Liebhaber des Lebens 1. Lesung: Jes 22,19-23| 2. Lesung: Röm 11,3-36| Evangelium: Mt 16,13-20
Jesus kommt mit seinen Jüngern in das Gebiet von Cäsaraä Philippi. Es ist der nördlichste Punkt seines Wirkens. Er ist in einer Krise. Das Kommen des Reiches Gottes, das er verkündet, verzögert sich. Erste Anhänger verlassen ihn. Für wen hält man mich? – eine solche Frage stellt ein Mensch, die verunsichert ist und nach Orientierung sucht. Nach den Ereignissen in Cäsaräa Philippi, das am Fuße des Hermon liegt, geht Jesus nach Süden, auf Jerusalem zu. Es ist ein geographischer Wendepunkt und zugleich ein Wendepunkt in der Verkündigung. Er verschärft den Konflikt mit der damaligen religiösen Elite.
Für Menschen, die noch nie in Israel waren, mag Cäsaräa Philippi eine Ortsangabe sein, der man nicht viel Aufmerksamkeit schenken wird oder kann. Der Ort mit den Gegebenheiten liefert allerdings einen wichtigen Hintergrund für das Verständnis des Evangeliums.
Cäsaräa Philippi liegt an der Handelsstraße zwischen Tyrus und Damaskus. Philippus – ein Sohn Herodes des Großen – hat sie zu seiner Residenzstadt im Norden Israels gemacht. Es ist zugleich eines der drei Quellorte des Jordan. Die Quelle gleicht einem Bach, der am Fuße des Hermon aus dem Felsen fließt. In der Zeit Jesu floss er noch aus einer Höhle. Diese Höhle galt als das Eingangstor zur Scheol, zur Unterwelt. Die Höhle hatte als Vorbau einen Tempel. In besonderer Weise verehrt wurde dort der Hirtengott Pan.
Pan galt als Gott des Waldes und der Natur. Sein Oberkörper hatte eine menschliche Gestalt und sein Unterkörper die Gestalt einer Ziege. Die Hirten verehrten ihn und zugleich fürchteten sie seinen Anblick. Ihm opferten sie.
Der Gott Pan hatte Freude an der Musik, am Tanz und an der Fröhlichkeit. Die Panflöte verdankt ihren Namen diesem Gott. Was er äußerst übel nahm, war eine Störung seiner Mittagsruhe. Da reagierte er heftig. Er löste dann unter Gruppen oder Herden Panik aus, die sich zerstreute. So geht auch das Wort Panik auf diesen Gott zurück.
Wie üblich hatte auch dieser Tempel Priester, die eben im Dienste des Pan standen. Sie führten die Opfer durch und sie waren davon überzeugt, dass sie die Schlüssel zur Scheol, zur Unterwelt in der Hand halten.
Im gehörten Evangelium reagiert Jesus auf das, was er hier in Cäsaräa Philippi an Gottesvorstellungen und Gottverehrung vorfindet. Auf die Frage Jesu an die Jünger antwortet Petrus stellvertretend: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Zwei wesentliche und unterscheidende Merkmale sind angesprochen:
- Der lebendige Gott. Gott ist ein Gott des Lebens, ein Liebhaber des Lebens. Er ist lebendig, nicht tot oder unberechenbar. Es ist der lebendige Gott, nicht ein Gott, der nach oben hin ein menschliches Antlitz zeigt und zugleich auf tierischen, triebhaften, lustgierigen Füßen steht.
- Er ist kein Gott der Panik, der Angstmache oder des Schreckens, der Herden oder Menschengruppen zerstreut, spaltet und in Angst versetzt. Er ist kein Gott, dem die Mittagsruhe „heilig“ ist, der launisch wird, wenn eigene Interessen, Gewohnheiten und Vorhaben in Frage gestellt werden.
Nächsten Sonntag werden wir davon hören, dass dieser lebendige Gott jenen, die ihm folgen das Leiden um die Gerechtigkeit und Liebe willen zumutet.
Ich will aber noch beim heutigen Evangelium bleiben, bei dem was Jesus zu Petrus sagt: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.
Jesus verneint damit, dass die Priester des Pan die Schlüssel zum Tor der Scheol, zur Unterwelt in den Händen halten. Er ist jenen gegeben, die dem lebendigen Gott glauben, auf ihn das Leben aufbauen. Es liegt auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der Schlüsselgewalt sein kann, Panik und Angst zu verbreiten. Der Schlüssel liegt in der Liebhabe des Lebens, in der Liebhabe der Vielfalt, in der Liebhabe auch des noch Fremden und Andersartigen.
Der priesterliche Dienst – darauf legt Jesus hier besonderen Wert – besteht im Binden und Lösen. Es ist das Befreien von jenen Bindungen und Gegebenheiten, die Menschen in Panik versetzen und spalten. Das Befreien etwa von existentiellen Nöten, Ängsten, Trauer, aber auch von versklavenden Beziehungen – partnerschaftliche oder eheliche Beziehungen nicht ausgenommen. Priesterlicher Dienst ist zugleich ein Binden an den lebendigen Gott, an den Liebhaber des Lebens. Diesen Gott muss man nicht mit „Opfern“ besänftigen oder zufriedenstellen. Er ist und wird lebendig im Lob, im Dank und im Bitten.
Das Gott loben, danken und bitten vermag Menschen aus Paniken zu befreien.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: