Das eigene Verhalten ist kein Maßstab 1. Lesung: Gen 18,1-10a |2. Lesung: Kol 1,24.28|Evangelium: Lk 10,38-42
Von Anfang an stellen sich den Christen und christlichen Gemeinschaften die Fragen: Was heißt Jesus nachfolgen? Und: Wie leben wir die Nachfolge Jesu richtig? Was ist zu beachten? Antworten auf diese Fragen finden wir im Evangelien des letzten und dieses Sonntags.
Am letzten Sonntag hörten wir die Erzählung vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37). Unmittelbar darauf folgt das soeben gehörte Evangelium: Jesus als Gast bei den Schwestern Marta und Maria. Es ist eine Männer- und eine Frauengeschichte, die es zusammen zu lesen und zu verstehen gilt.
In der Erzählung vom barmherzigen Samariter wird unter anderem auf die Frage eingegangen: Was ist Gottesdienst? Vielleicht besser die Frage: Was ist „gottgefälliger“ Gottesdienst? Ein Priester und ein Levit kommen vom Tempel, vom Gottesdienst und sehen zwar den unter die Räuber Gefallenen halbtot daliegen, tun aber nichts für ihn. Sie gehen vorüber. Ihr Mitgefühl oder ihr Mitleid wurde vom Gottesdienst weder geweckt noch beflügelt.
Ein Samariter, dem der rechte Glaube abgesprochen wird, ist auf einer Reise und sieht diesen Menschen. Er lässt sich von der Not berühren, leistet erste Hilfe, bringt ihn in eine Herberge und sorgt für ihn. Sein Dienst wird zum Gottesdienst, auch wenn er es selbst vielleicht nicht als solchen versteht.
Wir wissen zugleich, wie fordernd der Dienst am Nächsten oder an den Nächsten werden kann. Viele Pflegende sind heute bis an ihre Grenzen gefordert. Manche drohen auszubrennen. An diesem Punkt setzt das heutige Evangelium an. Der Dienst an Nächsten braucht auch Zeiten der Erholung, des Ruhens, des Hörens, der Stille, einfach des Daseins.
Von Mutter Teresa wird erzählt, dass sie tagtäglich vier Stunden meditierte. Sie wurde einmal gefragt: Warum sie vier Stunden meditiere? Sie verliere dadurch viel Zeit, um Sterbende zu begleiten. Ihre Antwort darauf war: Wenn ich nicht meditiere, werde ich unfähig überhaupt Sterbende zu begleiten.
Einen zweiten Aspekt hebt die Erzählung hervor. Es war in der Zeit Jesu unüblich, dass sich ein Rabbi mit Frauen über die Thora unterhält. Jesus lässt sie zu Füßen sitzen und erklärt sie ihnen, wie wir es von den Aposteln und Jüngern annehmen dürfen. Er stellt sie ihnen gleich.
Es gibt einen dritten Aspekt in der Erzählung, der von Bedeutung ist. Wenn wir heute die Evangelien hören, sind wir versucht, die Geschichten mit den Vorstellungen eines Hauses oder einer Wohnung unserer Zeit zu verbinden. Da gilt es immer wieder ein wenig umzudenken. Die meisten Häuser damals hatten nur einen Raum.
Wenn also Marta damit beschäftigt ist, Jesus zu bedienen, dann ist sie im selben Raum und sie bekommt vom Gespräch alles mit. Mit anderen Worten: Marta ist ebenso eine Hörende. Wir wissen, dass das Zuhören mit unterschiedlichen Umständen verbunden sein kann. Manche wählen fürs gute Hören bei einem Gespräch einen Spaziergang. Andere verrichten leichte Arbeiten, die wenig Konzentration erfordern, um ganz Ohr zu sein.
Die Rüge Jesu richtet sich nicht gegen das Tun der Marta. Er lobt, beziehungsweise anerkennt ihre Arbeit: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Wir dürfen auch davon ausgehen, dass Marta als Gastgeberin Jesus ins Haus gebeten hat und dadurch erst diese Hör-Situation ermöglichte.
Was Jesus bei Marta anmerkt, ist, dass sie ihren Maßstab an ihre Schwester Maria anlegt. Sie hört und bemüht sich mit ganzer Kraft um die Gastfreundschaft. Marta macht ihr Verhalten zur Erwartung an ihre Schwester Maria. Da stellt sich Jesus schützend vor Maria. Sie hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.
Damit ist ein Thema angesprochen, das uns als Kirche, als Pfarrgemeinde heute nicht weniger beschäftigt. Man ist so leicht versucht das eigene Verhalten zum Maßstab für andere zu nehmen. Manche gehen soweit und erklären Mitchristen als Kirchenfern, obwohl sie getauft sind, ihren Kirchenbeitrag leisten, beten, spenden u.a. tun.
Am Ende darf ich nochmals zur Ausgangsfrage zurückkommen: Wie lebe ich Nachfolge? Wie leben wir Nachfolge? Vermutlich gehen wir einer Zeit entgegen, in der es viel Solidarität, Nachbarschaftshilfe und gegenseitige Unterstützung brauchen wird. Gut gelebte Solidarität, wie sie in der Erzählung vom barmherzigen Samariter vorgestellt wird, in der auch die eigene Gesundheit nicht zu kurz kommen soll, braucht das Hören, die Meditation, das Gebet, das Ruhen und Ausruhen, … Im Sitzen zu den Füssen Jesu liegt ein Gutteil des Lebens, der Lebenskraft und -freude.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Génesis anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Kolóssä anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: