Wüste – Aufbruch des Glaubens 1. Lesung: Jes 40,1-5.9-11 | 2. Lesung: 2 Petr 3,8-14 | Evangelium: Mk 1,1-8
Markus beschreibt den Anfang einer guten Botschaft, den Anfang des Evangeliums. Es gleicht einer Tür, durch die uns die Botschaft entgegenkommt, bzw. durch die wir geführt werden.
Der Anfang dieser Botschaft ist ein sehr bescheidener, wohl auch in der damaligen Zeit. Niemand hat davon Notiz genommen. In keinem Medium der damaligen Zeit war es Anlass zu einer Schlagzeile. Kein Schriftsteller hat Johannes in einem Buch oder in einer Chronik erwähnt. Es ist für die Welt nicht erwähnenswert, was Johannes sagt, lebt und tut. Viele, viele Jahre später ist es allein Markus, der diesen Anfang des Johannes in seinem Evangelium niederschreibt.
Nochmals: Es ist ein bescheidener und unscheinbarer Anfang. Ein Mann: Johannes. Keine Spur von einer Massenbewegung. Als einzelner Mensch beginnt er eine neue Lebensweise. Getrieben von einer inneren Stimme, getrieben von einer Situation, die nach Lösung sucht, tritt er wortmächtig auf.
Die Frage ist: Was hat diesen Johannes umgetrieben. Er setzt nämlich diesen Anfang nicht in einem bevölkerten Ballungszentrum wie Jerusalem, sondern in der kargen, schwer bewohnbaren Wüste, in der Einsamkeit. Für ihn fällt Jerusalem mit dem Tempel – das religiöse Schwergewicht – als Ort des Neubeginns aus. Zu eingefahren und festgefahren sind die Riten und Strukturen, zu verkommen ist das religiöse Tun, das für Gottes Willen und Weisungen Raum lässt. Die Priesterschaft hat ihren Status und ihre Privilegien und das wollen sie nicht gefährden.
Aufbrüche des Glaubens – auch andere Aufbrüche – erfolgen oft im Unscheinbaren, am Rande, in und mit Menschen, die sich herausfordern lassen. Johannes geht in die Wüste hinaus. Es ist ein Schritt ins Ungewisse. Hier hat er keine Privilegien zu erwarten. Hier hat er keine gesicherte Existenz. Hier zählt vor allem das, was er ist, was er glaubhaft lebt und wovon er selbst erfüllt ist.
Johannes wirkt in der Wüste. Seit der Wüstenwanderung ist für Israel die Wüste eine Zeit der Geduld und des langen Atems, eine Zeit des Übergangs und des Neuwerdens.
Es ist kein Ort, bei dem man aus dem Vollen schöpft. Die Wüste ist ein Ort der Krise, der beschränkten Möglichkeiten. Sie ist zugleich der Boden, auf dem sich Neues vorbereitet. Das mag ein Bild der Hoffnung für unsere Kirche sein, die derzeit nicht den Anschein gibt, aus dem Vollen schöpfen zu können. Es mag ebenso ein Bild der Hoffnung sein für eine Welt, die große politische Veränderungen und Verunsicherungen erlebt. Es mag ein Bild der Hoffnung sein für eine Gesellschaft, die durch die Digitalisierung und Roboterisierung sich neu in der Solidarität, Kommunikation und Vergemeinschaftung suchen wird müssen.
Wüste, Wüstenzeiten sind verbunden mit der biblischen Zusage, dass sich Gott jener annimmt, die darin leben oder auf dem Weg sind.
Johannes wirkt in der Wüste. Er kann jenen, die zu ihm kommen, keine Gefälligkeiten, Trostpflaster oder größere Versprechen anbieten. Sein Dienst besteht in erster Linie darin, die Menschen nachdenklich zu machen, sie auf neue Weise mit Gott, seinem Willen und seiner Botschaft in Berührung zu bringen. Sie zu einem neuen Denken hinzuführen. Jene, die kommen, sind selbst angefragt. Sie gehen als Veränderte, als Verwandelte in ihr Leben zurück.
Was erwarten wir heute von der Verkündigung, von einem Gottesdienst: Bestätigung dessen, was bisher war oder gerade die Infragestellung des Gewohnten?
Der Evangelist Markus schildert uns hier keinen Einzelfall eines bescheidenen Anfangs. Die Bibel kennt viele: Abraham macht sich mit seiner Frau Sara, Lot und einigen Mägden und Knechten auf den Weg. Moses ist zunächst ein einzelner, der sich nichts zutraut, sich klein und schwach vorkommt. David ist der jüngste der Familie, dem ebenso niemand etwas zutraut außer Samuel, der ihn schließlich zum König auserwählt. Auch mit den adventlichen Gestalten Maria und Johannes d. T. setzt Gott so unscheinbare Anfänge.
Vielleicht können wir von diesem Evangelium besonders den Gedanken mitnehmen: Dem eigenen Neuanfang zu trauen, selbst wenn er bescheiden ist. Es gibt die Versuchung, sich der Umwelt und dem Niveau der anderen anzupassen. Man will weder positiv noch negativ auffallen. Es ist das Motto des Dabeiseins, des Mitschwimmens mit den anderen.
Der Evangelist hebt bei Johannes d. T. hervor, dass es ihm um mehr geht. Mitschwimmen ist für ihn zu wenig. Er bricht auf, wagt, riskiert, beginnt etwas Neues. Er tut nicht weiter das, was die anderen tun. Er verlässt den verführerischen Trott: So wie es bisher war, soll es weiter bleiben. Er verlässt diese gewohnte Welt und setzt Schritte hinaus ins Ungewisse, in die Wüste, in die Welt Gottes.
Vielleicht kann die Bischofsweihe von Bischof Hermann Glettler in Innsbruck ein Zeichen sein. Er feierte sie nicht im Dom, sondern in der Olympiahalle mit 8000 Menschen. Dürfen wir als Seelsorgeraum in Dornbirn bei einer Neuerstellung der Gottesdienstordnung, die im kommenden Jahr ansteht, vielleicht auch Neues andenken? Johannes d. T. hat den Tempel gemieden.
Dabei hat er nicht das Ziel, besser als die anderen zu sein, sondern er sucht die Spur Gottes, seinen Willen. Er lässt Gott bei sich ankommen, das ist sein Neuanfang. Wir müssen nicht besser als die anderen sein, aber lebendig, sich selbst hinterfragend: Was ruft bei mir nach Neubeginn? Vielleicht ist es die Neugestaltung einer Beziehung? Vielleicht ein anderer Umgang mit der Schöpfung, mit der Energie? Vielleicht ein neuer Umgang mit dem Geld, mit dem solidarischen Denken? Vielleicht eine andere Art des Arbeitens? Vielleicht eine intensivere Beschäftigung mit Menschen in Not, die für mich noch fremd ist? Oder schlicht die Auseinandersetzung mit dem lebendigen Gott?
In den Neuanfängen erfahre ich, erfahren wir den lebendigen Gott.