Ehre dem EINEN GOTT 1. Lesung: Tit 2,11-14 | 2. Lesung: Jes 9,1-6 | Evangelium: Lk 2,1-14
Engel künden den Hirten: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf der Erde ist Frieden bei den Menschen seiner Gnade.“ Es lässt die Hirten aufhorchen, so sehr, dass sie noch zur selben Stunde aufbrechen und das Kind suchen, das diese Botschaft mit in die Welt bringt. „Ehre sei Gott in der Höhe und auf der Erde Frieden bei den Menschen seiner Gnade.“ Es ist das Evangelium dieser Nacht, das oft überlagert wird von der Freude über das neugeborene Kind. Dieser Engelsbotschaft suche ich mich zu näheren.
Das Evangelium ist in die damals hellenistische Welt geschrieben. Der Himmel war voll von Göttern und Halbgöttern, die die Ehre des Menschen suchten und forderten, die teilweise eifersüchtig um die Gunst der Menschen kämpften und wetteiferten, die oftmals zum Grund für Streit, Zwietracht und Kriege wurden. Ja, sie forderten Opfer.
Engel künden den Hirten: Ehre sei Gott, nämlich dem EINEN GOTT. Sie künden einen Himmel, der frei ist von allen diesen Kämpfen, Eifersüchteleien, korrumpierter und geheimer Machenschaften. Es ist kein Gott, der Opfer fordert, sondern der sich den Menschen zuwendet, der in die Niederungen des menschlichen Daseins herabsteigt, sich dem Kampf des Lebens aussetzt, den Weg der Menschen geht, ihren Weg mitgeht.
Ehre sei dem EINEN GOTT. Engel künden diese Botschaft. Es entspringt nicht menschlichem Denken. Wenn dem einen Gott allein die Ehre zukommt, und wir nicht in Versuchung geraten wollen, doch mehrere Götter nebeneinander zu haben, dann heißt das, die Diskussionen darüber, welche Religion die bessere sei, obsolet ist. Sie dient nicht dem Wachsen im Glauben. Jede Religion steht im Dienste, diesen einen Gott zu ehren, diesen einen Gott zu suchen und ihn einander deuten zu helfen.
Wenn dem einen Gott allein die Ehre zukommt, und wir nicht in Versuchung geraten wollen, doch mehrere Götter anbeten zu wollen, dann geht es auch nicht darum – wie es Paul Michael Zulehner kürzlich formulierte -, das christliche Abendland zu retten, sondern das Christliche im Abendland. Die Schöpfung, die Erde, das Land ist von dem EINEN GOTT allen Menschen zum Geschenk, zur gemeinsamen Aufgabe und gemeinsamen Lebensraum gegeben.
Ehre sei dem EINEN GOTT und Friede den Menschen auf Erden seiner Gnade. Den EINEN GOTT ehren und achten lässt nicht zu, dass eine bestimmte Menschengruppe – mag sie sich noch so religiös geben – ihn für sich vereinnahmt. Ihn achten und ehren heißt, jeder Mensch ist sein Geschöpf, sein Ebenbild: ob jung oder alt, ob Frau oder Mann, ob weiß, schwarz, rot oder gelb, ob mit oder ohne Behinderung, ob Christ, Muslim, Hindu, Buddhist oder sei die Person einer Naturreligion zugewandt. Wenn dem einen Gott die Ehre ist, so ist das die Grundlage, dass jedem Menschen seine ganz besondere Würde zukommt.
Engel künden es den Hirten auf dem Feld. Sie sind religiöse Außenseiter. Sie sind notorische Sünder. Sie können sich nicht am Sabbat an die 1000-Schritte Regel halten, weil sie mit den Schafen auf die Weide müssen. Sie haben es mit Schmutz zu tun, kommen oft mit Blut in Berührung und sind dadurch wieder kultisch unrein. Gott, dem allein die Ehre ist, ist in einer ihrer Krippen zu finden. Diesem EINEN GOTT ist niemand zu wenig, zu gering oder unbedeutend. Dieser eine Gott kommt uns menschlich nahe und sucht wie ein Kind, die Liebe eines jeden und einer jeden.
Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden seiner Gnade. Ja, wenn dem EINEN GOTT die Ehre zukommt, dann schenkt ER Frieden auf Erden. Mit der Ehre ist es so eine Sache. Wir kennen es: wie sehr kann verletzte oder gekränkte Ehre Zerwürfnisse in Familien, unter Freundschaften oder an Arbeitsplätzen hervorrufen; vielleicht ist es nicht mehr so häufig, aber wie sehr zeigen Ehrenbeleidigungen Hierarchien auf, die Menschen in erste, zweite und andere Klassen einteilen; in manchen Regionen der Welt gibt es nach wie vor den Ehrenmord, weil ein Familienmitglied mit ihrem Verhalten scheinbare Schande gebracht hat. Die Engel üben Kritik an dieser „Logik der Ehre“.
Wenn Gott dem EINEN die Ehre zukommt, dann gestaltet sich das Miteinander unter den Menschen anders, dann dürfen und können wir Menschen aufhören, um eine Ehre zu kämpfen, die uns von anderen abhebt, höhergestellt oder überlegen erscheinen lässt.
Engel künden diese Kritik und man könnte es in etwa auf diese Weise beschreiben: „Legt eure Ehrenbörsen still, handelt und streitet nicht mehr um die Ehre. Sie gehört nur noch Gott. Dafür aber hat Gott jeden einzelnen von euch gewürdigt: ihr tragt als Menschen eine unzerstörbare Würde in euch. Also lasst das Ehre-Kriegen und achtet die Würde des anderen. Lebt in Einheit und Frieden. Frieden den Menschen? Es ist das neue Ziel: Der Mensch soll sich nicht mehr auf die Ehre ausrichten, sondern auf den Frieden und auf ein Leben in Einheit mit den Menschen.“ (Hanno Heil)
Engel künden Kritik an der Logik der Ehre. Diese Kritik greift Jesus in seiner Botschaft wiederholt auf: Wenn er z.B. sagt: Nur einer ist euer Vater, der im Himmel, ihr alle seid Brüder und Schwestern, bzw. wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, ist mir Bruder und Schwester. (Mt 12,46-50) Jeder Mensch hat die gleiche Würde.
Oder wenn er zum römischen Hauptmann von Kafarnaum sagt – also kein Jude: einen solchen Glauben habe ich ganz Israel nicht gefunden wie bei ihm. (Mt 8,5-13) Oder wenn ihm vorgeworfen wird: er isst mit Zöllnern und Sündern, oder besucht den Aussätzigen Simeon (Mt 26). Glauben ist nicht an Ehre gebunden.
Oder weiter: Verzichtet auf Zweikämpfe, Duelle und Gewalt! Nehmt nicht den Fehdehandschuh in die Hand, sondern haltet die andere Wange hin. (Mt 5,19f) Sucht nicht Ehre, sondern dient dem Frieden.
Wenn die Ehre dem EINEN GOTT zukommt, da ist die Würde der Menschen geschützt, da wächst ihnen Friede zu. Es wird im Glorialied jeweils besungen, unmittelbar nach der Vergebung oder besser gesagt: Nachdem wir uns getragen und gehalten wissen vom erbarmenden Gott, dem Ehre gebührt und von dem Friede ausgeht.