Über die Steppe hinaus 1. Lesung: Ex 3,1-8a10.13-15|2. Lesung: 1 Kor 10,1-6.10-12|Evangelium: Lk 13,1-9
Eines Tages trieb Mose das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Bibel mit geographischen Angaben Theologie, d.h. Aussagen von und über Gott verbindet.
Eines Tages trieb Mose das Vieh über die Steppe hinaus. Es wirkt ungeplant, zufällig. Eines Tages verlässt Moses seinen gewohnten Trott. Er geht über die Steppe hinaus. Er riskiert, überschreitet eine Grenze. Die Steppe ist ihm zu wenig. Sie bietet nicht genug Leben. Es wird kein Grund angegeben, warum er darüber hinausgeht. Ist es Unzufriedenheit? Leidet er oder die Familie Hunger? Ist er das karge Leben satt? Beflügelt ihn Abenteuerlust? Will er Neues erfahren?
Er kommt an den Gottesberg Horeb. Horeb auf Deutsch meint: „Wüste“, „Einöde“, „Verwüstung“. Er wandert über die Steppe hinaus und trifft auf Wüste, auf Verwüstung. Vielleicht hoffte er auf eine Oase mit einem Palmenhain zu stoßen. Nein, es ist Wüste, eine verwüstete Wüste. Wir dürfen davon ausgehen, dass damit die Seelenlandschaft des Moses beschrieben ist.
Mose erlebt hier einen Tiefpunkt seines Lebens – verwüstete Wüste. Dieser Tiefpunkt wird zum Gottesberg. Mit anderen Worten: Gott steigt hinab in die Tiefen eines menschlichen Lebens. Er sucht den Menschen in seiner Wüste auf, in seiner Ohnmacht und Hilflosigkeit, in seinem Elend und in seiner Not.
Und an diesem Punkt – in dieser Wüste – begegnet Mose zugleich dem brennenden Dornbusch. Der Dornbusch als Bild für Dornen, die Wunden aufreißen, die Schmerzen verursachen und den man am liebsten aus der Welt schaffen würde. Er brennt und brennt und verbrennt nicht. Der Dornbusch lässt sich nicht verdrängen, nicht abschaffen. Das Verletzende ist nicht aus dem Kopf zu bringen. Es gibt manchmal Probleme, Schwierigkeiten oder Erfahrungen, die einem brennenden Dornbusch gleichen. Sie machen das Leben zur Wüste. Immer wieder wenden sich die Gedanken diesem Problem zu, besonders dann, wenn man allein ist und rund herum alles still wird.
Von Mose wird gesagt, dass er die außergewöhnliche Erscheinung ansehen will. Er ist in einer Situation, in der er diesem brennenden Problem auf den Grund gehen will. Er will es anschauen. Er ist bereit, sich anzuschauen und sich dem brennenden Problem zu stellen.
Das Leben ist immer wieder ein Geben und Nehmen, so auch in dieser Situation. Mose will anschauen und dabei geschieht es, dass er von Gott angeschaut und angesprochen wird. Als Gott sah, dass Moses näherkam, um das Ereignis anzusehen, rief Gott mitten aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose!
Mose in seiner verwüsteten Situation wird nicht nur angesprochen, sondern gerufen. Er wird mit dem Namen Mose – übersetzt: „aus dem Wasser gezogen“ – gerufen. Als Kind einer Hebräerin, der bei der Geburt nach dem Gesetz des Pharaos getötet werden hätte müssen, ist von der Prinzessin aus dem Wasser gezogen worden. Er wird daran erinnert, dass er schon einmal gerettet wurde. Er weiß sich jenem Gott gegenüber, der für Rettung steht.
Ihm antwortet Mose: Hier bin ich. Er ist da mit allem, was ihn jetzt ausmacht. Er kann nichts mehr verbergen. Er will nichts mehr verbergen. Er steht vor Gott als Mensch mit all dem Ungelösten, seiner Ratlosigkeit und vielleicht ist auch für ihn manch Beschämendes mit dabei.
Gott spricht weiter: Tritt nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Als eine mögliche Deutung für den Boden, auf dem Mose in diesem Augenblick steht, ist seine Lebensgeschichte. Es ist Teil seiner Lebensgeschichte, dass er ein Mörder ist. Er hatte im Streit einen Ägypter erschlagen und ist dann geflohen. Noch immer ist er auf der Flucht.
Die Bibel lässt es offen, was hinter dem Bild des brennenden Dornbusches steht. Vielleicht ist er Bild für die Gewissensbisse, die den Mose seit dem Mord verfolgen. Es ist gut vorstellbar, dass diese Tat in der Seele gleich einem brennenden Dornbusch nachwirkt. In diesem Bild des brennenden Dornbusches könnte auch das Leid des Volkes Israels beschrieben sein, das Mose nicht aus dem Kopf bringt. Israel wird von den Ägyptern unterdrückt, gedemütigt und bekämpft. Ja, es droht die Ausrottung, denn jedes männliche Kind wird getötet. Es schreit nach einer Lösung. Der Not seines Volkes will er nicht mehr länger tatenlos zusehen.
Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Diesen Akt deute ich als Versöhnungsgeschehen zwischen Gott und Mose. Gott bringt dem Mose trotz oder gerade wegen seiner Vergangenheit großen Respekt entgegen. Du stehst auf heiligem Boden. Er gesteht ihm Würde, Anerkennung und Achtung zu. Leg deine Schuhe ab. Trample nicht länger auf deiner Seele herum. Lass ab von den Selbstzweifeln, Selbstvorwürfen oder der Selbstverachtung. Du stehst auf heiligem Boden. Ein Aufgerichtet werden in dieser Form kann nur von außen kommen.
Es folgt dann die Berufung des Moses. Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! Gott mutet diesem Mörder Mose ganz viel zu. Der weitere Verlauf zeigt, dass er die Befreiung gewaltlos zu bewerkstelligen hat. Durch die Begegnung Berufung ist er ein anderer geworden.
Mose sagt dann nicht sofort zu allem Ja und Amen. Er hat Zweifel, ob ihm die Leute trauen. Er ist kein guter Redner. Gott sucht mit ihm und für ihn Lösungen. Nochmals möchte ich in dieser Berufungserzählung zwei Aspekte in besonderer Weise hervorheben: a) Den Respekt und die Achtung, die Gott gegenüber Mose mit seiner Lebensgeschichte aufbringt. b) Gott schreibt Heilsgeschichte auch mit Menschen, die vielleicht auch um große Schuld wissen.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Exodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
2 Kommentare zu “Über die Steppe hinaus 1. Lesung: Ex 3,1-8a10.13-15|2. Lesung: 1 Kor 10,1-6.10-12|Evangelium: Lk 13,1-9”
Danke Katharina für den Impuls “über die Steppe hinaus”
Die Gedanken werden mich diese Woche begleiten! Ich wünsche auch Dir eine gute Woche Laura
Lieber Pfarrer Baldauf,
obwohl diese Bibelstelle vom brennenden Dornbusch zu meinen Lieblingstexten zählt, habe ich sie noch nie aus dieser Perspektive gelesen. Vielen herzlichen Dank!!
Liebe Grüße
Ilse Fraisl