Rettendes Richten 1. Lesung: Apg 1,1-11 | 2. Lesung: Eph 1,17-23| Evangelium: Lk 24,46-53
Beide Texte – die Lesung aus der Apostelgesichte und das Evangelium -gehen auf Lukas zurück. Er ist der einzige, der die Himmelfahrt Jesu Christi als sichtbares Ereignis schildert als hätte man es fotografieren können. Nur bei ihm findet sich diese kurze Zwischenzeit, in der Jesus weder in sein altes Leben zurückkehrt noch sich endgültig von den Jüngern verabschiedet bis er dann vom Vater in den Himmel aufgenommen wird. Und doch: Es ist kein Bericht eines historischen Ereignisses, keine Reportage über einen sichtbaren Vorgang. Es sind Bilder des Glaubens, Bilder der Hoffnung, die Lukas damals der Gemeinde schreibt und uns ins Heute mitgibt.
Es geht zunächst schlicht um die Feststellung. Es ist die Zeit vorbei, den Auferstandenen mit den Sinnen wahrnehmen zu können. Wir können ihn weder mit den Augen sehen, noch mit den Ohren hören, noch mit den Händen anfassen oder spüren. Er hat Abschied genommen. Der Zugang zu ihm ist ein anderer. Lukas sagt: wartet. Betet gemeinsam und habt Geduld. Es wird euch ein besonderer Geist zuteil. Ihr erfahrt ihn beim Brotbrechen, ebenso im Wort. Manche meinen, weil für sie als „Realisten“ nur gilt, was sie sehen, hören und anfassen, können sie Gott nicht glauben.
Christis Himmelfahrt ist jenes Fest, das diesem vermeintlichen „Realismus“ entgegensteht. Die wichtigsten Dinge des Lebens, wie: Liebe, Vertrauen, Hoffnung, Frieden, Freundschaft, … entziehen sich den Sinnen und sind doch so wichtig für das Leben. Sie sind es letztlich, die dem Leben Tiefe, Würze und Qualität geben. Die Bibel nennt es: ewiges Leben. Es ist eine andere Realität. Mit ihr in Beziehung zu leben braucht Geduld, braucht Offenheit, ja will gelernt sein. Es braucht Engelstimmen, von denen man sich korrigieren lässt. Ein ständiger Blick nach oben zum Himmel taugt nicht, sondern kehre zurück zum Leben in die Welt und in den Alltag.
Das Fest Christi Himmelfahrt hat für uns Bilder des Glaubens, Bilder der Hoffnung: Er, Jesus, der vielen zum Todfeind geworden war; der sterben musste, weil er in den Augen mancher Gott lästerte, der schließlich im damaligen Verständnis den Tod eines von Gott Verdammten stirbt (Dt 21,22), er wird in den Himmel aufgenommen und sitzt zur Rechten des Vaters. Es geht um Rehabilitierung, um Gottes Gerechtigkeit. Bei Lukas ist das letzte Wort Jesu am Kreuz ein lauter Schrei: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46) Sein Vertrauen bekommt Recht. Er ist aufgenommen vom Vater und er sitzt zu seiner Rechten.
Es ist zu bedenken, dass diese Ausgrenzung Jesu damals vor allem von Menschen kam, die sich als religiös verstanden: Hohepriester, Priester und Schriftgelehrte. Nicht immer erfahren Ausgegrenzte die Rehabilitierung so, wie sie über Jesus hier aufgerichtet wird. Christi Himmelfahrt steht aber für die Botschaft: Gottes Gerechtigkeit ist als Hoffnung für in gleicher Weise Betroffene aufgerichtet. Will man welche erwähnen, dann sind das z.B. vom Missbrauch Betroffene; ehemalige ledige, alleinerziehende Mütter, im Glauben Zweifelnde, die vieles hinterfrag(t)en und zu Außenseitern oder gar Ausgegrenzten wurden oder werden.
Im Glaubensbekenntnis haben wir das Bild: „Er sitzt zur Rechten des Vaters; von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten…“ Das Sitzen zur Rechten des Vaters ist Ausdruck für die neue Macht des Auferstandenen, der ganz in der Vollmacht und im Auftrag des Vaters handelt. Er, der hingerichtet und zum Opfer wurde, ist der neue vom Vater eingesetzte Richter. Er ist kein Richter, um nun Rache zu nehmen und neues Unrecht zu schaffen. Er ist Richter, um Gottes Gerechtigkeit aufzurichten. „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17), sagt Jesus im Johannesevangelium beim nächtlichen Gespräch zu Nikodemus. Oder im Verständnis des Lukas: Er, der segnend zum Himmel aufsteigt wird zum Segen für die Welt. Es ist ein rettendes Richten und sprengt völlig jenes schwarz-weiß-denkerische Richten, das im alten Katechismus stand: Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse.
Es schließt sich hier noch ein weiterer Gedanke an, der vielleicht nur gläubigen Menschen zugänglich sein mag. Es ist ein Gedanke, der in besonderer Weise in der Offenbarung des Johannes seinen Niederschlag findet. Nicht die Täter, nicht die Machtgierigen, die mit List und Taktik ihre Interessen verfolgen, nicht jene, die mit Gewalt ihre Ziele durchsetzen, bestimmen (im Letzten) das Weltgeschehen, sondern es sind die Opfer der Gewalt und Ausgrenzung, denen Gott die Vollmacht des Richtens und Lenkens anvertraut.
Das Fest Christi Himmelfahrt mit seinen biblischen Texten und Bildern ist hoch politisch, weil es einen Einblick in die weltbestimmenden Kräfte und Mächte gibt und sie zugleich auch zu Recht rückt. Jesus Christus ist der Herr und er ist der Richter, d.h. der Retter. Es ist immer größte Vorsicht angebracht gegenüber „starken Männern oder Frauen“ oder selbsternannten Messiasse.
Jesus wird in eine Wolke aufgenommen. Für nicht Kenner der Bibel weckt es vielleicht die Assoziation: er versteckt sich. Die Sprengkraft der Botschaft verschwindet hinter dieser Wolke. Der biblische Mensch weiß, welche Erfahrungen Israel mit der Wolke – Bild für Gott – verbindet. Unter anderem geht die Wolkensäule beim Durchzug durchs Rote Meer dem Volk voraus, Schatten spendend. Sie stellt sich dann hinter das Volk und lässt sich auf die gewalttätig, nachjagenden Ägypter nieder, die dadurch in Verwirrung geraten. Mose ist in einer Wolke als er die Steintafeln mit den Geboten erhält.
Das Fest Christi Himmelfahrt birgt für Glaubende eine große Botschaft und wirft ein besonderes Licht auf die Gerechtigkeit Gottes.