Erwählt-Sein in Christus 1. Lesung: Sir 24,1-2.8-12 | 2. Lesung: Eph 1,3-6.15-18| Evangelium: Joh 1,1-18
Wir haben die Geburt Jesu Christi gefeiert, eines neuen Lebens und einer neuen Hoffnung. Die Geburt eines Kindes ist in einer Familie gewöhnlich ein Großereignis. Es verändert viel, manchmal stellt es das Leben einer Familie völlig auf den Kopf, insbesondere wenn es das erste ist. Ich will mich auf die Lesung aus dem Epheserbrief einlassen. Es geht da um nichts weniger als um neues Leben, um ein neues Menschsein. Neues ist geworden.
Es ist bedauerlich, um es wieder einmal festzustellen, dass wir in den Gottesdiensten nur einen Abschnitt bzw. Ausschnitt aus einem größeren Werk erhalten und dadurch wichtige Dimensionen der Bibel nicht zum Tragen kommen. Wir hörten Teile aus dem ersten Kapitel. Es ist für mich unerklärlich, warum diese willkürliche Auswahl von Versen erfolgte und zugleich ist hinzuzufügen, dass es der Vorspann zu einem anderen großen Thema ist, nämlich der Einheit von Juden und Heiden, die in Christus Jesus begründet ist. Dazu nun mehr:
Gepriesen sei Gott, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt … so hat die Lesung begonnen.
Der Autor des Briefes preist zunächst Gott. Das Preisen hat ihren Grund in einer großartigen Erfahrung. Durch und mit Christus ist etwas Neues entstanden, eine neue Gemeinschaft, ein neues Miteinander von Juden und Heiden. Er preist aus vollem Herzen Gott, denn er sieht eine Gruppe von Menschen vor sich, die sich als Gemeinschaft treffen und sich um ein gutes Miteinander mühen, wenngleich sie sich bisher als Todfeinde ansahen. Er kann da nur Gott preisen für das, was da neu gewachsen ist.
Die Erwählung meint nicht, dass da Menschen zu den Besseren zählen und anderen überlegen sind. Ein solcher Erwählungsgedanke ist der Bibel fremd. Israel ist nicht besser als andere Völker. Israel ist von Gott in dem Sinne erwählt, dass er sich aus den vielen Völkern eines ausgewählt hat, um sich darin zu offenbaren. Die Geschichte Israels ist über weite Strecken eine leidvolle mit der manchmal verständlichen Frage: Wo war da Gott? War er überhaupt da? Hat er es nicht mehr als andere geprüft?
So bedeutet auch für Paulus das Erwählt-Sein nicht ein den anderen Menschen Überlegen-Sein, sondern es ist für ihn verbunden mit einem Auftrag, nämlich selbst als neuer Mensch zu leben bzw. eine Gemeinschaft in einer neuen Weise zu leben, bestehend aus Heiden und Juden. Ein Kapitel weiter lautet es: „Jesus Christus hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16).
Paulus erlebt diese jungen christlichen Gemeinden, Gemeinschaften aus Juden und Heiden. Es ist da etwas gewachsen, was niemand für möglich hielt. Er sieht es als Gnade an, als Geschenk Gottes. Er weiß auch darum, dass es mehr ist als Menschenwerk, mehr ist als das, was er mit seinem bisherigen, enormen Einsatz bewirken hätte können.
Paulus preist auch deshalb Gott, weil er hinter allem den größeren Urplan Gottes erkennen kann. Schon vor der Grundlegung der Welt – also vor die Welt geschaffen war – plante Gott bereits dieses versöhnte Miteinander, das nun Wirklichkeit geworden ist. Es sind Hoffnungszellen für eine politisch und gesellschaftlich gespaltene und zerrissene Gesellschaft. Aus tiefer Dankbarkeit preist Paulus Gott dafür.
Im zweiten Teil der Lesung dankt der Autor auch all jenen, die sich auf diese Gemeinschaft eingelassen haben. Er dankt dafür, dass sie den Glauben haben, dass diese Gemeinschaften Zukunft haben werden. Ja, er weiß, dass diese Gemeinschaften vielen Anfeindungen ausgesetzt sind, z.B. ihnen Verrat am Glauben vorgeworfen wird, es bei ihnen Unterschiede und Gegensätze gibt, die viel Liebe, Rücksicht und Geduld brauchen, um miteinander auf dem Weg blieben zu können. Er erwähnt es eigens: Ich habe von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört. Hinter dem Begriff „Heilige“ verbergen sich die unterschiedlichsten Menschen, deren Gegensätze nicht groß genug gedacht werden können.
Verständlich, dass er für sie um den Geist Jesu Christi, um den Geist der Weisheit und Offenbarung bittet, damit die Augen des Herzens verstehen können, was für das Miteinander notwendig ist und sie weiter von einer Hoffnung für die vielen, im Elend lebenden Menschen getragen sind.
Der Epheserbrief hat als einen zentralen Gedanken: „In Jesus Christus ist die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16). Paulus hat sich mit dieser Vision auf den Weg gemacht und hat es als Aufgabe gemacht, jene für diese Botschaft zu gewinnen, die als die Todfeinde galten: die Heiden. Wir wissen, dass er dafür Schläge erhielt, eingesperrt wurde, Schiffbrüche erlebte und überlebte, im Gefängnis war u.a.m.
In Christus ist die Feindschaft getötet. Paulus sieht es als Urplan Gottes. Das ist das Erwählt-Sein in Christus. Es ist ein Erwählt-Sein, das uns nicht erlaubt andere abzuwerten oder uns als bessere Menschen zu sehen.
Ich sehe es als Anfrage an unsere christlichen Gemeinschaften und die Kirche: Ist die Feindschaft in Christus Jesus getötet? Ist sie nicht vielmehr sehr lebendig? Alles Gerede von „Fernstehenden“, Ungläubigen, Andersgläubige u.ä. schürt Feindschaften, trägt zumindest zur Ausgrenzung bei.
Was heißt es für die Kirche, für mich als Gläubigen, wenn wir heute in den Fußstapfen eines Paulus gehen wollen: In Christus Jesus ist die Feindschaft getötet? Gerade mit jenen Gemeinschaften zu gründen, die als Feinde, Todfeinde gelten?
Es stirbt eine bestimmte Gestalt von Kirche, weil uns vielleicht Gott an seinen Urplan erinnern und heran führen will. Die Geburt eines neuen Lebens, von Gemeinschaften, in denen die Feindschaft tot ist; Gemeinschaften, in denen Christen, Muslime, Ausgetretene, Migranten, … im Geist Jesu auf dem Weg sind. Es passt das Bild dazu: Sauerteig einer neuen Gesellschaft zu sein.
Es sei uns bewusst, dafür hat Paulus sich mit seinem Leben eingesetzt. Es sei uns ebenso bewusst, dass er es als Gnade ansah, dass solche Gemeinschaften entstehen konnten und er dafür Gott aus ganzem Herzen pries.