Ein Zukunftsbild des Christseins 1. Lesung: Jer 20,7-9| 2. Lesung: Röm 12,1-2| Evangelium: Mt 16,21-27
Niemand wünscht sich hineingelegt, gelinkt, betrogen oder überwältigt zu werden. Der Prophet Jeremia sieht sich mit solchen Erfahrungen konfrontiert. Er ist im Namen Jahwes, des Gottes Israels in Jerusalem unterwegs, spricht gesellschaftliche Missstände an, kritisiert den heuchlerischen Kult und die Sorglosigkeit von Menschen, die andere an den Abgrund ihrer Existenz bringen. Er warnt ebenso vor der falschen Bündnispolitik und dem drohenden Unheil von außen. Aber die Priesterschaft, der König und sein Gefolge haben nur Hohn und Spott für ihn übrig. Sie belächeln und verfolgen ihn. Sie halten ihn für längere Zeit in einer Zisterne gefangen. Er erlebt Folter und es gibt Mordpläne gegen ihn.
Es sei nebenbei erwähnt, dass seine Kritik wirklich herausfordernd war. Die Diskussionen, ob er ein Prophet, ein Sprachrohr Gottes sei oder nicht, dauerten über 500 Jahre. Erst im ersten Jahrhundert v. Chr. wurde er als solcher anerkannt.
Jeremia wird nicht gehört, nur belächelt. Auf Dauer ist das menschlich kaum auszuhalten. Er beginnt mit seinem Schicksal zu hadern. Weiter unten im Text kann man lesen, dass er sich wünscht, nicht geboren, sondern bereits im Mutterleib gestorben zu sein. Heute würde man sagen: Er erlebt eine tiefe Depression. Er ist mit seinen Kräften am Ende.
Jeremia wünschte an anderer Stelle aus seiner Situation ausbrechen zu können. So sagt er sich, wie wir es in der Lesung gehört haben: Ich will nicht mehr an die Sache denken. Ich will nicht mehr sprechen. Aber so sehr er sich diese Flucht ins Schweigen wünscht, er bleibt in seiner Sendung gefangen. Es ist wie ein Feuer, das in ihm brennt. Das Schweigen und Davonlaufen würden ihm nicht den erwarteten Seelenfrieden bringen, im Gegenteil, es würde ihn noch mehr quälen. Er kommt sich letztlich von Gott betört, gefangen, überwältigt vor (Jer 31).
Vermutlich kennt jeder Mensch Situationen, in denen sie oder er sich gelinkt, hineingelegt, betrogen oder – wie es in der Lesung eben heißt – betört vorkommt. Der Einsatz für eine menschliche Zukunft, dazu zählt auch der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung sind prophetische Dienste. Sie müssen mit ähnlichen Erfahrungen wie Jeremia rechnen.
Was dürfen wir zunächst von Jeremia lernen?
Ein Erstes: Jeremias Ansprechpartner ist zunächst einmal Gott selbst. Die Vorwürfe, die Wut, die Ohnmacht und der Zorn richtet er vor allem an IHN, nicht so sehr gegen Menschen oder die „böse“ Welt. Er hadert mit Gott. Mit ihm führt er einen Infight und von ihm fordert er eine Antwort.
Jeremia steht damit in der Tradition der Fluch- und Klagepsalmen. Er frisst den Frust, die Wut den Zorn nicht in sich hinein. Er adressiert dies an Gott im Vertrauen, dass er handelt und die Herzen der Menschen erreicht. Es ist für ihn und den biblischen Menschen überhaupt der Weg, weder einem Rachedenken noch einem Rachehandeln zu verfallen – Letzteres vor allem nicht.
Ein Zweites: Das Hadern mit Gott entspringt bei Jeremia dem tiefen Vertrauen, dass allein Gott seine Not ändern kann. Es ist bekannt, dass wir keinen Menschen wirklich ändern können, höchstens ich mich selbst. In der Folge meines anders werden kann es sein, dass sich auch Mitmenschen ändern. Der Hader, der Streit mit Gott wird für Jeremia eine Kraftquelle, die ihm hilft, sich selbst treu zu sein und den Weg gewaltlos zu gehen.
Ich sehe im Propheten Jeremia im Moment ein Zukunftsbild des Christseins. Die Kirche wird eine Randerscheinung werden. Viele, die sich zu ihr bekennen, werden belächelt und als gestrig angesehen. Es gibt innere Gründe, wie den sexuellen Missbrauch oder die schon überfälligen Themen der Frauenfrage, des Zölibats u.ä., die über Jahrzehnte ungelöst debattiert werden. Es gibt auch äußere Gründe, die mindestens so schwer wiegen, wie der gesellschaftliche Wandel, bewirkt durch die Globalisierung und Digitalisierung. In all dem muss sich unser Glaube neu finden, gilt es als Christ sich zu bewähren.
Es gilt das Hadern und Streiten mit Gott zu lernen. Das Hadern mit Gott ist keine private Angelegenheit, sondern ein gemeinsames Tun. Die Propheten waren Sprecher einer Gruppe.
Das Hadern mit Gott ist eine Kraftquelle. Sie verhindert, dass Menschen oder Menschengruppen zu Feinden werden.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jeremía anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: