Den Weg ebnen 1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11 | 2. Lesung: 1 Thess 5,16-24 | Evangelium: Joh 1,6-8.19-28
„Ich bin eine Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“ Das ist die Antwort, die Johannes auf die Frage gibt: Wer bist du?
Er ist nicht das Licht. Er ist nicht der Messias. Er ist nicht ein Prophet. Er ist eine Stimme; eine Stimme in der Wüste.
Zunächst etwas zum Hintergrund der beiden Schriftstellen aus Jesaja und zu Johannes dem Täufer. Es wird da gesagt: „Ebnet dem Herrn den Weg.“ In Babylon gab es regelmäßig Götterprozessionen, um ihre Herrlichkeit darzustellen, besonders auch nach gewonnen Schlachten. Riesige und schwere Götterstatuen und –bilder aus Stein, Metall oder Holz von 4 bis 5 m Höhe – teilweise vergoldet – wurden auf den Weg gebracht. Sie standen auf Sockeln und auf Rundlingen aus Holz wurden sie transportiert, weitergerollt. Immer wieder neu mussten die Rundlinge vorneweg unter den Sockel gebracht werden. Es war Schwerstarbeit für die Sklaven. Man kann sich vorstellen, wie sehr diese Statuen geschwankt und gewackelt haben und welche Mühe notwendig war, damit sie nicht umfielen. Und wenn wieder so eine Prozession geplant wurde, musste im Vorfeld eine möglichst ebene Straße in der Wüste geschaffen werden. Wieder die Handarbeit von Sklaven, die Hügel abzutragen, Schluchten aufzufüllen, eine möglichst ebene Fläche zu errichten.
Jesaja ist mit diesem Schauspiel konfrontiert. Die Herrlichkeit des Herrn, die Herrlichkeit Gottes zeigt sich für ihn nicht in einer Gestalt, die wackelt und umzufliegen droht, zeigt sich nicht in einer Gestalt, die da von Sklaven mühsam vorwärts gebracht werden muss. Die Herrlichkeit des Herrn erweist sich im Dasein, im Mitgehen in der Zeit, im Mitgehen durch die Zeit. Die Herrlichkeit des Herrn zeigt sich in seiner Gerechtigkeit, zeigt sich in der unverbrüchlichen Treue, in seiner Hinwendung zu Notleidenden und Unterdrückten. Das ist die Umschreibung von dem, was mit Herrlichkeit Gottes – mit „kabod“ auf Hebräisch – gemeint ist und was wir in unseren Gottesdiensten immer wieder – besonders im Sanktuslied: im Heilig, Heilig … – besingen. Die Herrlichkeit Gottes ist nicht irgendetwas Nebuloses im Himmel droben, sondern die Treue und Solidarität Gottes, die im Besonderen Menschen in Not gilt. Diese Herrlichkeit Gottes wird nicht nur fallweise bei einer etwaigen Prozession sichtbar, sondern sie ist Gegenwart, begleitet unsere Geschichte und Zeit, sie gehört zum Wesen Gottes.
Diesen Gott bezeugt Johannes der Täufer und ruft als Stimme in der Wüste: Ebnet ihm den Weg. Tragt ab die Zweifel an dieser Treue. Tragt ab, die Vorbehalte gegenüber diesem Gott der Gerechtigkeit. Arbeitet ab den Ballast von Erfahrungen, die euch misstrauisch mach(t)en. Bereitet dem Herrn den Weg. Tretet auf gegen Stimmen, die von Menschen zur scheinbaren Ehre Gottes Sklavendienst verlangen, die im Namen Gottes ihre Privilegien schützen. Tretet auf gegen Tendenzen, die mit Gott Macht ausüben und Unrecht festschreiben.
Johannes ist Zeuge für diesen Gott als Rufer in der Wüste. Was meint Zeuge sein? Wenn ich Zeugnis ablege, dann muss ich niemanden überzeugen. Ich muss und kann vermutlich auch nichts beweisen. Beim Zeugnis ablegen stehe ich für etwas ein: für Gott, für eine Überzeugung, für Recht und Gerechtigkeit … Ich darf darauf vertrauen, dass es wirkt, eine Wirkung haben wird. Beim Zeugnis ablegen, kann ich keinen Erfolg messen, muss ich auch keinen Erfolg messen.
Wir sind gerufen, den Glauben zu bezeugen. Es ist nicht an eine bestimmte Zahl von Menschen gebunden. Natürlich sind wir froh, wenn ich oder wir nicht alleine dastehen, aber im Letzten bin ich als Zeuge gefragt. Bei Paulus lernen wir, dass jede Situation geeignet sei, ob auf Reisen, Besuchen, beim Gericht als Angeklagter, Verfolgter, in Hunger, Kälte oder im Gefängnis. Zu jeder Zeit und in jeder Situation kann ich Zeuge sein. Das Zeugnis ablegen kann zu einem sehr einsamen Weg werden.
Zeugnis ablegen: Es ist nicht damit getan, dass ich meine religiösen Bedürfnisse befriedigt habe oder meinen täglichen, religiösen Soll erfülle. Zeugnis ablegen, so beschreibt es Papst Franziskus in seinem Schreiben „Evanglii gaudium“ ist eine Freude teilen. Eine Freude teilen können Menschen, die sich beschenkt, bereichert wissen; die darum wissen, dass nichts selbstverständlich ist: weder die Liebe von Mitmenschen noch das einen Menschen lieben können; weder die Gesundheit, die Arbeit, die Muse, die geschenkten Talente, noch das Leben selbst – und das in unserem grandiosen Land.
Zeugnis ablegen – es ist eine Haltung, die auf Gewalt verzichtet, die auf die Kraft des Zeugnisses, d.h. auf die Kraft Gottes vertraut und die fragt: Was leben wir als Christen? Ja, jede christliche Gemeinschaft oder Gemeinde wird in einer verstärkt säkularen Gesellschaft sich die Frage zu stellen haben: Was unterscheidet uns von andern Menschen? Für was leben wir? Welche Haltungen zeichnen uns aus? Welche Freude teilen wir? Was steckt an? Sicher nicht das Jammern über die scheinbar schlechten Zeiten.
Wie bezeugen wir die Herrlichkeit Gottes, diese Zuwendung Gottes zu den Menschen in Not. Diese Herrlichkeit Gottes gilt es zu preisen und zu loben und zu leben.
Zeugnis ablegen – eine Haltung, die den Menschen und der Welt langfristig Halt gibt.
Ein Kommentar zu “Den Weg ebnen 1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11 | 2. Lesung: 1 Thess 5,16-24 | Evangelium: Joh 1,6-8.19-28”
Vielleicht ist es hilfreich den Hinweis im Evangelium auf Jesaja 40 dort direkt nachzulesen – ganz richtig zitiert wird er nämlich nicht 😉 Das Evangelium des 3. Adventssonntags greift diese Passage mit einer Frage an Johannes den Täufer nochmals auf: „Was sagst du über dich selbst? Er sagte: Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft: Ebnet den Weg für den Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“
Bei Jesaja 40,8 kann man eine kleine Zurechtrückung von Kohelet herauslesen: „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, doch das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit.“ Kohelet meint, dass alles seine Zeit hat bzw. Windhauch ist. Jesaja ist es hier offensichtlich ein Bedürfnis, die Ewigkeit des „Wort Gottes“ hervorzuheben.