Schuld und Vergebung 1. Lesung: Sir 27,30-28,7 (27,33-28,9)| 2. Lesung: Röm 14,7-9| Evangelium: Mt 18,21-35
Die Schulden sind im Moment ein viel diskutiertes Thema. Die Teuerung macht vielen Menschen zu schaffen. Manche sehen sich über die Schulden nicht mehr hinaus. Bei anderen sind es die Kreditzinsen, vor allem mit variablen Abschlüssen, die zu Existenzkrisen führen. Man mag da fragen: Hätten sie etwas von den Gewinnen geteilt, wenn es mit den variablen Zinsen gut ausgegangen wäre? Muss der Staat – und das sind immer wir alle – einspringen, wenn man negative Konsequenzen zu tragen hat?
Aber mit dieser Frage sind wir wieder beim Thema Schuld. Wie gehen wir mit Schuld um? Wie oft sollen wir vergeben? Wie uns das Evangelium zeigt, ist es für Jesus nicht nur ein zentrales Thema, sondern was den Schuldenerlass anlangt, legt er einen hohen Maßstab an.
Schulden und Schuldenerlass waren im Umfeld Jesu große Herausforderungen. Viele Menschen hatten Schulden. Sie waren verarmt. Was ihnen drohte, war der Verlust der Freiheit und Würde, denn ihnen drohte als nächster Schritt die Versklavung. Die Verarmung so vieler führte ferner zu Korruption. Zöllner verlangten von den Bürgern zu viel. Mit der Not von Menschen lässt sich Geschäft machen.
Einige Orientierungshilfen, die dieses Evangelium enthält:
Petrus fragt zunächst: Wie oft muss ich vergeben, wenn jemand gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal? Er hätte gerne eine Grenze. Ist es nicht menschlich? Doch Jesus entgrenzt und sagt – wie es in der neuen Einheitsübersetzung heißt – siebzigmal siebenmal. Das ist also nicht mehr zählbar. Sein Ausgangspunkt: Gott hat die Sünde(n) schon vergeben. Diese Sündenvergebung Gottes bedeutet, dass wir in das Geheimnis hineingenommen sind, dass er dafür sorgen wird, dass alles gut wird. Da ist auch eingeschlossen alles, was durch die Schuld anderer in meinem Leben zerstört wurde, auch alles, was ich bei anderen in ihrem Leben zerstört habe. Die Sündenvergebung Gottes ist ein großer Heilungsprozess, die als Hoffnung aufgerichtet ist. Die Vergebungsbereitschaft den Menschen gegenüber ist in dieser Hoffnung begründet. Auch wenn durch die Schuld von Menschen manchmal viel im Leben anderer zerstört wurde, wir wissen um den Heiland, um den rettenden und erlösenden Gott. Es ist eines der letzten Sätze unserer Heiligen Schrift, in der Offenbarung des Johannes: „Seht, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5).
Ein nächster Orientierungspunkt: Das Leben in Gerechtigkeit, in Freiheit und Würde. Dem Volk Israel hat sich Gott als der erwiesen, der aus der Knechtschaft und Sklaverei in die Freiheit führt. Sünde und Schuld, beziehungsweise Schulden stehen der Freiheit und der Würde des Menschen entgegen.
Unversöhntes wirkt in die Welt hinein. Unversöhntes bleibt selbst dann wirksam, wenn Menschen sterben. Es ist damit nicht aus der Welt geschafft. Es hat Folgen in den Kindern und Kindeskindern. Natürlich, man kann Versöhnung nicht erzwingen, sie bleibt ein Geschenk. Was uns daher manchmal nur bleibt, dass wir Unversöhntes Gott überlassen.
Schulden und verschuldet Sein steht ebenso der Freiheit und Würde des Menschen gegenüber. Die Menschen von ihren Schulden zu befreien ist eine Arbeit im Dienste ihrer Würde. Es ist Aufgabe der Politik. Es ist aber ebenso Aufgabe eines jeden Menschen mit dem, was ich habe, an einem menschenwürdigen Miteinander zu arbeiten. Es ist kein biblisches Denken: die da oben und die da unten. Die da oben sollen es richten und die da unten, die sich in eine Opferrolle begeben. Es ist eine gemeinsame Aufgabe.
Vielleicht dürfen wir zum Verständnis zwei Sätze aus der Bergpredigt heranziehen: „Selig, die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“ (Mt 5,7). Und an einer anderen Stelle: „Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden“ (Mt 7,2). Es sind Worte, die sich an alle richten.
Ein dritter Orientierungspunkt: Worin besteht die Empörung des Königs? Es ist die Empathielosigkeit des hochverschuldeten Knechtes. Er bringt für seinen Mitknecht nicht das geringste Mitgefühl oder Verständnis auf. Es fehlt ihm die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzudenken. Die Bitte um Geduld des Mitknechtes findet bei ihm keinen Widerhall, obwohl er selbst dieselbe Bitte an den König formulierte. In weiterer Konsequenz heißt es, dass er das Maß der Barmherzigkeit, das ihm gewährt wurde, nicht erkannte. Solche Ignoranz macht Menschen kalt und unerbittlich.
Ein letzter Gedanke: Gibt es eine Krise oder ein Unglück, dann wird schnell die Schuldfrage gestellt. Wer ist schuld? Die Frage nach der Schuld, mag ihre Berechtigung haben. Sie ist vielleicht sogar manchmal notwendig, aber sie löst nie das Problem. Das Handeln, das Gerechtigkeit schafft oder der Freiheit und Würde des Menschen dient, oft ohne Vergebung und Barmherzigkeit nicht zu denken, ermöglicht menschliche Lösungen. Die Arbeit daran wird uns nicht ausgehen. Zu siebzigmal siebenmal sind wir eingeladen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesus Sirach anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: