Ein Leben mit neuer Qualität 1. Lesung: Apg 1,12-14| 2. Lesung: 1 Petr 4,13-16 | Evangelium: Joh 17,1-11a
Das Evangelium ist ein Teil aus den Abschiedsreden Jesu. Es ist allerdings weit mehr als eine Rede. Es ist ein Gebet. Es ist ein mystischer Text. Das heisst, er bringt etwas zur Sprache, dass das Bergreifen mit Verstand übersteigt, uns aber zugleich mit unserem Innersten des menschlichen Daseins in Berührung bringt. Es sind Worte, die uns zudem tief in das Geheimnis Gottes und in das Menschsein blicken lassen. Wenn ich dazu jetzt Gedanken formuliere, dann sind sie höchstens der Versuch einer Hinführung zu einer Wahrheit, die letztlich nur jede und jeder selbst entdecken kann. Ich kann nur einladen, diese Texte selbst zu meditieren, sie immer wieder zu lesen und sich nicht von einer ersten Unverständlichkeit abschrecken zu lassen.
Angesprochen ist die Beziehung zwischen Gott und Jesus Christus, ihr Eins sein, das gemeinsame Wirken und sich gegenseitig offenbaren. Es ist ebenso angesprochen die Beziehung zwischen Gott und Mensch, die Gestalt Jesu Christi in jedem Menschen selbst und das Teilhaben dürfen des Menschen an dieser Beziehung des Vaters mit Jesus Christus.
Jesus spricht davon: Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.
Vielleicht haben wir es im Ohr? Bei der Hochzeit zu Kana sagt Jesus: Meine Stunde ist noch nicht gekommen (Joh 2,6). Jetzt ist die Stunde gekommen. Es ist die Stunde des irdischen Sterbens. Die Bitte Jesu ist: Sie soll zu seiner Verherrlichung dienen. Es ist die Bitte an den Vater, dass er der Botschaft und sich treu bleiben kann. Der Evangelist Johannes hat nicht das Leiden, den Schmerz oder die Katastrophe des Kreuzes im Fokus, sondern ihm geht es um weit mehr. Der Vater wird dadurch verherrlicht, indem sein Wesen, seine Leidenschaft, sein Innerstes offenbar werden soll, nämlich seine Liebe über den Tod hinaus, seine Anwaltschaft für das Leben. Die Herrlichkeit Gottes ist der erlöste und aufgerichtete Mensch.
Jesus starb im damaligen Verständnis den schändlichsten Tod, den eines Verbrechers, den eines Verdammten (Dt 21,22). Dass die Liebe des Vaters soweit geht, IHN neu ins Leben zu rufen, IHN als den zu bestätigen, der den Willen des Vaters gelebt hat, darin wird die Herrlichkeit Gottes offenbar.
Es ist also nicht die Bitte Jesu, dass der Vater ihn vor dem Leiden bewahre, sondern vielleicht dürfen wir im Verständnis soweit gehen, dass es die Bitte ist, der Weg, den er vor sich hat, soll einen Sinn ergeben. Es soll nicht dazu beitragen, Gott und seine Botschaft zu verdunkeln. – Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht!
Jesus fährt dann fort: Du (der Vater) hast ihm (dem Sohn) Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkst. Es mag eine Aussage sein, bei der wir zunächst innehalten und fragen: Was könnte angesprochen sein? Sie bekommt Farbe, wenn wir bedenken, in welcher Situation viele der Gläubigen damals standen. Sie waren arm, viele von ihnen als Sklavinnen und Sklaven der Willkür ihrer Herren ausgesetzt. Ihnen schreibt Johannes: Jesus Christus ist die Macht über alle Menschen gegeben. Es heißt für sie: Die Macht ihrer Herren ist begrenzt und weiter: Mag die Entmenschlichung noch so weit gehen, die Macht Jesu Christi wird sie erreichen. Sie bleiben in seiner Hand.
Ein weiterer Gedanke: Das ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus. Diese Beschreibung von „ewigem Leben“ wird vielen wohl eher fremd sein. Viele, so wage ich zu behaupten, verbinden mit ewigem Leben das Leben nach dem Tod.
Der Evangelist Johannes konfrontiert uns mit einer völlig anderen Vorstellung. Ewiges Leben hat zu tun mit dem Erkennen des einzigen wahren Gottes und von Jesus Christus. Es ist das Erkennen jenes Gottes, der für das Leben ist und der vor allem für ein Leben in Würde steht. Es ist jener Gott, der dein Leben will, der das Leben eines jeden Menschen will vom Anfang bis zum Schluss und darüber hinaus.
Menschen, die von der Leidenschaft Gottes für das Leben angesteckt sind, denen öffnet sich eine neue Qualität von Leben, einem Leben, dass ihnen niemand nehmen kann. Ewiges Leben erschließt sich auch jenen, die Jesus Christus erkennen. Der Name Jesus steht für: „Gott rettet – Gott hilft.“
Dazwischen ein Gedanke zum Wort „Erkennen“. Im Ersten Testament begegnet uns das Wort: Adam erkannte Eva und sie gebar einen Sohn. „Erkennen“ im biblischen Sinn meint: intim, ganz vertraut werden bzw. ein Lieben, das für neues Leben offen ist. Jesus Christus erkennen ist dann in der Weise zu verstehen, dass der Glaubende sich ihm rückhaltlos ausliefert, dass er – Jesus Christus – in einem Menschen Gestalt annehmen kann, dass man sich von seinem Geist und seiner Liebe „beleben“ lässt.
Meine Gedanken sind nichts mehr als ein Versuch einen Anschluss an diesen Text zu finden. Ich kann nur einladen, sich auf diese Texte einzulassen, dieses „andere Leben“ zu entdecken, das Johannes „ewiges Leben“ nennt. Es ist ein Leben von neuer Qualität, das jetzt schon beginnt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem 1. Brief des Apostel Petrus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
2 Kommentare zu “Ein Leben mit neuer Qualität 1. Lesung: Apg 1,12-14| 2. Lesung: 1 Petr 4,13-16 | Evangelium: Joh 17,1-11a”
“Größer denken”
Einmal angenommen, es kommt jemand zu Dir und sagt: “Erklär’ mir doch mal, warum es im christlichen Glauben überhaupt geht. Sag es so, dass ich es verstehen kann. Rede nicht lange herum, bringe es auf den Punkt.” Was würdest Du antworten? Ich würde es mit einer Kurzformel versuchen, die nur aus zwei Wörtern besteht: “Größer denken.” Diese Formel stammt von Jesus selbst. (Mk 1, 14-20) In unserer Bibelübersetzung klingt es etwas anders “Kehrt um!” sagt Jesus da. Die Übersetzung des griechischen “metanoeite” ist zwar nicht falsch, aber sie trifft nicht den tieferen Sinn, der in diesem biblischen Wort steckt. “Metanoeite” ist zusammengesetzt aus dem Wort “noein”, was denken bedeutet und aus der Vorsilbe “meta” übersetzt mit “darüber hinaus, größer, höher”. Ursprünglich meint “Metanoeite” also “Denkt größer, denkt über das bisher Gedachte und Gewohnte hinaus.”
“Größer denken, das klingt ganz anders als “umkehren”. Zum einen werden wir nicht sofort in die Rolle des Sünders gesteckt, der sich ändern und Buße tun muss, sondern wir werden hinaus gelockt aus dem, was wir sind, und zu neuen Gedanken ermuntert. “Größer denken” ist für mich eine griffige und sympathische Kurzformel, mit der ich anderen erläutern kann, was ich mir unter Christ-Sein, unter einem lebendigen Glauben vorstelle.
“Größer denken”, zunächst einmal von Gott. “Wer immer weiß, zu welchem Gott er betet, wird nie erhört” – meint Erich Fried, der fromme, aber durchaus kritische Dichter. Wer Gott in Formeln und Glaubenssätze presst, wer allzu oft vollmundig und wissend von ihm redet, wer Gott verwechselt mit den Gottesbildern, die Menschen gemacht haben, der denkt viel zu klein von ihm. Größer denken von Gott, – dazu hat Jesus in seinen Geschichten und Gleichnissen immer wieder eingeladen: sich verabschieden von einem kleinlichen Aufpasser – Gott, der alles sieht und jedes Vergehen ahndet, von einem rächenden und bestrafenden Gott, der nicht über unser menschliches “wie du mir, so ich dir” hinaus kommt.
Größer denken von Gott – respektieren, das er ein Geheimnis für uns bleibt und hinfinden zu einem Glauben, den Karl Rahner so umschreibt: “Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.”
Größer denken, auch von den Mitmenschen, sie nicht in Schubladen stecken, aus denen sie nie wieder herauskommen. Hinter die Fassade blicken und ihre verborgenen Fähigkeiten entdecken. Ihnen die Chance lassen, sich zu verändern. Der feinfühlige, humorvolle Franz von Sales hat diese Gefahr klar erkannt: “Mit Adleraugen sehen wir die Fehler anderer, mit Maulwurfsaugen unsere eigenen” – sagte er einmal.
Größer denken von meinen Mitmenschen. Der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti bringt Jesu Anliegen auf den Punkt: “Jesus lehrt, den Mitmenschen realistisch anzunehmen, so wie er ist, und ihn dennoch in der Perspektive seiner Möglichkeiten, das heißt in Hoffnung zu sehen.
“Größer denken” – nicht zuletzt von mir selbst. Ich muss mich nicht klein machen. Ich darf in dem Bewusstsein leben, ein wertvoller, ein von Gott geliebter Mensch zu sein. Nur der kann gut zu anderen sein, der auch gut mit sich selbst umgeht.
Größer denken von mir selbst. Ein Spruch warnt vor der Gefahr, sich selbst zu vernachlässigen: “Wer nicht genießen kann, wird bald ungenießbar.”
Liebe Frau Rose!
Herzlichen Dank für ihren Kommentar. Wie oft bin ich über den Satz: “Kehrt um” gestolpert, weil ich es mir immer nur körperlich vorstellen konnte. Ich habe mich gefragt, warum soll ich jetzt in eine andere Richtung gehen? Wenn sie mir jetzt aber das ursprünglich Wort bzw. die griechische Übersetzung liefern „Metanoeite“ „Denkt größer, denkt über das bisher Gedachte und Gewohnte hinaus.“ kann mein Herz und mein Hirn dazu ja sagen. Dann macht es Sinn, dann muss ich nicht auf dem falschen Weg gewesen sein, um größer zu denken und meinen Sinn zu verändern und vielleicht auch einen neuen Weg einzuschlagen. Vergelts Gott für ihre guten Gedanken.