Engelhafte Begegnungen 1.Lesung: Gen 18, 1-10a| 2.Lesung: Kol 1,24-28| Evangelium: Lk 10,38-42
Mit Gott ins Gespräch kommen – wie geht das? Im Grund genommen sind die Urväter- und Urmüttererzählungen Lerngeschichten zu diesen Themen: Wie kommt der Mensch mit Gott ins Gespräch? Oder: Wie teilt sich Gott dem Menschen mit? Es gab und gibt keine direkte Rede. Die Begegnungen und Dialoge zwischen Gott und Menschen haben eine eigene Qualität. Sie sind vermittelt, nicht unmittelbar und direkt. Ja, wie offenbart sich Gott den Menschen? Es leuchtet in den Erzählungen auf.
So heißt es: Gott erschien dem Abraham. Und dann weiter: Drei Männer standen um die Mittagshitze vor Abraham. Manche tun es ab: Dieser Wechsel von eins auf drei – so ein Blödsinn. Für andere wird es spannend: Was will uns der Erzähler, sprich die Bibel mit dem hin und her wanken sagen? Was können oder dürfen wir von Gott oder über Gott lernen, erfahren?
Nebenbei sei erwähnt, dass die Christen diese Szene als Beleg des Ersten Testamentes für die Dreifaltigkeit genommen haben und nehmen. Gott erschien dem Abraham in der Gestalt von drei Engeln bei der Eiche von Mamre.
Abraham hat noch keine Bibel zur Hand, die ihm behilflich gewesen wäre, Gott zu deuten. Er hat auch keine Dogmen oder Glaubenssätze von oder über Gott. Abraham und Sara sind es, die mit dem lebendigen Gott erste Anfangserfahrungen machen. Sie lernen ihr Leben aus dem Glauben an den einen, lebendigen Gott zu verstehen und zu deuten.
So nochmals zu diesem Bild: Gott erscheint dem Abraham und da sind dann drei Engel, drei Männer zu Besuch. Ich versuche dieses Bild zu deuten. Jede und jeder könnte vermutlich und darf dieses Bild mit eigenen Erfahrungen ergänzen. Es schwingt zunächst einmal mit, dass eine Begegnung mit Gott mehr ist als die Begegnung mit einem Menschen. Es ist ein mehr an Fülle, göttlicher Fülle. Die Begegnung mit Gott ist intensiv, tiefgehend. Es ist eine Gemeinschaftserfahrung – drei Männer – ohne Vereinnahmung oder Aufdrängen; sie bleiben am Zelteingang stehen. Es ist eine engelhafte Begegnung mit Achtung und Respekt. Die Begegnung wird allerdings auch deshalb intensiv und tief, weil auch Abraham das Seine mit seiner großzügigen Gastfreundschaft beiträgt. Er wirft sich nieder. Er bittet die Gäste, an ihm nicht vorüberzugehen und er sorgt für sie mit einem großzügigen Gastmahl.
Die beschriebene Gastfreundschaft von Abraham und Sara zählt zur damaligen Alltagskultur von Beduinen. Es war üblich, dass einem Gast hohe Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Er wurde reichlich kulinarisch versorgt, selbst wenn die Familie oder Sippe selbst Not litt (vgl. 1 Kön 17: Elischa bei der Witwe von Sarepta). Außerdem sorgte der Gastgeber für die Sicherheit des Gastes. Es konnte bis zum Einsatz seines Lebens gehen (vgl. Gen 19,1-14: Lot schützt die Gäste).
Es wird eine Alltagserfahrung erzählt, nichts Außergewöhnliches. Allerdings liegt gerade in dieser banalen, alltäglichen Erzählung das Besondere für Gotteserfahrungen oder Gottesoffenbarungen. Der lebendige Gott (der Bibel) begegnet uns im alltäglichen Leben. Gott sucht uns im Alltag auf: in der Arbeit, in den Begegnungen, in der Sorge um Menschen, in der Gastfreundschaft, in den Hoffnungen und Freuden, aber auch in den Verlusten und Enttäuschungen.
Gott kommt als Gast im Fremden oder noch Fremden. Es können fremde Menschen sein, aber ebenso fremde Gedanken, Ideen und Erfahrungen. Wer sich dem Fremden verschließt, dem wird der Lebendige (Gott) fremd. Es verheißt nichts Gutes, wenn mit Gewalt gegen das Fremde vorgegangen wird.
Als Gott dem Abraham und der Sara erscheinen, ist für sie der große Wunsch die Geburt eines Sohnes. Die Verheißungen, die Gott gegeben hat, erfüllen sich nur mit der Geburt eines Kindes. Sie erwarten also sehnlichst ein Kind. Man könnte davon ausgehen, dass es an dieser Stelle den Auftrag an Abraham mit dem Bau eines Altares gibt, er dann das beste, fehlerfreie Kalb zu schlachten habe und er es mit der Bitte um einen Sohn opfert.
Es ist etwas vom Besonderen dieser Erzählung: Gott fordert von Abraham und Sara kein solches Opfer. Er fordert nicht Verzicht, Entbehrung und Kasteiung. Vielmehr hat Gott Freude an der Fülle des Lebens, an der Freude, an guten Begegnungen. Er begegnet im Gastmahl, auf Augenhöhe, im Teilen des Lebens und in der Sorge füreinander.
Diese Erzählung von Abraham, Sara und den Gästen ist als Parallelstelle zum Evangelium gewählt, der Begegnung Jesu mit Maria und Martha. Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe, eine Begegnung der geschenkten und angenommenen Gastfreundschaft, der Achtung und des Respektes. Was hier in besonderer Weise erwähnenswert ist, dass sich Jesus auf die Gastfreundschaft von Frauen und einem Gespräch mit ihnen einlässt. Es war damals für Rabbis befremdlich. Wie das Beispiel aber zeigt, nicht für Jesus. Es ist heute ernstlich zu fragen, ob der kirchliche Umgang mit den Frauen, den Diensten und Ämtern, die ihnen zugestanden werden, dem Beispiel Jesu gerecht wird?
Der lebendige Gott begegnet uns in den alltäglichen Erfahrungen, in respektvollen Begegnungen und Gesprächen, in gelebter Gastfreundschaft und im füreinander Dasein. Abraham und Sara lernten dieser Nähe Gottes und deren Bedeutung zu trauen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Génesis anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolóssä anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.