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Das große Geheimnis 1.Lesung: Koh 1,2;2,21-23| 2.Lesung: Kol 3,1-5.9-11| Evangelium: Lk 12,13-21

Das große Geheimnis 1.Lesung: Koh 1,2;2,21-23| 2.Lesung: Kol 3,1-5.9-11| Evangelium: Lk 12,13-21

18. Sonntag im Jahreskreis 28. Juli 2025 Erich Baldauf Comments 2 Kommentare

Die Bibel ist ein religionskritisches Buch. Sie weiß, dass mit der Religion Menschen am subtilsten manipuliert, gedemütigt und unterdrückt werden können. Der Glaube berührt das Innerste von Menschen. Eine Schrift, die einen wichtigen Beitrag dazu leistet, ist das Buch Kohelet. Wir haben heute einen kurzen Abschnitt als Lesung gehört. Es ist zugleich der einzige Text, der innerhalb von drei Jahren aus diesem Buch an einem Sonntag gelesen wird. Es ist für mich Anlass einige Gedanken dieser Schrift näher zu bringen:

Der Missbrauch der Religion und der Religionen ist latent. Es gibt politische Akteure, Parteien, die sie für ihre Ideologie oder Strategie vereinnahmen, um mit ihr Macht auszuüben. Leider geht es hin bis zur Rechtfertigung von Gewalt und Kriegen (Selbstmordattentate, „heilige Kriege“). Es gibt aber auch in Familien die Versuchung, beziehungsweise die Versuche, mit der Religion die eigene Autorität zu legitimieren. Missbrauch ist es ebenso, wenn mit ihr andere Menschen ausgegrenzt oder abgewertet werden, z.B. auf Grund ihrer Neigung (LGBTQIA+), Hautfarbe oder ihrem Migrationshintergrund. Es gibt den geistig-geistlichen Missbrauch, wenn etwa religiöse Autoritäten die Religion verwenden, um Abhängigkeiten zu schaffen. Biblische Texte wie Kohelet treten dagegen auf.

Zunächst zum Hintergrund der Schrift: Kohelet entstand im 3. Jht. v. Chr., in einer großen Umbruchszeit. Alexander der Große hatte Palästina erobert. Er brachte die hellenistische Kultur mit. Sie war der bäuerlichen Israels weit überlegen. Historiker sagen, dass die bis dahin tragenden familiären und religiösen Strukturen zerbrachen. Es schwanden die Solidarität, der Zusammenhalt in den Verwandtschaften. Die neu eingeführte Götterwelt mit den entsprechenden Tempeln und Opferkulten, verbunden mit Abgaben und Steuern, konkurrierten mit dem Glauben Israels. Die Welt wurde für viele undurchschaubar. Es gab große Zukunftsängste. Das Geld wurde immer wichtiger. Mit Geld war alles zu haben. Kein Geld bedeutete Elend. Kohelet beobachtet aufmerksamst diese Vorgänge und sucht nach Antworten.

„Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne“ (Koh 1,2f). Was genau mit „Windhauch“ – im Hebräischen: „haebel“ – gemeint ist, ist schwer zu sagen. Früher wurde es mit „eitel“ übersetzt. Alles ist eitel – alles ist vergänglich; alles ist relativ. Moderne Übersetzungen sagen „sinnlos“, „vergeblich“, oder „absurd“.

Mit der Formulierung „alles ist Windhauch“ stellt Kohelet u.a. in Frage, dass das Glück machbar sei. Geld, Besitz – es ist Windhauch. Es gibt Situationen, da zählt dies alles nichts, und dies nicht erst im Tod. Wie sehr kann durch den Verlust der Gesundheit, durch ein Schicksal oder schlichtes Ereignis alles in einem neuen Licht erscheinen? Dass er den materiellen Besitz relativiert, das erwarten wir von der Bibel, aber er relativiert hier ebenso die Religionen, sogar die Gesetzestreue zur Thora. Ein religiöses Leben garantiert keineswegs das Glück. Manchmal geht es jenen Menschen, die sich nicht an das Gesetz (Gebote) halten, besser als dem Gesetzestreuen oder Glaubenden, stellt er nüchtern fest. Kohelet wehrt sich dagegen, dass die Religion durch (hohle) Versprechungen oder vertröstende Worte zum Glücksgaranten instrumentalisiert wird.

