Dialoge der Schöpfungsgeschichte 1. Lesung: Gen 2,18-24|2. Lesung: Hebr 2,9-11|Evangelium: Mk 10,2-16
Die biblischen Texte sind meistens sehr vielschichtig und nehmen zu unterschiedlichsten Themen Stellung. Da wir heute Erntedank feiern, beziehe ich mich in besonderer Weise auf die Lesung aus dem Buch Genesis.
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Es ist die erste wörtliche Rede Gottes in der Bibel. Damit wird deutlich, was die erste Grundsorge Gottes ist, nämlich das Verhindern des Alleinseins. Es ist damit immer schon göttliches Handeln, wenn wir uns um Menschen sorgen, die von Einsamkeit bedroht sind.
Gott verwendet viel Phantasie, um dem Alleinsein entgegen zu wirken. Er hat zuvor schon die vielen Pflanzen, Sträucher und Bäume geschaffen, die das Leben des Menschen bereichern. Nun schafft er aus dem Erdboden die Tiere des Landes und die Vögel des Himmels. Es mag in unseren Ohren etwas simpel klingen, aber es sind wichtige Glaubensfragen angesprochen. In einer Welt, in dem im Umfeld Israels manche Tiere als Götter oder Halbgötter verehrt wurden, sind diese damit entmythologisiert. Sie sind von Gott geschaffene Wesen. Sie müssen nicht als Götter oder Göttinnen verehrt werden. Sie sind keine „Herren“ über den Menschen, sondern sie sind ihm zugewiesen. Er darf ihnen einen Namen geben.
Der Auftrag, ihnen einen Namen zu geben, erlaubt es dem Menschen, sie in den Dienst zu nehmen, mit ihnen zu arbeiten, auch sich von ihnen zu ernähren – Milch, Honig, Eier… Einen Namen zu geben schließt einen weiteren Aspekt ein: Wenn Probleme oder Schwierigkeiten auftreten, ist jeweils ein wichtiger Teil der Lösung die Sache zu benennen. Bei einer Krankheit ist die richtige Diagnose wichtige Voraussetzung, um eine heilsame Therapie beginnen zu können. In Konfliktsituationen gilt es die Ursache zu benennen, damit es zu einer Lösung kommen kann.
Das Namengeben ist verbunden mit dem Ordnen der Lebenswelt, mit der Ermöglichung in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu leben. Es ist Ausdruck von Achtung und Wertschätzung. Ohne intensive Beschäftigung bekommen die Tiere in dieser Lebenswelt nicht den rechten Platz, nicht den rechten Namen, nicht die ihnen zukommende Würde. Wir ahnen vielleicht, dass das biblische Namengeben kein Auftrag des Uranfangs ist, sondern wir heute genauso diesen Auftrag haben, den Tieren jeweils ihren Namen zu geben. Es ist das Garantieren von Lebensraum, von Vielfalt, von Würde und Achtung den Tieren gegenüber.
Wir dürfen uns nochmals in Erinnerung rufen, weshalb Gott die Tiere des Landes und die Vögel des Himmels schafft(e). Wir dürfen dabei die Fische im Meer dazu denken. Sie sind geschaffen, damit der Mensch nicht allein bleibt. Oder anders formuliert: Damit der Mensch nicht verloren geht.
Der Text aus Genesis weist uns den Weg im Umgang mit der Tierwelt. Wir müssen die Tiere nicht vergöttern: keinen Löwen, keinen Adler, keine Katze und keinen Hund. Die Tiere sind aber zugleich wichtiger Teil des Lebens. Sie verdienen Würde und Achtung. Ohne sie verliert der Mensch und das Menschsein.
Die Bibel führt die Gedanken weiter. Gott hatte bereits viel Phantasie aufgewendet, aber doch zu wenig. Der Mensch trifft die Feststellung: Eine Hilfe, die ihm ebenbürtig wäre, fand er nicht (unter den Tieren). Aus einer Rippe baut (bildet) Gott eine Partnerin, einen Partner. Die Partnerin, der Partner ist nicht dem Kopf oder der kleinen Zehe entnommen, sondern aus einer Rippe gebaut. Es ist ein Organ, das dem Herzen nahe ist. Jede Überhöhung oder Unterwürfigkeit oder jedes Gefälle verhindert wirkliche Partnerschaft. Es verunmöglicht eine ebenbürtige Hilfe, wie die Schrift es formuliert.
Das Alleinsein findet seine Überwindung, wenn ich einem Menschen begegnen darf oder kann, der dem Herzen nahe ist oder nahekommt. Es gilt auch hier genauer hinzusehen, welche Weisheit die Erzählung enthält. Es ist von einem tiefen Schlaf die Rede, in dem Entscheidendes geschieht. Wenn ein Mensch schläft, tut er einmal gar nichts, außer vielleicht träumen oder zuwarten. Eine Partnerin oder einen Partner kann man nicht einfach kaufen oder machen. Sie oder er ist das Werk eines ANDEREN, das Geschenk aus einer ANDEREN Welt. Und dennoch kommt ein Mensch nicht aus dem luftleeren Raum. Jeder Mensch bringt Geschichte mit, die persönliche und die einer Familie. Ein Partner oder Partnerin wird aus der „Rippe“ von Gott gebildet, gebaut. Für eine ebenbürtige Partnerschaft, die zur Hilfe wird, ist die Herzensbildung notwendig. Sie wird gebildet. Sie wird gebaut, so übersetzt die neue Einheitsübersetzung. Das Wort „Bauen“ macht deutlich, dass es mit Mühe verbunden ist. Die Herzensbildung hat ihre Wurzeln im Dialog mit Gott, im ebenbürtigen Dialog mit Menschen, im ebenbürtigen Dialog mit der Schöpfung.
Wir feiern heute Erntedank. Wir danken für die Früchte der Erde, die uns gewachsen sind. Mit Erntedank verbinde ich auch den Dank für jene Menschen, die mir als Partnerinnen und Partner geschenkt sind, damit ich nicht als Mensch verloren gehe. Ich danke Gott für alle, die die Herzensnähe suchen, pflegen und leben. Denn: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Genesis anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Dialoge der Schöpfungsgeschichte 1. Lesung: Gen 2,18-24|2. Lesung: Hebr 2,9-11|Evangelium: Mk 10,2-16”
Lieber Erich!
Wieder einmal ist es mir ein Anliegen, Dir/Euch für die guten Worte zu den Schrifttexten des Sonntags zu danken. Es spricht mich heute Vieles persönlich an, doch einen Gedanken nehme ich heraus und zwar: die Tiere nicht vergöttern, doch sie schätzen und achten. Danke und schöne Grüße aus Egg