt. Das Dunkle, die Abgründe vor Gott bringen – in sein Licht -, das Dunkle und die Abgründe ins Gespräch bringen, das ist Auftrag und Aufgabe Glaubender und Anliegen des heutigen Evangeliums.
Johannes geht hinaus in die Wüste, in die Öde. Er wird leer. Hier fehlt es ihm an Überfluss. Er ist nicht von der Sattheit geblendet. Er ist Wegbereiter und ein Hoffnungsträger Gottes, einer, der es ermöglicht, dass Menschen das Heil sehen, das von Gott kommt.