Gott bleibt für Kohelet das große Geheimnis, der Unverfügbare. Vereinfachende, eindeutige Antworten von und über Gott sind ihm ein Gräuel. Vermutlich würde Kohelet heute jenen kritischen Stimmen Recht geben, denen die Sprache der Verkündigung nicht mehr zeitgemäß, geerdet, oftmals als zu floskelhaft und banal erscheint. Er trägt der Tatsache Rechnung, dass es im Leben nichts gibt, was nur Vorteile hat, dass es auf viele Fragen keine klaren Antworten gibt und dass alles, was wir tun, den Charakter des Fragmentarischen, des Vorläufigen, des Bruchstückhaften hat. Kohelet redet von Gott sehr diskret und vorsichtig. Ein solches Reden über Gott bedeutet auch, dass wir es meiden andere Religionen zu bewerten, ob sie besser oder schlechter seien. Auch dürfen wir es lassen den Glauben anderer zu bewerten, ob sie gläubig sind oder nicht. Das ist allein eine Sache Gottes.

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass Kohelet kein „Weltverächter“ ist, der alles negativ sieht und deutet. Er warnt jedoch vor trügerischen Sicherheiten. Er lenkt in seiner Suche nach dem Sinn des Lebens, die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Er behauptet sogar – für unsere Ohren vielleicht überraschend: Gott offenbart sich in der weltlichen Freude. „Das eigentliche Geschenk Gottes besteht darin, … dass Gott dem Menschen durch die Freude seines Herzens Antwort gibt“ (Koh 5,19).

Er schätzt die Freude des Herzens als Gottes Geschenk: die Freude des Herzens, die die Natur bestaunt; die Freude, die aus einem Engagement, der Solidarität, dem Mitfühlen und der Sorge um den Nächsten erwächst. Er hinterfragt damit Weltverbesserer – auch die religiösen –, die nicht mehr in der Lage sind, den Augenblick zu genießen und die verbissen, verbittert und freudlos agieren, die in ihrer „Opferrolle“ ständig nach Mitleid haschen.

Er ist an anderer Stelle ebenso ein Korrektiv gegenüber der Nostalgie, die den „guten alten Zeiten“ nachtrauert, ein Korrektiv gegenüber einem restaurativen Denken und dem Glauben, dass die Antworten von gestern auf die Fragen von heute immer noch taugen. Kohelet im Originalton: „Frag nicht: Wie kommt es, dass die früheren Zeiten besser waren als die unsere? Denn deine Frage zeugt nicht von Wissen“ (Koh 7,10).

Gott ist Liebe. Papst Benedikt hat 2005 eine eindrückliche Enzyklika diesem Thema gewidmet. Gott ist Liebe. Er ist nicht lieblich, altväterisch, banal, abgehoben, desinteressiert und weltfremd. Bei Kohelet finden wir hilfreiche Gedanken zu einem solchen Gottesbild.

 

Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Kohélet anhören möchten:

https://bibellabor.at/wp-content/uploads/2025/07/C-18.-So-i-jK-1.-Lesung-3.8.mp3

 

Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolóssä anhören möchten:

https://bibellabor.at/wp-content/uploads/2025/07/C-18.-So-i-Jk-2.-Lesung-3.8.mp3

 

Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:

https://bibellabor.at/wp-content/uploads/2025/07/C-18.-So-i-Jk-Evangelium-3.8.mp3

 

In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.

Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.

 


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2 Kommentare zu “Das große Geheimnis 1.Lesung: Koh 1,2;2,21-23| 2.Lesung: Kol 3,1-5.9-11| Evangelium: Lk 12,13-21”

  1. Luitgard Blum sagt:
    2. August 2025 um 14:52 Uhr

    Lieber Erich, herzliches Dankeschön für deine interessante, mich berührende und zum Nachdenken anstoßende Auslegung…..Vieles, was Eins zu Eins in die Jetztzeit hineinspricht….
    Kohelet,eine biblische Stimme über alle Zeiten hinweg und persönliches Leben betreffend gültig….
    Danke!

    Antworten
  2. Artur sagt:
    2. August 2025 um 17:51 Uhr

    Ich erlebte es diese Woche, dass ein sozial sehr aktiver Mensch -wurde von sozialen Verbänden schon mehrmals geehrt- auf die Frage einer Mitaktiven : Kann ich mit Dir nach Hause fahren?, folgendermaßen reagierte: Du kannst im Kofferraum mitfahren.
    Da machte ich mir schon meine Gedanken , wie eine so in der Öffentlichkeit stehende Person einen anderen Menschen so herabsetzen kann.
    Ich denke, dass es für mich wichtig ist, täglich zu meditieren -z.B., Christus Jesus Gebet- um mehr Bewusstsein zu bekommen, und um abwertende Aktivitäten gegenüber meinen Mitmenschen zu vermeiden. Ich kann dadurch besser zuhören, anderen u. mir selber.
    Gesegnete Grüße

    Antworten

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