Behütet sein 1. Lesung: Apg 1,15-17.20ac-26|2. Lesung: 1 Joh 4,11-16|Evangelium: Joh 17,6a.11b-19
Jesus betet. In Gebeten kommt das Innerste eines Menschen, der Glaube zur Sprache.
Jesus wendet sich für die Jünger an den „Vater“: „Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“. Er bittet, dass der Vater sie in seinem Namen bewahre. Eine Bitte an Gott besagt, dass es um mehr als das einfach Machbare geht. Ein Beispiel dafür ist der Glaube. Das Sein und Bleiben im Namen Gottes ist letztlich ein Geschenk, ist Gnade. Niemand hat Gott oder den Glauben als Besitz. Daher kann der Glaube niemals ein Grund sein, um sich über andere zu erheben oder sich als besseren Menschen zu gebärden.
Jesus bittet, dass die Jüngerinnen und Jünger im Namen Gottes bewahrt bleiben. Jesus nachfolgen schließt daher ein, immer wieder für Menschen zu beten, dass sie im Namen Gottes bewahrt bleiben, dass sie an Gott nicht irre werden oder verzweifeln.
Jesus betet dann weiter: Ich habe sie – die Jünger – behütet. Bei diesem Gebetsgedanken muss ich ein wenig innehalten. Ich habe sie behütet. Was steht hinter diesem Behüten? Er hat sie – die Jünger – von den Familien weggerufen, auf eine Lebensform mitgenommen, in der viel unsicher war: ohne Vorratstasche, ohne zweites Hemd sollen sie sich auf den Weg machen und darauf verlassen, dass sie in den Häusern aufgenommen werden. Einmal stellte Jesus ihnen die Frage: Wollt auch ihr weggehen? Sie müssen sich entscheiden. Worin besteht das Behüten?
Und was bald danach folgen wird ist sein Weggang. Sie bleiben verstört und verlassen zurück. Manche gehen auf Distanz, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Nochmals die Frage: Wovor hat er sie behütet?
Er hat sie behütet aus der Gefahr des Gefangenseins in mittelmäßigen oder schlechten Gewohnheiten des Lebens. Er hat sie aufgerüttelt, hat jene Glaubenshaltungen aufgedeckt, die Menschen krankmachen oder halten, zu Feinden und Außenseitern machen.
Er hat aufgerüttelt und sich gegen eine Lebensweise gestemmt, die tödliche Spuren hinterlässt: Ungerechtigkeit, Gewalt, Hass, Feindbilder.
Er hat aufgerüttelt und den Blick geweitet. Sein Blick und seine Liebe endeten nicht an der eigenen Person, nicht an der eigenen Familie, nicht an der eigenen Sippe, nicht am eigenen Dorf, nicht am Land oder der Religion. Er hat daran erinnert: jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes, wir sind einander Brüder und Schwestern. Ja wir müssen einander nicht Freunde sein, sondern wir sind einander Brüder und Schwestern. Gott ist unser gemeinsamer Vater. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.
Den anderen als Schwester, als Bruder sehen: Nachbarn, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Migranten, Menschen in ihren Nöten und in ihrem Sosein.
Mir scheint, dass es wichtig ist, genau darauf zu achten, was Jesus hier sagt: Er stellt keinen moralischen Imperativ auf, kein an die Jünger gerichtetes: ihr sollt oder müsst, sondern es ist die Bitte an den Vater, dass er die Jünger behütet, damit sie nicht in ihrer Mittelmäßigkeit oder schlechten Gewohnheiten gefangen bleiben. Er bittet darum, damit sie die Freude in Fülle erfahren.
In der Enzyklika „Evangelii gaudium“ formuliert Papst Franziskus: Evangelisieren – das Evangelium verkünden – ist das Teilen einer Freude. Eine Freude teilen entspringt nicht einem moralischen Apell: du musst oder sollst. Die Freude teilen ist absichtslos und nicht auf Erfolg aus.
Ich denke, viel kirchliches Engagement gründet im Teilen einer Freude, bzw. die Mitarbeit, das Mitwirken geschieht aus einer Freude. Aber es gibt manchmal auch viel Argwohn, Eitelkeiten, Missgunst und Konkurrenzdenken. Es stört oder verhindert sogar die Freude. Nochmals: Jesus bittet, dass wir im Namen Gottes behütet bleiben von den Fesseln eines mittelmäßigen Lebens, bzw. schlechter Gewohnheiten.
Eine weitere Bitte des Gebets lautet: „Heilige sie – die Jünger – in der Wahrheit“. Wahrheit ist bei Johannes ein immer wiederkehrender Begriff an vielen Schlüsselstellen. Einmal sagt Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Beim Prozess vor Pilatus fragt dieser Jesus: Was ist Wahrheit? Pilatus – als Richter gegen Jesus auftretend – weiß nicht, was Wahrheit ist.
Heilige sie in der Wahrheit, betet Jesus. Wahrheit ist keine gesicherte Erkenntnis oder kein fixiertes Wissen. Die Wahrheit ist dynamisch. Sie wächst durch Lebenserfahrungen. Sie erschließt sich aus dem Wort Gottes, aus einem Leben mit dem Gottes Wort. Das Leben selbst begegnet mir als Wahrheit. Die Erfahrungen, Gefühle, Wünsche, Triebe u.a.m. tragen zu dieser Wahrheit bei. Wenn jemand Teile daraus leugnet oder verdrängt, droht er oder sie komisch oder krank zu werden.
Heilige sie in der Wahrheit. Das Heiligen geschieht, wenn ich alle diese Wahrheiten ernstnehme und zu integrieren suche, auch all jene Erfahrungen und Dinge, die auf den ersten Blick fremd und befremdlich erscheinen. Heiligen ist verbunden mit einem Umgang in einem guten Geist. Es braucht ein mit Liebe, Achtung und Wertschätzung darauf schauen. Das Leben aus der Wahrheit bedarf des Mutes, noch mehr der Demut. Sie dient dem Leben, nicht der Macht und nicht der Karriere.
Es ist die Bitte Jesu, dass uns das geschenkt sei.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
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