Entwicklung der jungen Christengemeinde 1. Lesung: Apg 6,1-7| 2. Lesung: 1 Petr 2,4-9 Evangelium: Joh 14,1-12
Der Text aus der Apostelgeschichte gibt uns einen Einblick, wie sich die jungen Christengemeinden entwickelt haben und vor welchen Herausforderungen sie standen. Eindrücklich ist, dass es den Verfassern wichtig war, die Lösungsansätze zur Problembewältigung für die Nachwelt zu erhalten. Wenn wir unsere aktuelle Lage als Kirche in den Blick nehmen, plagen uns doch ähnliche Herausforderungen und die damaligen Lösungsansätze entsprechen verblüffend allgemeinen Managementgrundsätzen.
Am Beginn steht Kritik bzw. Protest einer Gruppe. Ursprünglich war das Christentum eine Erneuerungsbewegung des Judentums, dennoch stießen auch immer mehr Heiden – hier als Hellenisten bezeichnet – zur Gruppe des neuen Weges. Offensichtlich fühlten sich die „Neuen“ nicht gleichberechtigt. Sie begehrten auf, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden – eine wunderschön diplomatische Formulierung. Es war somit von Bedeutung, die kritisierte Verhaltensweise nicht als Schuld zu bezeichnen. Für die beschriebenen Probleme sollte eine Lösung gefunden werden. „Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen“ – mit dieser Formulierung wird deutlich, dass die Zwölf eine Sonderstellung hatten. Sie ist verständlich, denn sie waren jene Menschen, die am nächsten an Jesus dran waren und am authentischsten von seinem Verhalten berichten konnten. Allerdings gab es schon wenige Jahre nach Jesu Tod schon eine „ganze Schar“ von Jüngern, die offensichtlich in Entscheidungsprozesse mit einbezogen waren, und zwar nicht Teile davon, sondern alle, „die ganze Schar“.
Was nun kommt, ist keine Schuldzuweisung an Andere, keine Gegenargumentation, keine Zurückweisung der Kritik, kein einfaches Ignorieren – heute könnte man sagen, keine Ablage im Rundordner (= Papierkorb) –, sondern es folgt Selbstreflexion und Selbstkritik der damalig höchsten Verantwortlichen: „Es ist nicht recht, dass wir ….“. Die Jünger erkannten, dass die Prioritäten verrutscht waren. Die Alltagsarbeit – der Dienst an den Tischen – führte dazu, dass das Wort Gottes vernachlässigt wurde. Heute könnte man sagen, der Verwaltungsaufwand schießt aus dem Kraut.
Es geht nicht um eine Abwertung von Aufgaben, sondern darum, dass die Schwerpunktsetzung nicht mehr zum Grundauftrag passt und um eine Reorganisation der Aufgaben. Die Zwölf erkannten, dass man nicht alles gleichzeitig gut machen kann. Wenn man zu viele Aufgaben zu bedienen hat, leidet früher oder später etwas darunter. Sie entschlossen sich, Aufgaben abzugeben, den Führungskreis zu erweitern und die Eigenverantwortung zu stärken.
Nun gehen die Zwölf nicht einfach her und beauftragen Personen nach ihrem Gutdünken – es wird keine Freunderl- oder Günstlingswirtschaft eingeführt. Nein, der Auftrag lautet: wählt aus eurer Mitte. Auf heutige Verhältnisse umgelegt bedeutet dies: wählt aus eurer Mitte eine Gemeindeleitung, einen Diakon, eine Jugendleiterin usw. Die Zwölf sagten nicht einfach: Und so machen wir das nun! Nein, sie unterbreiteten einen Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise und holten die Zustimmung ein. So konnte die Wahl stattfinden. Und wer sollte nun gewählt werden? Nicht irgendjemand, damit die Stellen besetzt sind, nein es sollen „Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit“ sein, integre Persönlichkeiten. Die Zwölf nahmen das Wahlergebnis an und übertrugen/delegierten Aufgaben ihres bisherigen Aufgabenbereiches an die sieben gewählten Personen. Es waren machtvolle und einflussreiche, prestigeträchtige Aufgaben, die sie da abgaben – sie selbst wollten beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben. Ein besonderes Berichtswesen oder eigene Genehmigungsprozesse wurden deshalb nicht eingeführt. Die neuen Verantwortlichen sollten eigenverantwortlich arbeiten können.
Beeindruckend ist auch, dass ein Proselyt gewählt wurde – also ein Glaubensneuling als Pendant zu Stephanus, der als „vom Glauben und vom Heiligen Geist“ erfüllt beschrieben wird. Heute könnte man sagen, es sollen alle Generationen vertreten sein – auch weniger Glaubenserfahrene oder junge Menschen sollen Leitungsaufgaben übernehmen dürfen. Zudem ist Nikolaus auch noch ein Fremder. Also auch Ausländer, Migranten und Zugereiste sollen in einer Gemeinde bedeutende Aufgaben übernehmen können. Diese Form der Zusammenarbeit auf Augenhöhe ermöglichte, dass sich das Wort Gottes weiter ausbreiten konnte und die Zahl der Jünger in Jerusalem immer größer wurde.
Eher nebenbei wird erzählt, dass „auch eine große Anzahl von den Priestern“ zum Christentum übertrat. Dies ist schon beachtlich, denn das Leitungsmodell des Judentums war streng hierarchisch, das Priestertum war durch Abstammung begründet und mit Privilegien versehen. Das partizipative und flache Leitungsmodell musste auch für sie Anziehungskraft besitzen.
Derzeit ist der Synodale Prozess, der von Papst Franziskus initiiert wurde, in Vorbereitung. Der synodale Prozess in Deutschland wurde vor wenigen Wochen abgeschlossen. Das ist ja alles ganz erfreulich. Wenn man aber den Text aus der Apostelgeschichte liest, war die Kirche in den ihren Ursprüngen schon etwas weiter: Kritik ernst nehmen; Konflikte aushalten; Selbstreflexion der Führungsverantwortlichen; Prioritäten setzen; Vorschläge unterbreiten; Qualifikationskriterien (ethische und moralische) definieren; allgemeine Wahlen abhalten; Jung und Alt, Erfahrene und weniger Erfahrene befähigen und ermächtigen; unterschiedliche Fähigkeiten integrieren; verantwortungsvolle Aufgaben delegieren; eigenständig arbeiten lassen, Macht abgeben.
Heutige Managementhandbücher sagen uns: Effizienz bedeutet, die Dinge richtig zu machen. Dies bedeutet, man überdenkt die Arbeitsweisen. Effektivität bedeutet, die richtigen Dinge zu tun. Damit ist etwa die richtige strategische Orientierung zum Erreichen der Ziele gemeint. Genau das waren damals auch die Fragestellungen der Jünger: Tun wir die richtigen Dinge und tun wir diese Dinge richtig? Oberstes Ziel war der Dienst am Wort und die Versorgung der Armen.
Beim Lesen des Textes aus der Apostelgeschichte findet man einige Erklärungen, warum das mit der Kirche aktuell vielleicht nicht ganz so toll läuft.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Petrus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten: