Den Stab für Amazonien erheben 1. Lesung: Ex 17,8-13| 2. Lesung: 2 Tim 3,4-4,2| Evangelium: Lk 18,1-8
Auf die erste Lesung gehe ich näher ein und stelle sie in einen größeren Zusammenhang:
Auf dem Weg durch die Wüste schlägt Israel in Refidim das Lager auf. Übersetzt bedeutet Refidim: „Stromschnellen“. Man höre und staune, es gibt für Israel an diesem Ort nichts zu trinken. Da geriet das Volk gegen Mose in Streit und sie murren gegen ihn und fragen: Wozu hast du uns herausgeführt, um mich (die Übersetzung verwendet die Einzahl für „Israel“), die Kinder und das Vieh sterben zu lassen?
Mose schrie zum Herrn und er hatte Angst vom Volk gesteinigt zu werden. Die Antwort des Herrn lautet: Nimm den Stab in die Hand, mit dem du auf den Nil geschlagen hast. Dort drüben am Felsen des Horeb schlag mit dem Stab drauf. Es wird Wasser heraus kommen. Mose tat es, wie ihm befohlen war.
Ein Volk, das in Refidim, an den „Stromschnellen“ lagert und nichts zu trinken hat. Israel als kleines und fremdes Volk bekommt nichts vom Reichtum der Umgebung ab. Es blüht der Handel, es fließt das Geld und dennoch dürstet das ausziehende Israel. Die Auflehnung des Volkes gegen Mose ist zu verstehen, der es nicht zu Wege bringt, dass etwas von diesem fließenden Reichtum sein Volk erreicht. Die Armen bzw. Armutsgefährdeten werden ausgegrenzt. Es bleibt offen, ob wirtschaftlich, spirituell, geistig oder geistlich.
Vielleicht erleben Menschen die Kirche in ähnlicher Weise. Sie birgt einen großen Schatz an Heilsamen. Sie ist „reich“, aber es gibt anstelle von Trost Verströstungen, anstelle von Liebe und Erbarmen Verordnungen und Verwaltung, anstelle von Frohbotschaft Moral, anstelle des dankbaren Teilens das Gerede von Werten, die hoch zu halten sind. Der Durst nach Leben und Liebe vermag nicht gestillt zu werden.
Nachdem Mose sich an den HERRN wendet, erhält er die Antwort: Er soll mit dem Stab auf den Felsen am Gottesberg Horeb schlagen. Horeb meint im Deutschen nichts anderes als „Wüste“ oder „Einöde“. Israel lernt an diesem Ort von einer anderen Quelle, von einem anderen Wasser, von der Quelle am Gottesberg zu leben. Ein Ort der Ruhe und Bescheidenheit – in den Augen vieler: nichts mehr als Wüste. Am Gottesberg, in der gesammelten Stille und Ruhe erschließt sich jene Quelle, die den Durst unerwartet und nachhaltig zu stillen vermag.
Wir dürfen in ähnlicher Weise sagen: Die Stromschnellen eines reinen Kapitalismus, der auf Gewinnmaximierung aus ist und einer liberalen Marktwirtschaft, die sich der Leistung und Konkurrenz verschrieben hat, stillen nicht den Durst nach Leben. Vielmehr ist zu erkennen, dass sie Natur, Mensch und Leben gefährden. Die Klimaerwärmung mit all den Folgen ist ein Zeichen der Zeit. Es braucht eine andere Quelle, die vielleicht vordergründig überhaupt nicht zu taugen scheint; diese Quelle, die in der Bescheidenheit eines Lebens in der Wüste zu finden ist, in der Achtung von Natur, Schöpfung, Tier und Mensch, in der Achtung der eigenen Grenzen und der Ressourcen der Welt.
Unmittelbar auf diese Erzählung folgt die erste Lesung des heutigen Sonntags. Amalek sucht in Refidim den Kampf mit Israel. Der Name Amalek macht verständlich, warum Israel in Refidim nichts zu trinken erhält. Amalek meint: „Herrschervolk“, näher hin ein Volk, „das andere (Völker) aussaugt“.
Mose mit Israel stellt sich diesem Kampf. Auf einige bemerkenswerte Elemente darf ich hinweisen:
Mose stellt sich auf einen Berg und hält die Hände hoch. Er ist einer, der da steht und den Anderen Orientierung gibt. Er ist einer, der die Initiative ergreift und Josua aufträgt, in den Kampf zu ziehen. Er selbst hält auf dem Gipfel des Berges die Hände hoch, er hält die Hoffnung hoch. Wenn er sie sinken lässt, sinkt der Mut und die Kraft für den Kampf. Es darf angemerkt werden: Unmittelbar davor murrte das Volk noch gegen Mose. Er ist jetzt in der Situation, dass sie ihn wieder dringend brauchen.
Aber nicht nur, dass das Volk Mose braucht, sondern auch umgekehrt. Mose braucht Gehilfen, die seine Hände stützen. Vielleicht würde man sie heute Beraterin, Coach, Vorstand oder Aufsichtsrat nennen, vielleicht sind es solche, die einfach da sind, mit ihm die Situation aushalten oder ihn im Gebet mittragen. Mose braucht Menschen um sich, die ihm helfen, die Hoffnung hoch zu halten.
Beachtenswert finde ich ebenso, die verschiedenen Ebenen und Rollen, die uns da vorgestellt werden: Josua befindet sich mit seinen Leuten im Tal. Er führt den Kampf im Alltag, im Alltagsgeschäft. Er wählt seine Leute aus. Es braucht Kompetenz. Es braucht Mut. Es braucht Wissen und Erfahrung. Nicht jede oder jeder ist geeignet. Mose überträgt die Verantwortung für die Auswahl Josua. Er macht es nicht selbst.
Mose selbst ist auf den Gipfel des Berges gestiegen. Es braucht den Überblick und die nötige Distanz zum Geschehen. Es braucht letztlich die Nähe, beziehungsweise Rückbindung an Gott. Es sind Menschen, die geistig-geistlich vorausdenken, die die größeren Zusammenhänge im Auge haben und die vor allem dem nachspüren, was dem Leben dient. Darin zeigt sich der Wille Gottes.
Es ist interessant, dass Mose dem Volk Israel nicht befiehlt weiter zu ziehen, sondern dem Volk zumutet, sich dem Kampf zu stellen, sich also gegen das „Ausgesaugtwerden“ zu wehren. Mit Weiterziehen oder Flucht wird das Problem nicht gelöst. Vor diesem Hintergrund dürfen wir der Amazonassynode Gottes Segen wünschen. Der Amazonas gleicht Refidim. Es ist in vielfacher Hinsicht eine reiche Gegend, aber die indigenen Völker können ihren Durst nach Leben nicht stillen. Mögen die Synodenmütter und -väter den Stab auf den Felsen am Gottesberg Horeb schlagen.