Täter des Wortes und der Werke 1. Lesung: Dtn 4,1-2.6-8|2. Lesung: Jak 1,17-18.21b-22.27|Evangelium: Joh 6,24-35
Der kurz gehaltene Jakobusbrief, von dem wir heute Anfangszeilen gehört haben, ist Teil der biblischen Sammlung der Katholischen Briefe. Dem Verfasser des Jakobusbriefes war es wichtig, ein unverfälschtes Christuszeugnis zu überliefern. Es ist bemerkenswert, worin er dies sieht. Wir Christinnen und Christen sollen Täter des Wortes und nicht nur Hörer sein. Alles andere sei Selbstbetrug. Einmal mehr werden wesentliche Passagen im Text ausgelassen. In den fehlenden Zeilen versucht der Verfasser diesen Selbstbetrug mit einem bildhaften Vergleich – einem Jesus ähnlichen Gleichnis – zu beschreiben. „Wer nur Hörer des Wortes ist und nicht danach handelt, gleicht einem Menschen, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah. Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört und es wieder vergisst, sondern zum Täter des Werkes geworden ist, wird selig sein in seinem Tun“ (Jak 1,23-25).
Die erste Lesung stammt aus dem Buch Deuteronomium. Sie schildert den letzten Tag von Mose, der das gelobte Land vor Augen hat und weiß, dass er in dieses nicht einziehen kann. Darum fasst er für das Volk die gemeinsam erlebte Geschichte und ergangenen Gesetze zusammen. Es sind Weisungen für ein gutes Leben im gelobten Land. „Hört und ihr werdet leben“ (Dtn 4,1). Nur wer die Weisungen hört, kann danach leben. Und nur wer danach lebt, kann das gelobte Land in Besitz nehmen, d.h. im gelobten Land auf Dauer leben. Menschen, die die erhaltenen Weisungen Gottes in Handlungen und Taten verwandeln, beeindrucken. Wer so handelt wird in den Augen der Völker als ein „weises und gebildetes Volk“ und als „große Nation“ angesehen – so haben wir gehört. „Welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsentscheide, die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege?“ (Dtn 4,8) fragt Mose. Weil es das Grundansinnen dieser Weisungen ist, ein gutes und gerechtes Zusammenleben zu ermöglichen fordert Mose: „Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen“ (Dtn 4,2). Jede Einwirkung und Abwandlung brächte das Risiko mit sich, den Heilsplan Gottes zu durchkreuzen.
Genau darum geht es im heutigen Evangelium. Es war keine der am Sinai erhaltenen Weisungen, dass man vor dem Essen die Hände zu waschen hätte. Es ist zweifellos sinnvoll und aktuell auch Teil der Corona-Hygienemaßnahmen, aber kein Gesetz Gottes. Noch viele andere überlieferte Vorschriften hielten die Pharisäer und Schriftgelehrten ein, berichtet der Evangelist Markus. Sie werden als „Überlieferungen der Alten“ bezeichnet. Man könnte sagen, weise Ratschläge und überlieferte Gebräuche, aber nichts woran man sich festbeißen muß. Nun fehlt schon wieder ein wesentlicher Teil des Textes. Jesus bringt ein konkretes Beispiel was er damit meint: „Sehr geschickt setzt ihr Gottes Gebot außer Kraft, um eure eigene Überlieferung aufzurichten. Denn Mose hat gesagt: Ehre deinen Vater und deine Mutter! und: Wer Vater oder Mutter schmäht, soll mit dem Tod bestraft werden. Ihr aber lehrt: Wenn einer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: Korbán – das heißt: Weihgeschenk sei, was du von mir als Unterstützung erhalten solltest -, dann lasst ihr ihn nichts mehr für Vater oder Mutter tun. So setzt ihr durch eure eigene Überlieferung Gottes Wort außer Kraft. Und ähnlich handelt ihr in vielen Fällen“ (Mk 7,9-13). Als Korbán bezeichnete man die Tempelsteuer, die ein Jude abzugeben hatte, oder auch Weihegaben an den Tempel im Rahmen von Pilgerwallfahrten. Es muss also regelmäßig vorgekommen sein, dass Kinder das Geld, das den Eltern zur Lebensgrundlage hätte dienen sollen, dem Tempel gespendet und damit ihnen vorenthalten wurde. Die Tempelsteuer und der daraus resultierende beträchtliche Tempelschatz dienten wesentlich der Aufrechterhaltung des Kultes und den Baumaßnahmen am Tempel.
