Liebe gegen den Tod 1. Lesung: Dtn 6,2-6| 2. Lesung: Hebr 7,23-28| Evangelium: Mk 12,28b-34
Es ist nicht von Anfang an der Glaube Israels, dass Gott ein Liebender ist. Es ist der Prophet Hosea, der als erster im 8. Jht. v. Chr. davon spricht, wobei es zunächst auf eine negative Weise geschieht. Israel verhält sich wie eine Dirne. Die Beziehung gleicht einer verratenen Liebe.
In der weiteren Geschichte vertieft sich dennoch diese Vorstellung, dass Gott ein Liebender ist. Gott hat sich an sein Volk gebunden. Er ist treu. Er ist der Bräutigam seines Volkes. Die Vorstellung kumuliert sich im Hohelied der Liebe. Das noch nicht verheiratete Paar – Bräutigam und Braut – als zutiefst Verliebte suchen sich (im Garten). Israel sah sich als Braut. Gott ist der Bräutigam und er ist verliebt in Israel.
Wenn von einem liebenden Gott gesprochen wird, gibt es zwei Gefahren: Einmal das Gott verniedlicht wird. Ein liebender Gott, der nicht ernst zu nehmen ist. Vielleicht ist gerade diese Haltung Ausdruck tiefsten Unglaubens, d.h. mit solchen Menschen kann Gott nichts tun. Bei solchen kann er auch keine Wunder tun.
Zum anderen die Vorstellung, man müsse im Zusammenhang mit Gott große Gefühle produzieren oder erleben. Mit dem Wort „Liebe“ kann im Alten Orient die geschuldete Loyalität eines Bündnispartners oder Vasallen bezeichnet werden. Es braucht nicht die großen Gefühle von Verliebtheit. Glaube ist im Verständnis Israels vor allem das Leben einer Beziehung, einer lebendigen Beziehung Gottes zum Volk oder zu Einzelnen und umgekehrt. Glauben ist nicht so sehr ein Festhalten an verschiedenen Wahrheiten.
Jesus zitiert in seiner Antwort auf die Frage eines Schriftgelehrten nach dem „ersten“ Gebot das Glaubensbekenntnis, das jeder fromme Jude täglich betet: „Höre Israel, der Herr unser Gott ist der einzige Gott. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft“ (Mk 12,30).
In Diskussionsrunden und Talkshows wird öfters die Frage thematisiert: Müssten wir nicht versuchen den Glauben zu überwinden oder beiseite zu lassen, weil er die Gesellschaften bzw. Menschen spaltet? Vielleicht noch pointierter formuliert: Ist der Glaube an den einen Gott nicht Grund für Konflikte und Hass unter den Menschen; Grund, dass sie nicht zusammen finden?
Es gibt vermeintlichen Glauben, der spaltet, ausgrenzt und bei den Menschen Hass, Niedertracht und Zwietracht hervorbringt. Es geschieht vor allem dann, wenn religiöse Symbole oder Begriffe wie Kreuz oder christliches Abendland … missbraucht werden. Der Missbrauch von Symbolen und Sprache gibt es auch in anderen Religionen. Doch der Blick gehört zuerst auf sich selbst gerichtet.
Wir dürfen hier nicht vergessen, welchen „Gott“ es zu lieben gilt? Es ist jener, der der Schöpfer aller Menschen ist, für den jede und jeder Abbild und Ebenbild ist. Niemand gibt uns das Recht, einen Menschen abzuwerten, auch nicht um seines Glaubens willen und sei er Atheist oder Anhänger einer Naturreligion. Wir haben es mit einem Gott zu tun, der uns diese Welt als Gabe und Aufgabe geschenkt hat. Die Welt gehört niemanden außer Gott und das gilt für Europa, für Österreich, für Vbg, für Dornbirn. Für Jede und Jeden dieser Erde will Gott das Leben und Heimat auch wenn er fremd bei uns ist. Er will kein Leben im Elend, Krieg, Hass … oder den Tod im Mittelmeer.
Diesem Gott gilt unsere Loyalität. Ihn gilt es zu lieben und Menschen einzuladen, diese Loyalität und Liebe zu teilen. Es sind vier verschiedene Aspekte menschlicher Existenz in der die Liebe und Loyalität gelebt werden soll:
Sie kommt aus „ganzem Herzen“, also dem Sitz des Fühlens und Wollens im Zentrum der Person, das ganz Gott zugetan ist. Es wendet sich gegen Haltungen der Halbherzigkeit und Gleichgültigkeit. Gelingende Beziehungen bedürfen des ganzen Herzens, des ganz Daseins.
Sie kommt aus „ganzer Seele“, das heißt aus der Lebendigkeit des Geschöpfs, das sich ganz an seinen Schöpfer hält. Die Seele ist der Sitz jenes Lebens, das sich verdankt und um das Geheimnis der Verbundenheit mit allen Menschen und der ganzen Schöpfung weiß. Allein oder verlassen sein ohne ein Du wird zur Hölle.
Sie kommt aus „ganzem Denken“, einem Aspekt, den der Evangelist Markus zum ersttestamentlichen Text hinzugefügt hat – auch der Verstand stellt sich ganz in den Dienst des Herrn. Mit ganzem Verstand lieben. Populismus, Luftschlösser oder Blindheit können Lösungen nicht wirklich dienen. Der Verstand sucht nach dem, was möglich ist; sucht nach Wegen, die gehbar sind; sucht Verbündete, um Lösungen für die Zukunft zu finden.
Sie kommt schließlich aus „ganzer Kraft“, d.h. alles, was menschliches Können und Wollen vermag, ist diesem Herrn zugewandt. Es sei die Frage erlaubt: Wohin geht meine Kraft? Wohin die Kraft einer Gesellschaft? Wohin die Kraft der Politik?
Diese Beziehung zu Gott, diesen Gott lieben, prägt die Beziehung zu den Menschen. Jesus verbindet und fügt hinzu: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Du liebst den anderen, wenn du dich in den anderen hinein denkst, fragst: Was möchte ich in seiner oder ihrer Situation, das mir getan wird. Dass dies der Maßstab des Handelns wird.
Gott und den Nächsten lieben, lässt die Beziehungen lebendig werden. Ohne lebendige Beziehungen ist ein Mensch Tod, lebend tot.