Gemeinschaftliche Freude über Verlorenes 1. Lesung: Ex 32,7-11.13-14| 2. Lesung: 1 Tim 1,12-17| Evangelium: Lk 15,1-32
Im Evangelium möchte ich mich jenem Abschnitt zuwenden, der in der Verkündigung vermutlich am wenigsten Beachtung findet: das Gleichnis mit der verlorenen Drachme. Das Gleichnis vom verlorenen Schaf, bzw. vom verlorenen Sohn oder barmherzigen Vater haben einen größeren Bekanntheitsgrad.
Was wir bei Lukas immer wieder finden, sind diese Parallelerzählungen von Männer- und Frauengeschichten. So auch hier: Einem Hirten kommt aus seiner Herde ein Schaf abhanden. Eine Frau verliert eine Drachme. Es ist ein Kontrapunkt des Lukas zur hellenistisch-römischen Welt. In ihr gab es die Tendenz, die Frauen und ihre Arbeit zu verschweigen. Die Männer sind auf den Straßen, in der Ratsversammlung, am Gerichtshof, in gesellschaftlichen Versammlungen, auf der Straße. Die Frauen dagegen hüten das Haus. Die Männer wiesen den Frauen einen Handlungsraum zu und machten so die faktisch geleistete Frauenarbeit auf den Märkten, Feldern und in den Werkstätten unsichtbar.
Lukas erwähnt eine Frau und sagt noch dazu, dass sie Geld hat, dass sie dieses verdient, erwirtschaftet hat und ihr Eigen nennen darf. Es ist zu beachten und bleibt beinahe unbemerkt, wie sehr sich Lukas gegen das unsichtbar machen der Frauen in der damaligen Gesellschaft stellt. Vor einem solchen Hintergrund klingt dann die Bemerkung eines Kardinals aus Deutschland in der vergangenen Woche eigenartig: Die Priesterweihe für Frauen stehe nicht zur Diskussion. Das hätte Papst Johannes Paul II. bereits gesagt und fügt hinzu: Man solle sich nicht der Welt anpassen. Vielleicht würde Lukas ihm antworten: Ja, lieber Kardinal, passe dich nicht der Welt an, die die Frauen und ihre Arbeit verschweigt?!
Der Hintergrund dieser drei Gleichnisse bildet die Auseinandersetzung Jesu mit Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie kritisieren seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern.
In diesen drei Gleichnissen zeigen sich besondere Aspekte, die Lukas zum Verständnis von Sünde und Sündenvergebung hat. Lukas versteht Sünde in erster Linie als ein Leben, das sich nicht an die Tora hält, als ein Übertreten der Tora, der Weisungen Gottes. Die betroffenen Menschen werden zu Außenseitern und gemieden. Wobei Lukas sein Augenmerk auf Menschen wirft, die die Tora nicht halten können auf Grund der politisch-wirtschaftlichen Situation. Es ist ihre Armut, die es verhindert nach der Tora zu leben. In ihrer Existenznot sind sie zur Prostitution gezwungen oder werden sie zu Zöllnern. Die Armut lässt sie verwirren und macht sie zu religiösen Außenseitern, führt sie weg bis hin zum Schweinetrog – Bild für die „Gottferne“.
Die Frau hatte 10 Drachmen. Für einen Menschen, der auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen war, war es wenig. Mit dem Wert einer Drachme konnte sie vermutlich die Familie zwei Tage erhalten.
Mit den Gleichnissen zeigt Jesus auf, wie wir das Handeln Gottes verstehen dürfen und er lädt die Schriftgelehrten und Pharisäer ein, sich auf dieses Handeln einzulassen. Zunächst das Suchen: Gott sucht bis er findet. Jesus sucht in seinem Namen. Er sucht die Sünder auf. Sie suchen bis sie finden. Vielleicht gelingt manchmal das Finden erst im Tod eines Menschen. Die Frage bleibt und sie stellt sich an jeden Menschen: Lasse ich mich finden? Die Schriftgelehrten und Pharisäer waren der Ansicht, dass sie es nicht nötig haben. Sie sind fern vom Reich Gottes.
Sündenvergebung ist in diesen Gleichnissen mehr als der Zuspruch: Deine Sünden sind dir vergeben. Es ist die Aufnahme von Beziehung oder Beziehungen. Der Hirt, bzw. die Frau suchen das Verlorene und holen es in die Gemeinschaft zurück. Sie zeigen einen hohen Einsatz. Und wichtig: Es wird gefeiert. Es wird eine Freude geteilt – mit Freunden und Nachbarn. Im zweiten Gleichnis wird angemerkt, dass selbst Gott mit den Engeln die Freude teilt. Wir sind an die erste wörtliche Rede Gottes in der Bibel erinnert: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt (Gen 2,18).
Der Grundgedanke der Pastoral Jesu: Die Menschen beziehungsweise „Sünder“ müssen nicht zuerst umkehren und gut werden, damit sie zu uns dazu gehören können, sondern ich suche diese Menschen, ich nehme Beziehung auf, teile das Leben, damit wir Gemeinschaft werden. Und die Grundbotschaft, die sich in der Freude zeigt: Es ist gut, dass du da bist, dies hilft den Menschen am nachhaltigsten, neu zu beginnen. Oder wie wir gerne sagen: Umzukehren.
Jesus hat die Gleichnisse den Pharisäern und Schriftgelehrten erzählt, weil er sie auf seinen Weg mitnehmen wollte. Er hat sie eingeladen, mit diesen Menschen, die ihnen verhasst waren, in Beziehung zu treten und Feste zu feiern. Lukas lässt es offen, ob sie umgekehrt sind?
Wie den Pharisäern und Schriftgelehrten erzählt Jesus auch uns heute, den Gemeinden und der Kirche diese Gleichnisse. Er lädt uns ein, auf seinem Weg mitzugehen.