Zielgruppe des Jakobusbriefes war eine städtische Mittelschicht in Antiochia im heutigen Syrien – Gemeindemitglieder, die es zu einigem Wohlstand gebracht hatten. Bei ihnen sieht der Verfasser die Gefahr von Gewinnstreben und Glaubensverlust. Er verweist in seinem Brief auf zunehmende soziale Unterschiede in der Gesellschaft. Er möchte die Gemeinde zu einem unverfälschten Christuszeugnis aufrufen und verweist auf Jesus, der sich den Notleidenden und Armen zuwandte. Als Erkennungszeichen für ein Abdriften vom Weg Jesu markiert er die zunehmende Spannung zwischen Reden und Tun. In diesem Zusammenhang bringt er in Erinnerung was ein reiner und makelloser Gottesdienst ist. „Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es vor Gott, dem Vater, für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen und sich unbefleckt von der Welt zu bewahren”. Wenn Reden und Tun nicht zusammenpassen, spricht er gar von einem „wertlosen“ Gottesdienst.
Jesus maßregelte das Verhalten der Kinder, Geld den Eltern vorzuenthalten, um sich mit einer Tempelgabe Prestige zu verschaffen. Und die Tempelverantwortlichen verurteilte er, dass sie diese Geldumwidmung zur Anhäufung von Tempelbesitz gewähren ließen. Jesus ruft mit den Worten des Propheten Jesája zur Unterscheidung auf zwischen den Satzungen von Menschen – auch von Religionsvertretern – und den Geboten Gottes.
Was bedeutet es, wenn wir mit kirchenrechtlichen Bestimmungen umzugehen haben, die die Gegenwart pfarrlichen Alltags nicht mehr zu regeln vermögen und damit eine Welt vorgaukeln, die es gar nicht mehr gibt? Könnte es gar Selbstbetrug sein? Viele unserer heutigen Pfarren wurden unter Joseph II. als Verwaltungssprengel gegründet. Pfarren sind nicht gottgegeben. Wenn wir an die aktuellen Dispute rund um Pfarrzusammenlegungen und die Zusammenarbeit in Seelsorgeräumen denken – haben wir es hier nicht vielleicht lediglich mit einer Überlieferung der Alten zu tun und diese hindert uns ins gelobte Land einer zukünftigen Gestalt von Kirche einziehen zu können? Wenden wir die Gesetze und Rechtsentscheide „die so gerecht sind“, dass wir als ein „weises und gebildetes Volk“ angesehen werden können an, wenn ich an geschiedene Wiederverheiratete denke oder den Umgang mit Frauen? Verwenden wir Messopfer- und Kirchensteuergelder ausreichend für Notlinderung oder doch eher zur Aufrechterhaltung von Kult und Gebäuden? Durch die knapper werdende Zahl an zugelassenen Zelebranten für Messfeiern gibt es Kritik an dem geringer werdenden Angebot. Geht es uns aber bei den Messfeiern nicht eher darum, das eigene Gesicht im Spiegel zu betrachten, gehen dann weg und haben schon wieder alles vergessen? Jesus mahnt heute: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“ (Mk 7,15). Kommt aus unserer heutigen Verfassheit von Kirche wirklich das heraus was „das vollkommene Gesetz“ ist, wenn ich an die Missbrauchsfälle denke oder Mängel der Finanzverwaltung?
Die Folgen der Corona-Pandemie wirken wie ein Brennglas für soziale Unterschiede und Not in ihren vielfältigen Formen. Der Verfasser des Jakobusbriefes zielte bei einer Gemeinde der städtischen Mittelschicht auf Verhaltensänderung ab. Wenn wir uns umsehen – sitzen wir nicht inmitten solcher Gemeinden?
Wenn wir morgen am Beginn einer neuen Woche gestärkt durch den Gottesdienst den Alltag fortsetzen – in welchen Zusammenhängen können wir Täter des Wortes und der Werke sein?
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronómium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Jakobusbrief anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Täter des Wortes und der Werke 1. Lesung: Dtn 4,1-2.6-8|2. Lesung: Jak 1,17-18.21b-22.27|Evangelium: Joh 6,24-35”
Vielen Dank! Es ist immer wieder ein Sonntagsgeschenk die guten Gedanken mit in die Woche zu nehmen.
Alles Liebe und bleibt behütet,
Andrea