Zweige des Widerstandes 1. Lesung: App 7,2-4.9-14| 2. Lesung: 1 Joh 3,1-3| Evangelium: Mt 5,1-12a
Die Geheime Offenbarung des Johannes zählt zu den klassischen Untergrundschriften der Bibel. Der Verfasser wird als Gefangener auf der Insel Patmos festgehalten. Er macht den jungen, oft sehr bedrängten Gemeinden Mut. Er spart aber auch nicht mit Kritik an ihnen, denen der aufreibende Kampf um Existenz und Leben die prophetische Strahlkraft raubt. Untergrundschrift bedeutet, dass den Bibelunkundigen die Botschaft des Widerstandes verborgen bleibt. Die Leser und der Schreiber bleiben damit bestmöglich geschützt.
Was dürfen wir dem Abschnitt aus dem 7. Kapitel entnehmen? Im 6. ist eine Bedrängnis angekündigt, die alle betrifft und die die Menschen, vor allem aber die Großen, die Könige, Heerführer, Mächtigen und Reichen in Furcht und Angst versetzt. Der Tag des Zornes Gottes, des Lammes (Apc 6,17) ist gekommen. Um ein solches Bild zu verstehen, gilt es in die Psalmen bzw. in den Propheten Jesaia zu blicken. Wenn der „Tag des Zorns“, bzw. der „Vergeltung Gottes“ kommt, dann beginnt sein Heilshandeln: Lahme gehen, Blinde werden sehen, Gebeugte aufgerichtet … (Jes 61,2ff). Der Tag der Vergeltung Gottes begrenzt die Macht der Unterdrücker, der Gewalttätigen, der Menschenverächter. Es ist ein Engel, so in der Lesung, der ausgesandt ist, lautstark diesen Mächten Einhalt zu gebieten: Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu.
Es ist dann die Rede von der Zahl, die mit dem Siegel gekennzeichnet war: Hundertvierundvierzigtausend aus allen Stämmen Israels. Die Zahl zwölf Mal zwölftausend besagt, es sind unzählbar viele. Die Zahl zwölf meint alle z.B. mit den zwölf Stämmen Israels ist das ganze Volk gemeint: Frauen, Männer, junge alte, einfach alle. Die Erfahrung der Menschen in den Gemeinden war, dass sie sich oft einsam oder als nur ganz Wenige in ihrem Kampf gegen die Unmenschlichkeit vorkamen. Viele scheuten sich, sich offen zum Christentum, zum „neuen Weg“ zu bekennen bzw. sie wussten nicht voneinander. Der Verfasser der Offenbarung des Johannes, der gut über die Gemeinden informiert ist, kann ihnen Mut machen, indem er ihnen zu verstehen gibt, da sind viele, die den Kampf teilen, die das Siegel des Martyriums auf der Stirn tragen, die bereit sind ihr Leben zu geben.
Der Verfasser fügt hinzu, dass es diese Bereitschaft nicht nur in Israel – sprich judenchristlichen Gemeinden – gibt, sondern es gibt sie in einer großen Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen. Diese Zahl konnte sogar niemand zählen.
Wer sich im Kampf gegen Unrecht und Unmenschlichkeit allein gelassen fühlt, wird entmutigt. Der Verfasser der Geheimen Offenbarung schreibt dagegen, weil er um viele weiß, die den Kampf teilen. Sie sind überall zu finden. Jene, die gegen die Bedrängnis ankämpfen, haben auch unzählige Menschen in anderen Völkern und Kulturen erfasst und diese sind weit mehr als es erahnt wird.
Vielleicht tut ein solcher Blick auch unserer Kirche heute gut. Es bleibt für viele der Eindruck, irgendwie sind wir beinahe Einzelkämpfer und stehen auf verlorenem Posten. Es gibt aber viele, die Jesus nachfolgen, die das Wort der Schrift lesen und zu leben versuchen. Es gibt Gebetsgruppen. Es gibt viele, die sich auf unterschiedliche Weise als Christen in Ämtern, in Behörden, in der Gesellschaft und in Vereinen engagieren. Der Blick auf Kirchenbesucher greift zu kurz. Ich bin wirklich immer wieder erstaunt, wie viele Menschen vom Wort Gottes inspiriert, ihr Leben gestalten.
In der Lesung hörten wir: Die Vielen standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder und trugen Palmzweige in den Händen. Die weißen Gewänder gewaschen im Blut. Es wirkt wie ein paradoxes Bild: Gewaschen im Blut. Diese Reinheit des Menschen entsteht nicht durch ein Ritualbad, auch nicht durch ein Heraushalten aus allen Konflikten oder im Eingehen fauler Kompromisse. Die Reinheit der Gewänder ist geworden durch das Leben einer Liebe, die das Martyrium einschließt. Gewaschen im Blut – nein, es sind nicht sie, die sich von der Gewalt provozieren lassen und Blut vergießen. Und auch: kein Blut, um der Gerechtigkeit, Versöhnung und des Friedens willen vergossen, ist umsonst vergossen.
Sie tragen Palmzweige in den Händen. Jene, die aus der Bedrängnis kommen, haben keine Waffen in der Hand sondern eben Palmzweige. In der Erzählung von der Sintflut ist es die Taube, die einen Ölzweig zu Noah bringt und ankündigt, jetzt ist die Zeit für ein neues Leben möglich, jetzt können alle hinaus in die Freiheit, jetzt ist eine Zeit des Friedens.
Es ist jeder Generation und jeder Zeit aufgetragen für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen. Es sind keine Güter, die eine Gesellschaft als Besitz hat – auch nicht in Europa oder Österreich. Es gilt heute den Ölzweig in die Hand zu nehmen gegen Tendenzen des Spaltens, des Ausgrenzens und des Schürens von gezielten Ängsten gegen Minderheiten, u.a. auch Migranten aller Art. Unsere Sicherheit wird keine Frucht von mehr Waffen, mehr Polizei und mehr Militär sein. Sie sind kein Garant der Freiheit, sondern schränken sie langfristig ein und sind eine Gefahr für die Würde der Menschen.
Diese in weiße Gewänder Gekleidete stehen vor dem Thron und rufen mit lauter Stimme: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm. Mit Lamm ist der Auferstandene umschrieben. Die jungen Christengemeinden vertrauen ihre Rettung dem auf dem Thron Sitzenden und dem Lamm an. Sie selbst bleiben wehrlos und verletzlich wie ein Lamm, vertrauen aber zugleich der Weisheit, Stärke und Macht Gottes, gegen die Unrechtssysteme nicht gewachsen sind. Sie haben ein Ablaufdatum.
Für die junge Christengemeinde ist klar, der wahre Lenker der Welt und Geschichte ist der, der auf dem Thron sitzt und das Lamm. Ihnen gebührt Lob, Dank und Ehre und nicht jenen, die sich dazu aufspielen, mag ihr Dienst auch wichtig und verantwortungsvoll sein.