Selbstbewusst Bitten vorbringen 1. Lesung: Gen 18,20-32 |2. Lesung: Kol 2,12-14|Evangelium: Lk 11,1-13
Die Vorgeschichte zum heutigen Text aus dem Buch Genesis erzählt uns, dass Abraham drei vorüberziehende Männer zu sich ins Zelt einlud. In der Gruppe der drei Männer erkannte Abraham den HERRN. Dieser verkündete Abraham und Sara, dass sie trotz hohen Alters in einem Jahr einen Sohn haben werden. Sara lachte über diese kühne Ankündigung und wollte dem HERRN nicht glauben. Die drei Männer erhoben sich, Abraham geleitete sie und sie schauten auf Sodom hinab. Und hier setzt nun der heutige Text mit einem Selbstgespräch Gottes fort.
Eine faszinierende Erzählung über Gott, seine Wesenseigenschaften und etwas salopp formuliert seinen Führungsstil. Gott hat sich Abraham auserwählt, um mit und durch ihn ein großes und mächtiges Volk zu schaffen, das allen Völkern der Erde zum Segen werden soll. Nun ist Klageschrei zum HERRN vorgedrungen über die Umstände in Sodom und Gomorra. ER möchte aber den Zurufen nicht einfach Glauben schenken, sondern sich ein eigenes Bild machen.
Gott schickt keinen Boten oder Mittelsmann, der die „Gerüchte“ zu prüfen hätte. Nein, er macht sich sein eigenes Bild. Er ist bereit, sich der Realität zu stellen, er will nicht wegschauen und dann den Überraschten mimen. ER ist auch bereit, die Enttäuschung über das menschliche Fehlverhalten auszuhalten. Deutlicher könnte die Formulierung nicht ausfallen: „Ich will es wissen“. Wenn wir derzeit so um uns blicken, leiden staatliche, gesellschaftliche und auch kirchliche Einrichtungen daran, dass eher weggeschaut wird. Enge Vertraute oder Beraterstäbe werden vorgeschickt, deren Aufgabe ist es entweder, wenn notwendig die Karte des „schwarzen Peter“ zu ziehen, oder geschönte Zahlen und Wahrnehmungen zu überbringen. An „ich will es wissen“ scheint derzeit auf allen Seiten wenig Interesse zu bestehen.
Versunken in ein Selbstgespräch denkt Gott darüber nach, wie er Abraham in dieser verzwickten Situation wertschätzend begegnen kann. ER will einen fairen Zugang zu seiner ausgewählten „Führungskraft“ üben. Abraham soll am Verhalten des HERRN erkennen, zu was ER – Abraham – beauftragen wird: „den Weg des Herrn einzuhalten und Gerechtigkeit und Recht zu üben“. Für den HERRN gibt es keinen Zweifel, das kann nur funktionieren, wenn er alle Karten auf den Tisch legt und Abraham in seine Absichten einweiht. So ein partizipatives Führungsverhalten beinhaltet das Risiko, dass das Gegenüber eine eigene – mitunter andere – Meinung einbringt, die es dann zu integrieren gilt. Genau so kommt es. Abraham macht sich Sorgen um Seinesgleichen und meint, dass Gott Gnade vor Recht walten lassen solle.
Abraham scheint wenig überrascht zu sein, dass der HERR ihn in die Führungsverantwortung einbezieht. Er ist mit IHM nun schon einige Zeit unterwegs und ist dabei schon ordentlich gefordert worden. Abraham scheint an Selbstbewusstsein gewonnen zu haben. Er tritt sehr direkt und fast etwas schroff in die Verhandlungen mit Gott ein. „Willst du auch den Gerechten mit dem Ruchlosen wegraffen?“. Er legt noch nach und man könnte fast meinen, er ruft Gott zur Ordnung: „Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit dem Frevler töten. Dann ging es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“ Abraham nimmt seinen Auftrag ernst. Wenn er ein Volk gründen und dies den Weg des Herrn einhalten soll, dann soll es auch die Chance haben, diesen Gott auf jene Art und mit jenen Wesenseigenschaften kennenlernen zu können, wie er als ein Gott der Gerechtigkeit und Recht übt.
Von anfänglichen 50 Gerechten, derenthalben Gott nicht alles dahinraffen soll, handelt Abraham diese Zahl herunter. Mitten unterm Verhandeln scheint Abraham selbst von seinem Mut und seiner Unerschrockenheit überrascht zu sein: „Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn zu reden“. Er schafft es und handelt Gott auf 10 Gerechte herunter. Gott schlägt ein: „Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen“.
Der heutige Text endet hier. Leider, denn es ist nicht unerheblich, wie es weitergeht. Schlussendlich lässt Gott Sodom und Gomorra vernichten. Allerdings schickt er zuvor zwei Engel. Sie sollen nach den Gerechten Ausschau halten und landen bei Lot. Die Engel ermöglichen Lot alle zu retten, die zu ihm gehören oder gehören wollen. „Da ging Lot hinaus, redete auf seine Schwiegersöhne ein, die seine Töchter heiraten wollten, und sagte: Macht euch auf und verlasst diesen Ort; denn der Herr will die Stadt vernichten. Aber seine Schwiegersöhne meinten, er mache nur Spaß.“ Obwohl Abraham hart verhandelt hat und Gott auch eingeschlagen hat, bleibt der freie Wille aufrecht. Auch eine wohlmeinende Bevormundung – wie sie Abraham beabsichtigt hat – gibt es bei Gott nicht. Er nimmt Jede und Jeden bei der eigenen Verantwortung. Es liegt immer noch am Einzelnen, ob er das Angebot Gottes annimmt oder nicht, ob man der lauernden Gefahr ins Auge sehen möchte und den Vorboten Glauben schenken mag. Es geht darum selbst Stellung zu beziehen und die eigene Meinung kundzutun.
Schlussendlich ist Gott noch großzügiger als es ihm Abraham abgerungen hat. Lot, seine Frau und seine zwei Töchter werden gerettet. Im Ergebnis gab es also „nur“ vier Gerechte in der Stadt. „Als Gott die Städte der Gegend vernichtete, gedachte Gott Abrahams und geleitete Lot mitten aus der Zerstörung heraus, während er die Städte, in denen Lot gewohnt hatte, einstürzen ließ.“ Die Fürsorge Gottes bindet sich nicht an eine Zahl, wenn es hart auf hart kommt, gilt sie jedem einzelnen. Am Ende gilt die Fürsorge Gottes noch dem letzten einsamen Gerechten.
Abraham macht eine tiefgreifende Erfahrung: In der rechten Gesinnung von Gerechtigkeit und Recht und wenn man anderen zum Segen werden möchte darf man mutig und kühn vor Gott hintreten. Wenn Jesus heute auf die Bitte seiner Jünger ein Beispiel gibt, wie man sich mit seinen Anliegen an den Vater wenden soll, dann verweist er auf das Selbstbewusstsein des Abraham: „Darum sage ich euch: Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet“. Der Stammvater Jakob bekam nicht umsonst den Namen: „Israel“ – Gottesstreiter. Wenn es um Herstellung von Recht und Gerechtigkeit geht bzw. anderen zum Segen zu werden, darf man selbstbewusst seine Bitte vorbringen. Gott will keine Duckmäuser, sondern Menschen, die im Einklang mit IHM gegen Unrecht und Unterdrückung aufstehen und um gute Lösungen ringen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Génesis anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Kolóssä anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: