Der Weg zu Gott bleibt für alle offen 1. Lesung: Jes 60,1-6 | 2. Lesung: Eph 2,2-3a.5-6| Evangelium: Mt 2,1-12
Historisch mag der Wert der Kindheitserzählungen gering sein, aber umso größer ist der Schatz an Glaubenswahrheit und Lebensweisheit. Das Erzählte geht jeden Menschen an. In jedem sind die verschiedenen Personen und Stimmen gegenwärtig. Jeder Mensch ist auf der Suche nach dem Stern, auf dem Weg zum Kind in Betlehem, in jedem gibt es die Stimmen des Herodes, der Schriftgelehrten, der Pharisäer, aber eben auch der Sterndeuter und das Finden des Kindes.
Sterndeuter aus dem Osten kommen und suchen nach dem König der Juden. Sie haben seinen Stern aufgehen sehen. Der König der Juden ist nichts anderes als Gott selbst. Seinen Stern haben sie aufgehen sehen, d.h. sie sind neugierig geworden. Vielleicht durch eine Begegnung mit gläubigen Juden, vielleicht durch ein Wort der Schrift oder durch ein anderes Ereignis … wurde ihr Interesse geweckt. Es sind Heiden, die unerwartet den Stern entdecken, an dem sie sich orientieren können.
Eine erste wichtige Erkenntnis: Die heidnische Welt, das Unerlöste, das Unfreie hat das Bedürfnis mit Gott in Berührung zu kommen, hat Sehnsucht nach Leben. Heidnisches – vermutlich hat jeder Mensch solche Anteile, die noch nicht mit Gott in Berührung stehen – bei manchen kann es die Welt der Finanzen oder des Besitzes sein, bei anderen die Arbeitswelt, in der Menschlichkeit, Solidarität, Mitgefühl nicht zugelassen werden. Wieder für andere kann es der Kult um die Freizeit sein, der das ganze Leben bestimmt. Heidnisch kann der Glaube werden, nämlich dann, wenn er zur Privatsache verkommt oder zum Instrument der Machtausübung oder zum Erhalt von Privilegien führt. Der jüdisch-christliche Glaube ist eng verbunden mit Solidarität, gegenseitiger Verantwortung und Suche nach Gerechtigkeit.
Nochmals, unser Evangelium erzählt sehr hoffnungsvoll, dass es Kräfte, Stimmen, Anteile in dieser heidnischen Welt gibt – also auch in meiner in der die Gottsuche und die Sehnsucht nach dem Leben, dem wirklichen Leben, hervor treten.
Die Sterndeuter machen sich auf den Weg und suchen das Königskind. Natürlich zunächst beim König. Wo sonst?
Wo suchen wir das Leben? Wo die Lösungen für Probleme? Wo suchen wir Freiheit oder Befreiung? Der erste Weg führt sie zu König Herodes. Er ist mächtig. Er hat alles in der Hand. Er muss es doch sein. Aber weit gefehlt, so erzählt es uns dieses Evangelium.
Herodes fürchtet Konkurrenz. Er hat die Absicht, das Kind – die Konkurrenz – zu beseitigen. Bei einem Leben ohne Gott droht die Angst vor Konkurrenz. Bei Herodes wächst sie ins Unermessliche. Er trägt zwar zur Hilfe bei der Suche bei, hat aber böse Hintergedanken. Er holt Rat bei den Schriftgelehrten. Es ist ein Rat, der ihn selbst unberührt lässt, so nach dem Motto: Für andere weiß man, was gut ist. Er selbst bleibt im gewohnten Denken und in seiner Angst um Konkurrenz. Es sind Haltungen, die den Anfang tödlicher Spuren in sich tragen.
Herodes steht ferner für Anteile und Stimmen im Leben, die sich gegen Veränderungen stellen. Er will und kann nicht Umdenken. Das mutet er höchstens anderen zu.
Es gibt auch die Stimmen und Anteile der Schriftgelehrten in uns, wie sie das Evangelium schildert: Sie kennen das Wort. Sie wissen, wo sie die Antwort auf die Fragen des Lebens finden, aber die entdeckte Antwort bewegt sie nicht, schon gar nicht ihr Herz, ihr Tun und Handeln. Es fehlt die Begeisterung, das Ergriffensein. Sie bleiben stehen bzw. man könnte auch sagen: Sie sitzen auf ihrem Wissen und lassen die Sterndeuter weiter ziehen.
Spannend erscheint mir ferner, dass Herodes und die Schriftgelehrten mit ihrem Verhalten trotz allem Werkzeug für die Sterndeuter sind, ihren Weg zum Kind zu finden. Es ist Evangelium – gute Botschaft: Der Weg zu Gott bleibt offen, selbst wenn Menschen versagen, stehen bleiben, unerlöst sind, Glauben vortäuschen und vielleicht zutiefst heidnisch sind.
Wenn man Menschen frägt, wie sie zum Glauben gekommen sind oder wie sie Gott gefunden haben, dann können das die unterschiedlichsten Erfahrungen, Wege und Begegnungen sein, die ihnen diesen „Stern“ aufgezeigt haben.
Die Sterndeuter finden ein Kind. Über diesem Kind bleibt der Stern stehen. Ein Kind muss ins Leben geliebt werden. Es ist verletzlich und ist auf Hilfe angewiesen. Neues Leben wächst uns dann zu, wenn wir uns ins Leben lieben lassen. Wir wissen, wie schwer das sein kann z.B. mit einem Menschen, mit dem man einen Konflikt auszufechten hat. Damit Versöhnung möglich wird, braucht es diese Haltung der Verletzlichkeit, dieses sich von diesem Menschen lieben lassen. Es ist der Weg zum Leben: klein werden vor Gott, klein werden vor Menschen.
Von den Sterndeutern heißt es, dass sie dem Kind huldigten. Der Respekt und die Achtung vor der Hilflosigkeit und Verletzlichkeit der Menschen verwandeln die „Anbetenden“ selbst. Der respektvolle Umgang mit der Verletzlichkeit und Hilflosigkeit eines „Kindes“ führen zu den stark machenden Begegnungen, nicht jene, in denen wir die Macht über andere ausspielen oder überhaupt mit Menschen spielen.
Gott als Kind, dessen Verletzlichkeit und Hilflosigkeit wirbt um meine, um unsere Liebe. Welch ein Wagnis? Welch ein Glück?